Während die im Iran herrschende Theokratie ihre repressiven Maßnahmen verstärkt, warnen staatliche Medien und Amtsträger vor den Reaktionen des Volkes und meinen, die Pläne des Regimes könnten nach hinten losgehen und dem ganzen Establishment schaden.
In einem Artikel vom 11. April mit der Überschrift „Die dynamische Natur der Gesellschaft des Iran“ schreibt die Zeitung Sharq [„Osten“]: „Die iranische Gesellschaft ist eine der außereuropäischen Gemeinschaften mit einer reichen Geschichte der sozialen Bewegungen.
In diese Phase ist sie früher als andere Gesellschaften eingetreten. Diese Bewegung hat sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgebildet und sie zentrierte sich um den Kampf gegen ausländischen Einfluss und gegen die heimische Tyrannei“.
„Diese dynamische Natur hat in den letzten 150 Jahren mindestens fünf Mal Machtübergänge verursacht“, so heißt es in dem Artikel und er spielt damit an auf die konstitutionelle Revolution, den Putsch Reza Khans und die Herstellung einer neuen Tyrannei, Aufstieg und Fall von Dr. Mohammad Mossadeqs nationaler Regierung und die antimonarchische Revolution, die von der herrschenden Theokratie vereinnahmt worden ist.
Natürlich unterlässt es Sharq, den Kampf des iranischen Volkes für die Freiheit und die führende Rolle der organisierten Widerstandsbewegung, der Organisation der Volksmudschahedin des Iran (PMOI/MEK), zu erwähnen, die diese Dynamik schafft und aufrecht erhält.
Jedoch warnt der Artikel den Obersten Führer Ali Khamenei davor, dass die Gesellschaft „ihre Dynamik aufrecht erhält und dass diese sich in den letzten Jahren wegen großer sozialer Bewegungen verstärkt hat. Die Autoritäten sollten sich vor den Forderungen der Gesellschaft und ihrer Macht in Acht nehmen. Sonst werden sie das gleiche Schicksal haben wie frühere gefallene Systeme“.
Unter Verweis auf die großen Aufstände im Iran in den allerletzten Jahren schreibt Sharq: „Einmal angenommen, man ignoriert den Prozess der Bewältigung einer individuellen oder sozialen Krise, dann kann man sich drei Folgen vorstellen für das Individuum oder die Gesellschaft: Leiden und Verwirrung, Frustration und Ärger, und Rebellion. Deshalb sollten die Autoritäten sich vor den Dimensionen und Folgen dieser [sozialen] Krise in Acht nehmen“.
Am 8. April hat sich die staatliche Tageszeitung Setar-e Sobh [„Morgenstern“] ihrerseits zahlreichen anderen Medienäußerungen angeschlossen und die Amtsträger vor der Verstärkung der Repression gewarnt: „Haben die ganze Vorgehensweise und die Strenge zu Beginn der Revolution sich bewährt? Warum also verstärken sie die Amtsträger zur Kontrolle der Gesellschaft?“, fragt das Blatt.
„Die Gesellschaft wird nicht zu dem Zustand von vor fünf Monaten zurückkehren“, schreibt Setar-e Sobh. Das ist sicher ein unverletzliches Prinzip, aber was passiert, wenn das herrschende System alle Reformen von sich weist, mit denen es sich an die neue Situation anpassen könnte?
Das ist die derzeitige Situation im Iran, die die mit dem Regime verbundenen Analysten und staatlichen Medien nicht deutlich benennen können. Entgegen der Rhetorik und täuschenden Behauptungen ist die selbst ernannte „Regionalmacht“ fragiler, als man es zugibt und das Regime hat nicht die Fähigkeit auch nur zur geringsten Reform.
Der große Aufstand im Iran hat die Schwäche des Regimes bloßgelegt und die Entschlossenheit des Volkes, um jeden Preis zur Freiheit zu gelangen. Die Welt weiß, dass die Situation im Iran nicht die gleiche sein wird.
Die herrschenden Kleriker haben keine andere Lösung als die Zunahme der Repression und sie wissen, dass das Volk einen Kilometer verlangen wird, wenn ihm auch nur ein Zoll Freiheit gewährt wird. Auf der anderen Seite vermehrt der vom Regime auferlegte Druck die Unruhe in der Gesellschaft und den Hass des Volkes auf ein System, das Gewalt benutzt, um seine berechtigten Forderungen zu unterdrücken.
Aber die „dynamische Gesellschaft“ des Iran sehnt sich nach Freiheit und Demokratie und lehnt jede Form von Diktatur ab. Und sie ist bereit, dafür den höchsten Preis zu zahlen. Die Weltgemeinschaft sollte den Ruf des iranischen Volkes nach Freiheit und Demokratie anhören. Die internationale Gemeinschaft sollte über Lippenbekenntnisse der Unterstützung und der Verurteilung hinausgehen und das Recht der Iraner auf Selbstbestimmung und Selbstverteidigung anerkennen.