Ägyptische Tageszeitung al-Ahram
Von Nejat Abdolnaim in Paris
28. Januar 2010
(Übersetzung von Auszügen aus dem Arabischen)
Al-Ahram führte in Paris ein Interview mit Mohammad Mohaddessin, dem Vorsitzenden des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des NWRI, zur Analyse der Aufstände im Iran und zu den Konsequenzen des Atomprojekts und sie Bedrohung für die Region.
Frage: Erleben wir eine neue Revolution oder einen unvermeidlichen Staatstreich?
Antwort: Das ist kein Staatsstreich. Wir erleben eine Revolution und einen Volksaufstand für Demokratie, die von allen Unterdrückungswerkzeugen und brutaler Dominanz überwältigt wurde.
Frage: Es ist deutlich geworden, dass der Volksaufstand im Iran außer Kontrolle geraten ist, deshalb hat [der Oberste Führer der Mullahs Ali] Khamenei die Todesausschüsse wieder auferstehen lassen müssen und will nun die Menschen einschüchtern. Können Sie uns mehr darüber berichten?
Antwort: Die Todesausschüsse stammen aus dem Jahr 1988, als sie ein Massaker auf Befehl von Khomeini begleiteten. Jetzt hat sie Khamenei wieder zum Leben erweckt, um die Aufstände einzudämmen. Die Erklärungen Khameneis vor einigen Tagen enthielten die Anordnungen für den Sicherheits- und den Justizapparat zum entschlossenen und strikten Umgang mit internen Demonstranten. Der Ausschuss wurde ebenfalls beauftragt, politische Aktivisten auszuschalten. Ausschussmitglieder sagten, dass sogar das Schleudern eines Steines gegen die Staatlichen Sicherheitskräfte als eine Kriegshandlung gegen Gott (Moharebeh) gilt, die die Todesstrafe zur Folge hat. Und so baten uns Menschen aus dem Inland um Hilfe und wir sahen es als eine Notwendigkeit an, die ausländischen Medien einzuschalten. Deshalb entschlossen wir uns diese Botschaft zu veröffentlichen und durch die führende Mediengruppe al-Ahram um Hilfe für unser Volk zu bitten. Sie genießen unser hohes Ansehen, weil sie Ihre Positionen unvoreingenommen darstellen und außerordentlich unbefleckt von den Ereignissen im Iran berichten.
Frage: Wenn Sie nicht darauf vorbereitet sind, den Iran militärisch zu befreien, was erwarten Sie dann von Frankreich und anderen mächtigen Ländern?
Antwort: Wir bitten die europäischen Länder, einschließlich Frankreich, um die Beendigung ihrer wirtschaftlichen, politischen und anderen Beziehungen zum iranischen Regime … Bis zum Moment ist trotz des entschlossenen Auftretens Frankreichs gegen das Regime ein solches Niveau noch nicht erreicht, in dem die Beziehungen zur iranischen Regierung gekappt werden können.
Frage: Der Iran behauptet, dass sein Atomprogramm friedlichen Zwecken diene. Allerdings sehen einige in der Region darin eine Gefahr und einen destabilisierenden Faktor, der ihre territoriale Integrität bedrohen könnte. Wie sehen Sie es?
Antwort: 2002 prangerte der iranische Widerstand die geheimen Atomprojekte an, deren wichtigste Komponenten in den Städten Natanz und Arak zu finden waren. Die Welt wusste nichts von diesen Projekten, noch nicht einmal CIA und Mossad. Wir erhielten die Informationen von unseren eigenen Quellen im Iran. Wir, das iranische Volk, brauchen keine Atomwaffen. Aber das Regime braucht sie, um seine Hegemonie über seine Einflussbereiche zu behalten und um sich in der Region einmischen zu können. Es will auch eine Atomwaffe, um sich im Iran an der Macht halten zu können. Weil das Regime keine Popularität im Volk hat, braucht es eine Nuklearwaffe, um sich weiter einmischen zu können und gleichzeitig dem internationalen Druck widerstehen zu können. Dem Regime ist es gelungen, sich in viele arabische Länder auszubreiten und es ist bedauerlich, dass durch die Appeasement-Politik so viel Zeit verloren ging, die das Regime für die Entwicklung der Atomwaffe nutzen konnte.
Jetzt hat die Welt für den Iran zwei Optionen: Entweder einen nuklear bewaffneten Iran zu akzeptieren, der den Weg zu einem außerordentlich gefährlichen Gleichgewicht bedeutet; oder den kompletten Regimewechsel, eine Option die nun zugänglicher ist. Es ist jetzt für die arabischen und die europäischen Länder zwingend notwendig, bei der Wahl zwischen dem Regime und dem iranischen Widerstand neutral zu bleiben.
Frage: Teheran macht die USA und Israel für die Ermordung des iranischen Atomphysikers Massoud Ali Mohammad verantwortlich. Was können Sie dazu sagen?
Antwort: Das Regime macht die USA und Israel für alles verantwortlich, was es selbst hervorruft, und macht sich damit lächerlich. Wir haben allerdings detailliert Informationen aus den Reihen des iranischen Regimes, die darauf hindeuten, dass das Regime in diesem Fall einiges verdeckt hält. Die Tatsachen zeigen, dass das Regime bewusst Ereignisse produziert, um damit seine Ziele zu verfolgen. Diejenigen, die dem ermordeten Wissenschaftler Massoud Ali Mohammadi nahe standen, bestätigen, dass er mit seinen Studenten in der Universität mehrfach über seine Absicht gesprochen habe, den Iran zu verlassen und dass er mit dem herrschenden Regime und seiner Politik unzufrieden war. Vielleicht geht daraus hervor, dass das Regime in dieser Angelegenheit nicht vollkommen unbeteiligt ist.
Frage: Was denken Sie über die iranische Opposition und erkennen sie Mir Hossein Moussavi an?
Antwort: Als die Volksaufstände begannen erklärte unser Widerstand mehrfach, dass wir hinter der Position von Herrn Moussavi gegen die Prinzipien der absoluten klerikalen Herrschaft stehen und weil er sich selbst in Abstand zum Regime und Khamenei bringt, begrüßen wir ihn. [Der Führer des iranischen Widerstands] Massoud Rajavi warnte mehrfach vor seiner Verhaftung durch das Regime und beantragte, dass die UN eine Delegation entsende, die seine Sicherheit garantiere. Wir sagten, dass wir diejenigen unterstützen, die die Volkssouveränität wollen. Und so erkennen wir Herr Moussavi solange an, wie er in Opposition zu dem im Iran herrschenden velayat-e faqih (absolute klerikale Herrschaft) Regime steht.
Frage: Gibt es irgendeinen Lichtblick am Horizont hinsichtlich einer Änderung der Politik mit dem Iran?
Antwort: Das Bild ist jetzt klarer. Vor sechs Monaten dachte jeder, dass das Regime stabil und mächtig sei. Aber all das war eine Täuschung, die das Regime selbst hervorgebracht hat. Was am 27. Dezember während der Ashura Zeremonien geschah, bedeutet sehr viel. Es zeigt, dass das iranische Volk sich völlig gegen das Regime wendet. Dies ist eine Tatsache, die ihren Kopf durch die Rufe „Tod dem Khameinei“ und nieder mit dem Regime erhebt. Alle gesellschaftlichen Bereiche, die sich gegen das Regime gebildet haben, nehmen jetzt an den Protesten teil.