Friday, March 29, 2024
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Der Iran ignoriert seine eigenen Verstöße, um das Nuklear-Abkommen einseitig darzustellen

Von: Alejo Vidal Quadras

Nach der der jüngsten Zusammenkunft derer, die 2015 das Nuklearabkommen beschlossen hatten, ist es merklich zu einer Zunahme der Aussichten gekommen, daß die Einigkeit darüber wiederhergestellt werden kann. Die europäischen Teilnehmer – Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Europäische Union – hoffen, wie es scheint, darauf, daß sie das iranische Regime und die Vereinigten Staaten zu der sofortigen Wiederherstellung des status quo überreden können. Doch die Frage, ob dies Ziel erstre-benswert sei, wurde zu wenig beachtet – besonders angesichts der durch die unlängst vom Iran begangenen Provokationen veränderten Umstände.

Wendy Sherman, die für die Position der stellvertretenden Außenministerium nominiert wurde, sagte in ihrer Vorstellungs- Rede: „Die Tatsachen haben sich von Grund auf verändert; die geopolitischen Umstände der Region sind andere geworden – daher muß auch der weitere Fortgang verändert werden.“ Doch bedauerlicherweise spricht wenig dafür, daß die Europäer eine ähnliche Perspektive annehmen. Dabei spricht vieles dafür, daß Teheran versucht, das Engagement der Europäischen Union zu einem Rückschritt zu benutzen.

Unlängst sagte Javad Zarif, der Außenminister des iranischen Regimes, auf Twitter mit Bezug auf die formelle Bezeichnung des Nuklear-Abkommens „Gemeinsamer Plan umfassenden Handelns“: „Der Iran schlägt den logischen Weg zu einer vollständigen Erfüllung des JCPOA vor. „Zunächst sollten die USA – die diese Krise herbeigeführt haben – zu vollständiger Einhaltung zurückkehren; nach umgehender Verifikation wird der Iran entsprechend reagieren.“ Und er fuhr fort: „Alle von Trump verhängten Sanktionen richteten sich gegen das JCPOA und müssen aufgehoben werden, [ohne daß] zwischen willkürlichen Bezeichnungen unterschieden wird.“

Die Botschaft von Zarif, die er nach der Zusammenkunft in Wien gepostet hat, unterstreicht die Tatsache, daß Teheran seine Politik der Erpressung fortsetzt. Zarif suggeriert ja nicht, daß der Iran auf die finanziellen Wohltaten, von denen er annimmt, sie seien ihm während der Verhandlungen zum JCPOA angeboten worden, erneut Anspruch erhebt; es handelt sich darum, daß die Westmächte vor einem iranischen Ultimatum kapitulierend den Führern des Landes garantieren sollen, sie würden in bezug auf ihre Verstöße gegen das Abkommen – sowohl den vor als auch den nach dem Rückzug begangenen – mit keinen Folgen zu rechnen haben.

Während der beiden Jahre, in denen der Iran dem JCPOA formell fern blieb, sind einige von dessen Schwächen und Fehlern deutlicher geworden – oftmals durch direktes Eingeständnis fehlerhaften Verhaltens seitens des iranischen Regimes.

Iran: Täuschende Nachrichten oder die neue Taktik, die das Regime in bezug auf sein Nuklearprogramm verfolgt

Im Januar 2019 gab Ali Akbar Salehi, der Leiter der Atomenergie-Organisation des Iran, staatlichen Medien des Landes ein Interview, in dem er sich ersichtlich einiger Methoden brüstete, mit denen der Iran seine Verhandlungspartner und die erhofften Unterstützer des JCPOA von der Internationalen Atomenergie-Behörde getäuscht hatte. Er sagte, er habe sich einiger Köder-Röhren und manipulierter Fotos bedient, um ausländische Behörden davon zu überzeugen, daß der Kern der Schwerwasseranlage von Arak im Einklang mit der betreffenden Vorkehrung des Abkommens deaktiviert worden sei. Im weiteren Verlauf des Jahres 2019 fügte er hinzu, die AEOI habe „Gegenmaßnahmen“ ergriffen, um die „Fallen“ zu umgehen, die die Bestimmungen zur Begrenzung der Herstellung angereicherten Urans durch das Land dargestellt hätten.

