Während sich die wirtschaftlichen und sozialen Krisen im Iran wegen des Missmanagements durch das Regime zuspitzen, warnen Amtsträger und staatliche Medien vor neuen Antiregime Protesten und dem drohenden Sturz der Mullahs.
In der öffentlichen Sitzung des Parlaments am Sonntag und trotz aller internen Streitereien räumten einige Mitglieder des Parlaments des Regimes ein, dass es derzeit eine wirtschaftliche Krise gibt. Sie machten auch eine systematische und institutionalisierte Korruption als Hauptgrund für wirtschaftliche Herausforderungen aus. Damit setzen sie sich von allen Anstrengungen und Behauptungen der Mullahs und ihrer Verteidiger ab, die die Sanktionen für die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Iran verantwortlich machen.
„Das derzeitige wirtschaftliche Wachstum des Landes ist seit acht Jahren negativ. Die Regierung, die für sich in Anspruch nimmt, die Probleme der Menschen zu lösen, verzweifelt jetzt an einer Lösung, Die Einkünfte des Landes sind seit 2013 um 34 % zurückgegangen. Die Kaufkraft der Menschen ist gegenüber dem Vorjahr auf ein Drittel zurückgegangen und die Preise schießen immer wieder in den Himmel und erhöhen sich dauerhaft. Landwirtschaftliche Importe wie Weizen, Sojabohnen usw. steigen über Nacht um das 10fache, Importe für die Bauwirtschaft nehmen um mehr als das 10- bis 20fache zu und die Preise für Geflügel und Fleisch erhöhen sich schlagartig“, erklärte einer der MPs des Parlamentes, Kamal Aipour, am Sonntag.
Die staatliche Tageszeitung Ebtekar schrieb am Sonntag: „Ist es falsch, wenn man die These vertritt, dass die Bürger des Iran unter den schwierigsten sozialen Bedingungen in der zeitgenössischen Geschichte leben? Ist es eine Übertreibung zu sagen, dass viele Bürger in verschiedenen Teilen des Iran nicht in der Lage sind, für Nahrungsmittel, Wohnkosten, Bildung, Gesundheit usw. aufzukommen? Ist es falsch zu sagen, dass für eine Wohnung und die Gründung einer Familie aufzukommen für die meisten jungen Leute nur mehr ein Traum ist?“
Auch die Staatliche Tageszeitung Asia macht das Missmanagement des Regimes als wahren Grund für die wirtschaftlichen Probleme des Iran aus und schrieb am Sonntag: „Es ist nicht möglich, alle wirtschaftlichen Mangelerscheinungen des Landes auf die Sanktionen zurückzuführen. Ein bedeutender Teil der wirtschaftlichen Probleme müssen im Management System des Landes gesucht werden“.
Ferner erklärte am Sonntag Hossain Raghfar, ein Wirtschaftsexperte des Regimes: „Unsere Wirtschaft basiert auf Freundschaft, nicht auf Wettbewerb, das ist der Grund dafür, dass man jemanden auffordert und ihm sagt, er möge einen Kredit über 3 000 Milliarden Toman an eine Person ohne ausreichende Sicherheiten geben. Auch die Wirtschafts- und Währungspolitik sind auf die Interessen von politischen Parteien zugeschnitten und statt einer Verteilung von Gerechtigkeit sehen wir eine Verteilung der Korruption und Unterschlagung“.
In dem Versuch, die rivalisierenden Fraktionen, insbesondere den Präsidenten des Regimes Hassan Rohani, für die wirtschaftlichen Härten verantwortlich zu machen, meinte Seyed Mostafa Mir-Salim, ein anderes MP des Regimes am Sonntag: „Herr Rohani, sein Vizepräsident Herr Eshag Jahangiri und Herr Seif, der Chef der Zentralbank, sollten diese Frage beantworten: Was ist mit 20 Milliarden Euro und 60 Tonnen Gold passiert, die aus dem Staatsschatz verschwunden sind? Dieser Skandal hat sich unter ihrer Verwaltung ereignet. In jedem Fall müssen sie zur Verantwortung gezogen werden für das, was passiert ist und wobei mehr als 500 000 Milliarden Toman nach heutigem Wechselkurs ruiniert wurden“.
Zusätzlich zu den wirtschaftlichen Problemen kämpfen die Menschen im Iran jetzt mit dem Ausbruch des Coronavirus und den steigenden Zahlen an Todesfällen dadurch, die durch die vorsätzliche Vertuschung und Untätigkeit des Regimes bedingt sind.
Statt die Probleme der Bevölkerung zu lösen, hat das iranische Regime seine Unterdrückungsmaßnahmen verstärkt. Die Hinrichtung von Navid Afkari, einem iranischen Ringmeister, vor kurzem trotz aller internationaler Aufschreie gegen dieses Todesurteil zeigt das Erfordernis von Unterdrückung für das Regime, um die unruhige Gesellschaft zu kontrollieren.
Dazu äußerte Gholamreza Mesbahi-Moghaddam, ein Mitglied des Schlichtungsrats des Regimes, in einem Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur Tasnim: „Es ist nicht möglich, das Land weiter so zu verwalten, wie wir das in den letzten drei Jahrzehnten getan haben. In all den Jahren hatten wir immer eine Inflation in zweistelliger Prozentzahl, hatten wir große Defizite im Budget und hatten wir eine Arbeitslosigkeit in zweistelliger Prozentzahl. Zu all diesen Sachverhalten kommt eine weitere Sache, die sich ergeben hat, nämlich die sich erweiternde Lücke zwischen Arm und Reich. Leider ist in den sieben Jahren dieser Regierung die Zahl für unser Nationaleinkommen unter dem Strich von 400 Milliarden $ auf 165 Milliarden $ zurückgegangen und das ist schrecklich“.
Die staatliche Tageszeitung Sharq schrieb am Sonntag: „Bis jetzt hat keiner der Amtsträger der jetzigen und der vorherigen Regierung irgendetwas Ernsthaftes über das verlorene Vertrauen der Armen erwähnt, da keine dieser politischen Strömungen die wahren Interessen der Massen vertreten“.
In Bezug auf die Folgen des Zorns in der Bevölkerung schrieb die staatliche Tageszeitung Arman am Donnerstag: „Der Grad der Toleranz der Gesellschaft wird von einer Menge von Problemen des Lebensunterhals überwältigt zusammen mit einem Fehlen von bürgerlichen und sozialen Freiheiten und anderen Schwierigkeiten“.
Die Möglichkeit eines neuen Aufstands ist für das Regime, das seine Fundamente bei den beiden früheren landesweiten Protesten 2018 und 2019 erschüttert sah, furchterregend. Und ein solcher Aufstand ist nicht mehr fern.
Die Staatliche Tageszeitung Ebtekar schrieb dazu am 31. Juli: „Die derzeitige Situation kann so nicht weitergehen. Wir sind schon lange am Warnsignal vorbei. Wenn die Bewegung der hungernden Menschen sich voll etabliert hat, wird nichts übrigbleiben. Diese Gesellschaft hat mehrmals den Siedepunkt erreicht, aber sie ist dann stecken geblieben aus welchem Grund auch immer. Wenn es früher oder später keinen positiven und grundsätzlichen Wandel an der derzeitigen Situation gibt, wird sich ein Feuer entzünden; ein Feuer, das alles abbrennen wird“.