Thursday, March 28, 2024
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Iran: Hoffen auf die friedliche Revolution

Hoffen auf die friedliche RevolutionVon Stefan Simons, Paris

SPIEGEL ONLINE – Ein Jahr nach dem Amtsantritt von Irans Präsident Achmadinedschad haben Exil-Iraner aus ganz Europa bei einem Treffen in Paris den demokratischen Wechsel in ihrer Heimat gefordert. Sie protestieren gegen Teherans Atomkurs und warnen den Westen vor Beschwichtigungspolitik.

Wo sonst Luftfahrt-begeisterte Besucher ausgediente Jets, alte Raketen und historische Propellermaschinen bestaunen, sind Fahnen, Luftballons und Transparente zu sehen. Musik dröhnt, Konfetti-Kanonen verbreiten die Stimmung eines US-Parteitags. Auf dem ehemaligen Flugfeld von Le Bourget, vor den Toren von Paris, haben sich am Samstag bis zu 30.000 Iraner versammelt.

Während sich die Regierung in Teheran auf den Jahrestag der Amtsübernahme von Hardliner Mahmud Achmadinedschad vorbereitet, protestierten die in Paris versammelten Exilanten mit Nachdruck gegen die atomaren Aufrüstungspläne des Mullah-Regimes. Bei ihrem bislang größten Treffen setzten sich die aus ganz Europa angereisten Regime-Gegner zugleich für eine demokratische Wende in ihrer Heimat ein.

Von ihren Anhängern auf einer futuristischen Bühne mit Fahnenschwenken und Ovationen gefeiert, forderte die gewählte Präsidentin des "Nationalen Widerstandsrates des Iran", Miriam Radschawi, "den Umsturz der religiösen Diktatur." Im Beisein von Parlamentariern aus Europa, den USA, Kanada und Australien – darunter die frühere französische Ministerpräsidentin Edith Cresson-, bekannte sie sich dabei zu einem Regime-Wechsel ohne gewaltsamen Umsturz, kriegerische Intervention und ohne Einmischung von außen. "Der Frühling der Freiheit wird bei uns einziehen", so Radschawi, "aber nur durch uns allein."

Volksfest, Familientreffen und politische Kundgebung: Die Veranstaltung der Opposition zeigt, dass sich die ehemaligen Guerillas um die "Volksmudschaheddin" von der radikalen Randgruppe zur Vertretung im politischen Mainstream entwickelt haben: Für Menschenrechte, gegen Todesstrafe, gegen sexuelle Unterdrückung, für die Gleichstellung von Mann und Frau. "Im Iran von Morgen", so Radschawi, "wird es keine religiösen Sonderrechte geben."

"Sie ist unsere Hoffnung für die Zukunft", meint Omad Zimabat, der mit mehreren Dutzend Landsleuten aus dem Sauerland nach Paris gekommen ist. Der Busfahrer, 50, aus Plettenberg bei Lüdenscheid, wurde in Deutschland als Asylbewerber abgelehnt – in seine Heimat kann er dennoch nicht zurück. "Wenn das Regime erst einmal abgelöst ist", meint der untersetze Mann, der von 30 Euro wöchentlich überleben muss, "dann will ich in meine Heimat zurück. Dafür brauchen wir den Widerstand."

Deren Führer sehen die Chancen für einen Regimewechsel steigen: In Iran beobachtet die Opposition "wachsende Unzufriedenheit" gegen die "Tyrannei der Mullahs". Seit des Amtsantritts von Achmadinedschad habe es in Iran etwa 4000 Aufstände, Demonstrationen und Kundgebungen gegeben; auf den Protest von Studenten, Taxifahrer, Basar-Händler in allen Landesteilen, reagiere das Regime mit unbarmherziger Härte und Brutalität. "Diese Bewegungen senden eine einzige Botschaft", so Radschawi in einem Beitrag für den Pariser "Figaro": "Die Iraner wollen den Wechsel und sind bereit dafür den Preis zu zahlen."

