Thursday, March 28, 2024
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Irans neues Versteckspiel mit der Bombe

Die Welt

08.10.2014

Der Westen hofft auf eine Einigung im Atomstreit. Gerade wird in Teheran über die Offenlegung militärischer Aktivitäten verhandelt. Da legt eine Widerstandsgruppe Hinweise auf neue Vertuschungen vor.

 

 Eine Satellitenaufnahme der Militäranlage im iranischen Parchin, östlich von Teheran. Die IAEA vermutet, dass hier Atomwaffentests vorbereitet wurden, und will das Gelände kontrollieren. Teheran verweigert das 

Seit dem Amtsantritt des als moderat geltenden iranischen Präsidenten Hassan Ruhani 2012 hofft die internationale Gemeinschaft auf eine Einigung im Atomstreit. Der neue Präsident begann eine neue Runde von Verhandlungen, in denen er den Westen vom ausschließlich friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms überzeugen und eine Lockerung der internationalen Sanktionen gegen sein Land erreichen will. Dafür verlangen die Staaten, die im Namen der Vereinten Nationen verhandeln – die fünf Vetomächte im Sicherheitsrat und Deutschland – weitreichende Einblicke in Teherans Militär- und Nuklearaktivitäten. Am Montagabend sind Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Teheran eingetroffen, um über Kontrollen iranischer Militäranlagen zu verhandeln. Doch das Regime scheint zentrale Teile seines militärischen Nuklearprogramms vor neugierigen Besuchern in Sicherheit gebracht zu haben. Das jedenfalls legt ein Bericht der iranischen Widerstandsgruppe Volksmudschahedin nahe, der der “Welt” vorliegt.

Die Oppositionsgruppe, von der im Jahr 2002 die ersten Belege für das damals geheime iranische Atomprogramm stammten, hat nach eigenen Angaben durch Informanten im iranischen System erfahren, dass wichtige Einrichtungen der iranischen Organisation für Innovation und Forschung im Verteidigungsbereich (SPND) in den letzten Monaten heimlich in andere Räumlichkeiten verlegt wurden. Die SPND, die dem iranischen Verteidigungsministerium untersteht, gilt als zentrale Steuerungsstelle für den militärischen Teil des Nuklearprogramms. Aus ihrem Umkreis stammte auch ein Laptop, den der US-Geheimdienst CIA 2011 erbeutete und der Dateien enthielt, die auf die Entwicklung von Atomsprengköpfen hindeuteten.

Diese Dokumente waren eine der wichtigsten Grundlagen für die Einschätzung der IAEA, dass der Iran nicht nur zu friedlichen Zwecken Nuklearforschung betreibt. Deshalb stehen die Waffenentwickler der SPND im Zentrum des Interesses der Inspektoren, die nun in Teheran eingetroffen sind. Wenn die Informationen der Volksmudschahedin stimmen, dann hat das Regime nicht nur die Büros der Bombenmanager verlegt, sondern auch Tarneinrichtungen hinterlassen, die Besucher beruhigen sollen. So seien jene Teile der Organisation, die sich mit der militärischen Nutzung der Kernenergie beschäftigen, an einen neuen geheimen Standort in einer Seitenstraße der Teheraner Innenstadt verlegt worden und würden streng bewacht. An der bisherigen Adresse der SPND seien weiterhin unverfängliche Abteilungen vorhanden, etwa jene für Atomphysik und die Begabtenförderung für Studenten.

 Er ist der Mann, der einem iranischen Robert Oppenheimer am nächsten kommt

 Die “New York Times”

über den iranischen Atommanager Mohsen Fahrizadeh

Der vielleicht wichtigste Teil der Organisation, der jetzt offenbar verlegt wurde, ist das Büro des Mannes, den internationale Atomdetektive seit 2004 unbedingt sprechen wollen: Mohsen Fakhrizadeh. Der Offizier der Revolutionsgarden, das sind die paramilitärischen Eliteeinheiten des Klerikerregimes, leitet die SPND. Sein Büro sei jetzt jedoch in einen Komplex des iranischen Elektronikkonzern IEI verlegt worden, behaupten die Volksmudschahedin. Der Chef besuche die neue Adresse seiner Kernwaffenforscher weiterhin, aber nur unter größter Geheimhaltung. Dass die Kontrolleure, die jetzt in Teheran verhandeln, ihn an einem der drei Standorte antreffen, ist höchst unwahrscheinlich. Auch wenn diese Forderung wohl im Zentrum der Gespräche stehen wird.

