Thursday, March 28, 2024
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Iran: Wie sollte die EU Hassan Rouhani empfangen?

Verbesserung der Menschenrechtslage bei politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit dem iranischen Regime unabdingbar 

Von Martin Patzelt*

Das iranische Regime beginnt nach dem Ende der internationalen Sanktionen und seiner Isolation als mutmaßliche Atommacht damit,

nun auch in Europa erste Besuche abzustatten. Mullahpräsident Hassan Rohani wird Ende Januar nach Rom und Paris reisen und dort Vertreter aus Wirtschaft und Politik treffen. 

Vor allem die Reise nach Paris nach zwei schweren Terroranschlägen durch islamistische Fundamentalisten wirft einige Fragen auf, denn Teheran gilt als der Hauptsponsor Nummer 1 in Sachen islamistischer Fundamentalismus und Terrorismus. Auch wenn die Terroranschläge von Paris ein Werk der Terrorgruppe ISIS zu sein scheinen, so unterstützt das iranische Regime massiv Terrorgruppen vom Irak bis hin in den Jemen. 

Hassan Rohani repräsentiert einen Staat, der in dem Verdacht steht, an dem Terroranschlag auf das jüdische AMIA-Gemeindezentrum in Buenos Aires 1993 beteiligt gewesen zu sein. Bei dem Anschlag wurden 85 Menschen getötet und 300 verletzt. Die Dimensionen dieses Verbrechens kommen den Opferzahlen der Anschläge vom 11. November in Paris nahe. Zahlreiche hochrangige Vertreter des Regimes und ein jetzt amtierender Minister des Kabinetts Rohani stehen wegen dieses Anschlags auf den Fahndungslisten von Interpol. 

Doch viel wichtiger als die Frage der Person Rohani selbst sind die neuesten Taten des iranischen Regimes. Unter Hassan Rohani ließ das Regime über 2000 Menschen hinrichten. Folterungen, willkürliche Verhaftungen, degradierende Strafen und Frauenfeindlichkeit in Gesetz und Praxis sind im Iran tägliche Begleitung des Lebens der Bürger. 

Mit Abscheu schauen die Bürger Kölns auf die Übergriffe auf Frauen am Silvesterabend, doch im Iran sind diese Übergriffe eine Selbstverständlichkeit. So werden jedes Jahr 30.000 minderjährige Kinder zwangsverheiratet. Reyhaneh Jabbari wurde hingerichtet, weil sie sich gegen eine Vergewaltigung wehrte. Dutzende Frauen wurden in Isfahan durch Säureangriffe von Banden des Regimes für immer entstellt, weil sie sich über die Kleidungsvorschriften hinwegsetzten. 

Der iranische Präsident nimmt für sich in Anspruch, ein gewählter Vertreter des iranischen Volkes zu sein. Wenn das so ist, müssen wir in den wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit dem iranischen Regime zuallererst auf das Wohl seines Volkes schauen. Daher ist es unsere Pflicht, unsere Beziehungen mit dem iranischen Regime von der Menschenrechtslage im Iran her zu entwickeln. Es geht nicht zuerst um Joint Ventures bei Hotelketten oder den Bau eines Gasspeichers, sondern um 75 Millionen Iraner, die ein menschenwürdiges Leben verdient haben, ein Leben, wie es unsere Studenten, unsere Frauen, unsere politischen Gegner, Journalisten und Gläubige führen können. Dies muss unser oberstes Ziel bleiben. 

Wir müssen uns auch fragen, mit welchen Absichten und welcher Legitimation Rohani kommt. Wer im Land jegliche politische und religiöse Opposition unterdrückt, den Menschen, die ihrem Gewissen folgen und dem Regime Widerstand bieten, jegliches Recht entzieht und seine Willkür-Justiz agieren lässt, der kann schwerlich unser Ansprechpartner sein. Er kann es allenfalls werden, wenn er sein Verhalten grundlegend ändert. Sich auf leere Worthülsen zu verlassen, ist sinnlos. Hassan Rohani hat in seiner gesamten Amtszeit nichts von dem verwirklicht, was er von Anfang versprochen hat.

Man wird das Regime besser einschätzen lernen, wenn man darauf sieht, wie es mit seiner Opposition im Exil umgeht. Der Verfassungsschutz weist seit vielen Jahren in seinen jährlichen Berichten darauf hin, dass der iranische Geheimdienst (MOIS/VEVAK) über die iranische Botschaft in Berlin Agenten nach Deutschland schleust, welche die Exiliraner ausspitzeln und diffamieren sollen. Auch wir deutschen Unterstützer des iranischen Widerstandes sind Zielscheibe dieser Agenten, werden auf Internetseiten dieser Agenten bloßgestellt und diffamiert, mit haltlosen Anschuldigungen belegt und mit Drohbriefen von ihnen belästigt. Die Regierungen in Europa sollten sich auch dieser Tatsache bewusst sein, wenn sie Rohani empfangen. 

Den besten Beleg für den Umgang des Regimes mit Andersdenkenden findet man in Camp Liberty (Irak). Dort sitzen noch immer über 2000 Anhänger der Volksmodjahedin Iran (PMOI), einer iranischen Oppositionsgruppe, die sich für Demokratie, Gleichberechtigung der Geschlechter und Trennung von Kirche und Staat einsetzt, praktisch gefangen. Sie erlitten auf Geheiß des Mullahregimes von Milizen, die von Teheran finanziert werden, im Oktober 2015 das sechste Massaker auf ihr Camp. In einem Raketenhagel wurden 24 schutzlose Bewohnerinnen und Bewohner von Camp Liberty getötet und Dutzende verletzt. 

Auch diese Punkte gehören auf die Tagesordnung bei den Gesprächen mit Rohani, denn die iranischen Dissidenten im Irak gelten laut UNHCR als geschützte Personen nach der Vierten Genfer Konvention. Sie vor Anschlägen des Regimes zu schützen, muss schon aus humanitären Gründen eines der Hauptziele in den Beziehungen mit dem iranischen Regime sein und kurzfristige wirtschaftliche Interessen müssen vor der Umsetzung all der Menschenrechte hintenanstehen. 

* Martin Patzelt (CDU), langjähriger Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), ist Mitglied im Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Er ist Vorstandsmitglied im Deutschen Solidaritätskomitee für einen freien Iran (DSFI).