Warnung vor westlicher Beschwichtigungspolitik

Zugleich appellierte die Führerin des Oppositionsbündnisses an die internationale Gemeinschaft, angesichts des wachsenden atomaren Drohpotentials in Iran Forderungen der ultra-konservativen Hardliner in Teheran nicht nachzugeben. Mit Sorge sehen Vertreter des Widerstandsrats, dass Regierungen im Westen einen "Kurs der Beschwichtigungspolitik" gegenüber Teheran einschlagen. "Verkaufen sie nicht die Rechte und Freiheiten des iranischen Volkes", mahnte Radschawi an die Adresse des Westens, "die einzige Lösung der Atomkrise ist die Unterstützung des demokratischen Wandels."

Die Folgen von Konzessionen wären verhängnisvoll, so Vertreter der in Paris beheimateten Opposition, die dank ihrer Kontakte zu Regimegegner im Inland, die heimliche Atomrüstung des Iran zuerst aufgedeckt und publik gemacht hatte. "Es geht darum", betonte auch Radschawi, "ob eine religiöse Diktatur, die das eigene Volk unterdrückt und ein Fundamentalisten-Regime errichten will, sich die Atombombe zulegen darf."

Richtig ist: Trotz wiederholter EU-Angebote an den Iran im Gegenzug für einen Verzicht auf atomare Anreicherung umfangreiche Unterstützung für die zivile Nutzung der Kernkraft zu erhalten, hat das Mullah-Regime bisher auf seinen Atom-Plänen bestanden. Die verschiedenen Signale aus Teheran – mal vorgebracht mit martialischem Säbelrasseln, mal ausgedrückt in diplomatischem Entgegenkommen -, so argwöhnt der Widerstandsrat, dienten einzig dazu den internationalen Widerstand gegen die Atomrüstung zu spalten.

Zuletzt hatte Iran durch geschicktes Taktieren vermocht, der Organisation der Islamischen Konferenz eine Solidaritätsadresse abzuringen. Der Zusammenschluss von 57 Staaten, in denen der Islam Staatsreligion, Religion der Bevölkerungsmehrheit oder Religion einer großen Minderheit ist, erklärte nach seiner jüngsten Tagung in Baku, der Iran "habe das unleugbare Recht seine Forschung, Produktion und Anwendung der Nuklearenergie zu friedlichen Mitteln zu entwickeln."

Selbst die Nachbarn des Iran jenseits des Persischen Golfes, die bislang die atomaren Ambitionen der Mullahs mit Argwohn verfolgt hatten, schlossen sich der Resolution an; an den Westen erging die zudem Aufforderung die Verhandlungen zwischen Teheran und der Internationalen Atomenergieorganisation IAEA in Wien "ohne Vorbedingungen" wieder aufzunehmen.

Wichtiger noch: Iran hat es mit Unterstützung Chinas und Russlands erreicht, dass seine Atomrüstung – und die Androhung von Sanktionen – bislang noch nicht im Uno-Sicherheitsrat zur Sprache kam; für den Fall eines Verzichts auf Atom-Anreicherung hat Teheran dem Westen sogar noch weiter reichende Zugeständnisse entlockt als vor einem Jahr. Und selbst die USA sind jetzt bereit sich mit den Mullahs an den Verhandlungstisch zu setzen.

Teheran setzt auf den Faktor Zeit. Das jüngste "Paket" des Westens werde "mit allergrößter Ernsthaftigkeit" studiert, verlautbarte Iran, gewisse Aspekte des Vorschlags seien durchaus "positiv". Eine endgültige Antwort sei Mitte August zu erwarten.

Alles Hinhaltetaktik, warnen die Vertreter des Nationalen Widerstandsrates in Paris; die Mullahs spielten mit dem Westen Katz und Maus. "Jeder Tag mit Verhandlungen", meint Führerin Radschawi kategorisch, "bringt die Mullahs der Atombombe näher und die Welt einem Krieg."