Seit Jahren fordern die Vereinten Nationen und ihre Atombehörde den Iran immer wieder auf, ein Gespräch mit Fakhrizadeh zu ermöglichen, doch Teheran stellt sich stets stur. Nachdem er jahrelang untergetaucht war, baute Fakhrizadeh nach Angaben der IAEA ab 2011 sein neues Kompetenzzentrum für militärische Nuklearforschung an wechselnden Orten in Teheran auf. Er soll nach Angaben der Volksmudschahedin auch unter dem Tarnnamen Hassan Mohseni an Sitzungen des Zentrums für Innovation und Technologische Kooperation teilgenommen haben, das direkt dem Präsidenten untersteht – und zwar auch noch nach Amtsantritt des angeblich gemäßigten Hassan Ruhani.

 

Foto: National Council of Resistance of Iran Nach Angaben des “Wall Street Journal” zeigt dieses Fotografie Mohsen Fakhrizadeh, Offizier der Revolutionsgarden und Leiter des militärischen Atomprogramms des Iran 

Fakhrizadeh ist eine schillernde Figur: Die “New York Times” nennt ihn unter Anspielung des deutschstämmigen Vaters der amerikanischen Bombe “den Mann, der einem iranischen Robert Oppenheimer am nächsten kommt”. Außer seinem Offiziersrang bei den Revolutionsgarden ist wenig über Fakhrizadeh bekannt, obwohl er bisweilen sogar im Fernsehen auftritt und gerade von Revolutionsführer Ali Khamenei geehrt worden sein soll. Vermutet wird, dass Fakhrizadeh ausgebildeter Ingenieur ist. Doch auch als Unternehmer hat er die iranische Bombe offenbar zu seinem ganz persönlichen Geschäft gemacht. Nach Angaben der Volksmudschahedin gehören ihm verschiedene Unternehmen, die Computer und Überwachungstechnik für Atomanlagen liefern. Fakhrizadehs Söhne Mohammed Mahdi und Hamid fungierten als Topmanager.

Will Teheran Zeit kaufen für die Bombe?

Teheran habe seine Aktivitäten zur Vertuschung seiner militärischen Kernforschung ausgerechnet 2013 begonnen, behaupten die Volksmudschahedin, in jenem Jahr, in dem auch Ruhanis Verhandlungsinitiative startete. “Die neuen Informationen zeigen deutlich, dass das Regime die verdeckte militärische Seite seines Atomprogramms ungebremst vorantreibt”, sagt der Sprecher der Volksmudschahedin, Shahin Gobadi. “Teheran nutzt die derzeitige Krise im Nahen Osten und versucht, eine Verlängerung der Frist für ein umfassendes Abkommen über sein Atomprogramm zu erreichen. Teheran will Zeit kaufen und Zugeständnisse erlangen.”

Zu Beginn der Verhandlungen hatte der Kernwaffenexperte Olli Heinonen geschätzt, das der Iran noch etwa sechs Monate von dem Punkt entfernt sei, an dem ihm der Bau einer Atombombe technologisch möglich sei. Während der Verhandlungen hat das Regime die Urananreicherung ausgesetzt, mit der sowohl Brennstoff für Kernreaktoren als auch Sprengmaterial für Bomben erzeugt werden kann. Die IAEA ist einigermaßen sicher, dass Teheran hier Wort hält. Die militärischen Forschungen aber kann niemand überwachen, und es scheint, als wolle Teheran das auch nicht ändern.