Im Juni 2017 bestätigte Reuters, der Iran habe bei mindestens zwei Gelegenheiten das gestattete Niveau der Produktion von Schwerwasser überschritten und darnach den Überschuß mit Gewinn verkauft. Etwa zu derselben Zeit fand die Vierteljahresschrift der IAEA heraus, daß die Lagerung selbiger Substanz das „sehr hohe“ Niveau von 128,2 Tonnen erreicht habe. Dabei betonten andere Berichte, das Land habe mindestens vor kurzem die Grenze der Uran-Anreicherung überschritten, doch in allen diesen Fällen hielten die westlichen Unterzeichner des Abkommens die Verstöße für zu geringfügig, um der Erwähnung zu bedürfen.

Als der Iran – nach der Wieder-Verhängung der Sanktionen durch die USA – begann, gegen das Abkommen förmlich und systematisch zu verstoßen, wurden viele von dessen Befürwortern durch das Tempo überrascht, in dem er in der Lage war, sein früheres Maß an nuklearer Tätigkeit wiederherzustellen oder sogar zu übertreffen.
Damit wurde sowohl die täuschende Art, in der das Regime das Abkommen „einhielt“, als auch das Versäumnis seiner übrigen Parteien bezeugt, einen vollständigen Bericht dessen sicher zu stellen, was der Iran vor dem Inkrafttreten des Abkommens zustande gebracht hatte.

Aufgrund dieses Versäumnisses kann niemand mit Sicherheit sagen, ob das JCPOA die gesamte fragliche Tätigkeit berücksichtigt. Tatsächlich berichteten einige Quellen, genau das Gegenteil sei der Fall: Ein Teil der geheimen Arbeit des Iran an Atomwaffen werde in geheimen Anlagen fortgesetzt, während Gestalten wie Salehi und Zarif sich um den Anschein des Einverständnisses mit der internationalen Gemeinschaft bemühten.

Sehr bald nach dem Inkrafttreten des JCPOA erwiesen sich die Besorgnisse über solch geheime Tätigkeit als berechtigt – als die IAEA bestätigte, in dem militärischen Gelände von Parchin sei nukleares Material vorhanden. Seitdem ist in mindestens zwei weiteren Anlagen ähnliches Material gefunden worden; Einzelheiten über dessen wahrscheinliche Beschaffenheit wurden vom Nationalen Widerstandsrat des Iran enthüllt – derselben Organisation, die das geheime Atomwaffenprogramm Teherans als erste aufgedeckt hatte.

Der NWRI verfügt über ein einzigartig intimes Verständnis der iranischen Verhältnisse; er hat über das JCPOA Zweifel geäußert, sobald es zustande gekommen war. Die Grundlage dieser Zweifel wurde mit Sicherheit in der Zeit, als der Iran sich nicht an das Abkommen hielt, erweitert – ob die europäischen Nationen dies nun anerkennen oder nicht. Jetzt könnte sich die Tür zu solcher Anerkennung schließen; wenn die Europäische Union es versäumt, den Iran für seine früher begangenen Verstöße zur Rechenschaft zu ziehen, wird sie nur zukünftigen weiteren Verstößen den Boden bereiten, zumal der Iran ja schon so viele Erleichterungen der von den USA verhängten Sanktionen erfahren hat.

Die Politik des Westens gegenüber dem iranischen Regimes sollte gewiß vereinheitlicht werden – damit nun, da der Iran die Verstöße gegen die Regeln eingeräumt hat, denen er vor fünf Jahren zustimmte, Besseres als der status quo erreicht wird.

 

Alejo Vidal-Quadras, Professor für Nuklearphysik, war von 1999 bis 2014 Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Er ist der Präsident des Internationalen Komitees Auf der Suche nach Gerech-tigkeit ISJ).