Das Sondergericht der Vereinten Nationen für den Libanon in Den Haag, in den Niederlanden
Am vergangenen Dienstag brachte ein Sondergericht in Den Haag ein schon 15 Jahre dauerndes, mit dem Terrorismus befaßtes Verfahren zu einem vorläufigen Abschluß. Imme wieder war es durch eine Fülle von Komplikationen und Behinderungen ins Stocken geraten; viele von ihnen gehen auf das iranische Regime und sein Bemühen zurück, seine älteste terroristische Helfergruppe im Ausland, die libanesische Hisbollah, der Rechenschaft zu entziehen.
Das Urteil des Gerichts beseitigt endgültig die Zweifel daran, daß die militante libanesische Gruppe für das Selbstmordattentat verantwortlich ist, durch welches der libanesische Premierminister Rafiq al-Hariri und 21 weitere Personen getötet wurden. Ein Mitglied der Zelle, die den Anschlag ausführte, erfuhr eine förmliche Überführung. Doch die Implikationen des Falles sind weit umfassender; zu ihnen gehört der deutliche Hinweis auf die Drohung, die vom iranische Regime gemeinsam mit seinen terroristischen Verbündeten immer noch auf die ganze Welt ausgeht.
Wenn man einmal absieht von den langen Verzögerungen des Verfahrens, das schon 11 Jahre lang andauert, so kann man sagen: Sein Abschluß erfolgte in einem günstigen Moment. Es erteilte der Immunität, die gewisse gewalttätige Institutionen seit vielen Jahren genießen, ersichtlich einen leichten Schlag. Damit bereitete es der internationalen Gemeinschaft den Boden, in weiteren Verfahren der Immunität entgegenzutreten, besonders dort, wo das iranische Regime betroffen ist.
Während das Verfahren im Haag zum Abschluß kam, stehen in Brüssel andere vor ihrem Beginn. Denn dort werden ein angesehener iranischer Diplomat und zwei ihm unterstellte Agenten mit Beschuldigungen konfrontiert, die mit dem Anschlag zu tun haben, durch den eine Versammlung von Exiliranern, die im Jahre 2018 vom Nationalen Widerstandsrat des Iran organisiert worden war, gesprengt werden sollte.
Wäre dieser Anschlag gelungen, so wäre sein Todeszoll um ein Vielfaches größer gewesen als der des Bombenanschlages, durch den in Beirut Hariri getötet wurde. Im Hinblick auf den politischen Konflikt zwischen dem iranischen Regime und dem iranischen Wider-stand muß geurteilt werden, daß er der politischen Bedeutung des früheren Vorfalls gleichgekommen oder sie sogar übertroffen hätte. Denn besagter Konflikt hat schon zahlreiche angesehene Persönlichkeiten dazu gebracht, dem NWRI weltweit ihre Hilfe anzutragen, und in diesem Sinne wurde auch die Versammlung von 2018 von amerikanischen und europäischen Abgeordneten und Würdenträgern besucht.
Das vollständige Scheitern des Bombenanschlags sollte nicht zu dem Schluß führen, daß sein Leiter, Assadollah Assadi, nicht ein Beispiel dessen dargestellt hätte, wie gründlich die Welt die Ära der Immunität des Iran hinter sich gelassen hat. Das wiegt um so schwerer, als der in Wien ansässige Diplomat vorliegenden Berichten zufolge auf Befehl der höchsten Kreise des iranischen Regimes handelte, indem er seine Agenten anwies, 500 g hoch-explosiven Sprengstoffs zu der Versammlung zu bringen, die bei Paris stattfand.
Eine französische Ermittlung des Anschlags hat bestätigt, daß er vom Höchsten Führer, Ali Khamenei, und von Präsident Hassan Rouhani gebilligt worden war. Somit wird die Tatsache unterstri-chen, daß Teheran sich weiterhin des Terrorismus als eines Mittels der Staatskunst bedient – nicht anders als im Jahre 2005, in der Zeit, in der Hariri ermordet wurde, und nicht anders als in der Zeit der Mordanschläge, die sich in den 80er und 90er Jahren an verschiedenen Orten Europas ereigneten.
Die wirkungslose Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf diese Art von Vorfällen ist die Hauptursache des beträchtlichen Risikos, daß sich weitere von ihnen in naher Zukunft ereignen könnten. Das am Dienstag gegen die Hisbollah ergangene Urteil weist der juristischen und politischen Infrastruktur den richtigen Weg, doch selbst das würde sich am Ende als wirkungslos erweisen, wenn es nicht zu dem umfassenderen, stärker koordinierten Unternehmen führen würde, Rechenschaft zu fordern nicht nur für jene, die die die vom Iran gedeckten Terrorhandlungen ausführen, sondern auch für jene, die sie planen.
Fast immer gehören zu diesen Planern führende Funktionäre des Iran. Selbst wenn die wirklichen Operationen von Dritten ausgeführt werden wie im Libanon, muß gesagt werden: Schwerwiegende Maßnahmen werden nicht ausgeführt, wenn sie nicht vom Höchsten Führer autorisiert werden – der in allen politischen Angelegenheiten des Iran unbedingt maßgeblichen Autorität, nicht anders als – unter seinen fundamentalistischen Gefolgsleuten – in allen religiösen Angelegenheiten.
„Es liegt“ – so die Erklärung des NWRI zu dem Urteil vom Dienstag – „am Tage, daß die Ermordung Rafik Hariris von Khamenei selbst angeordnet und von Qassem Soleimani geplant wurde – als Teil des umfassenden Plans des religiösen Regimes, den gesamten Libanon unter seine Kontrolle zu bringen. Das Gerichtsurteil zeigt erneut: Die einzige Möglichkeit, die Krise im Libanon zu lösen, besteht darin, daß das iranische Regie aus dem Libanon ausgewiesen wird und daß man dem IRGC und seinen Söldnern wie der libanesischen Hisbollah die nach dem Libanon ausgreifenden Fangarme abschneidet.“
Allein der destruktive Einfluß Teherans reicht noch viel weiter. Zu seinen Helfern gehören die „Truppen der Mobilisation des Volkes“ im Irak, ähnliche militante Gruppen in Syrien, die Huthi-Rebellen, die den legitimen Präsidenten des Jemen im Jahre 2015 aus seinem Amt vertrieben, und viele andere. Ernsthafte Kritiker des iranischen Terrorismus treten schon seit langem dafür ein, daß die Agenten des Regimes aus allen diesen betroffenen Gebieten ausgewiesen werden. Viele fordern auch die Schließung iranischer Botschaften wie der in Wien befindlichen, die dem versuchten Anschlag auf Exiliraner und westliche Staatsangehörige als Operationsbasis diente.
Inzwischen finden gerichtliche Verfolgungen statt, die hoffen lassen, daß das iranische Regime wirklich zur Rechenschaft gezogen wird. Die einzelnen Gerichte sowie die internationale Gemeinschaft sollten diese Gelegenheit nicht aus den Augen verlieren. Jeder, den der iranische Terrorismus in Sorge versetzt, sollte dazu beitragen, daß die Öffentlichkeit diese Fälle nicht aus den Augen verliert; und er sollte mit dem Hinweis auf sie die Notwendigkeit begründen, daß weitere Ermittlungen auch die höheren Ränge des iranischen Regimes einbeziehen.