Friday, March 29, 2024
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Mehr als 300 in den USA lebende Iraner fordern in einem Brief zur Unterstützung des iranischen Volkes auf und lehnen Erleichterungen für das Regime ab

Am vergangenen Mittwoch wurde an Joe Biden, den Präsidenten der Vereinigten Staaten, ein Brief abgesandt, der die Unterschriften von mehr als 300 in Amerika lebenden Iranern trägt – Akademikern, in verschiedenen Berufen Tätigen und Geschäftsleuten. In dem Brief wird die Entscheidung des Weißen Hauses begrüßt, Erleichterungen der über das iranische Regime verhängten Sanktionen davon abhängig zu machen, daß es ohne Einschränkung zu der Befolgung des Nuklearabkommens von 2015 zurückkehrt; doch der Brief fordert die Regierung außerdem auf, ihre Politik dem Iran gegenüber an einer umfassenderen Liste von Prioritäten auszurichten.

Die Unterzeichner bemerken, Bidens Haltung zu den Nuklear-Verhand-lungen wecke Hoffnung in ihnen; doch sie warnen ihn zugleich vor der Wiederholung von Fehlern, die nach ihrer Auffassung in der gesamten vierzigjährigen Geschichte des iranischen Regimes von politischen Kreisen des Westens immer wieder begangen wurden. Zahlreiche Politiker hätten sich, so der Brief, in Bezug auf die politischen Fraktionen des iranischen Regimes auf eine „Fabel“ verstanden; sie seien dadurch zu unverdienten Konzessionen verleitet worden – in der Hoffnung, die „gemäßigten“ Funktionäre zu ermutigen, die ernsthafte Reformen des theokratischen Systems in die Hand nehmen könnten.

Dies Phänomen wurde 2013, während der Wahl Hassan Rouhanis zum Präsidenten des Regimes, besonders deutlich.

Damals bekundeten einige westliche Politiker große Hoffnung auf Rouhanis Reformprogramm; das trug, wie es scheint, dazu bei, daß Amerika und Europa zu den Nuklearverhandlungen motiviert wurden, die im Jahre 2015 den „Gemeinsamen Plan umfassenden Handelns“ ergaben. Doch die Erwartungen einer umfassenderen Reform wurden durch die Nachrichten, daß der Dissens innerhalb des Iran unterdrückt wurde, sowie durch die sich in der Außenpolitik des Regimes immer wieder zeigende Aggressivität, welche sich auch gegen sämtliche traditionellen Verbündeten der arabischen Welt und des Westens richtete, rasch gemindert.

Nach Auffassung derer, die den Brief vom vergangenen Mittwoch unterzeichnet haben, beweist dies bösartige Verhalten nicht nur, daß die westliche Unterstützung der „Gemäßigten“ des Iran unbe-gründet ist; es ist außerdem eine direkte Folge dieser Unter-stützung. Die Beschwichtigungspolitik hat, so heißt es in dem Brief, „dazu geführt, daß Chancen verspielt wurden. Sie hat zu verheerenden Folgen geführt – den furchtbaren Leiden des iranischen Volkes und der gesamten Region.“ Dies Leiden ist den genaueren Beobachtern dessen, was im Iran vor sich geht, in den zurückliegenden Jahren besonders deutlich geworden, als engagierte Iraner, die das theokratische System herausforderten, überall im Lande immer stärkere Rückschläge hinnehmen mußten. In den letzten Tagen des Jahres 2017 wurde eine Demonstration in der Stadt Mashhad zu dem Funken, durch den sich im ganzen Lande ein Aufstand entzündete, der bis auf den heutigen Tag nachwirkt. Obwohl sich die Demonstration, die ihn auslöste, auf die zunehmenden wirt-schaftlichen Probleme konzentrierte, wurde seine Ausbreitung auf die benachbarten Regionen von der Entwicklung einer Botschaft begleitet, die sich noch allgemeiner gegen die Regierung richtete.

Nach den Berichten skandierten Mitte Januar 2018 in mehr als 100 Ortschaften Demonstranten Slogans wie diesen: „Tod dem Diktator!“ Dabei ist es vielleicht noch bezeichnender, daß der Aufstand sich ebenso gegen das westliche Narrativ von den „Hardlinern“ und den „Reformern“ richtete, indem sie beide Seiten mit denselben Slogans zurückwies und erklärte: „Das Spiel ist aus.“ Erneut begegneten dieselben Slogans – und nun in nationalem Ausmaß – im November 2019; der Brief vom vergangenen Mittwoch bezeichnete diese und andere Demonstrationen eindeutig als „laute und deutliche“ Bekundung des öffentlichen Verlangens nach einem Wandel des Regimes.

Vermutlich stimmen auch die Behörden des Regimes dieser Annahme zu; dafür spricht die zunehmende Härte der repressiven Reaktion. Während der erste Aufstand im Verlauf eines Monates zu einigen Dutzenden Todesfällen führte, wurde der Aufstand von November 2019 in wenigen Tagen dadurch niedergeschlagen, daß das Corps der Islamischen Revolutionsgarden auf die Menge der Demonstranten das Feuer eröffnete und dabei annähernd 1500 Menschen ermordete. Während dieser Zeit wurden weitere 12 000 engagierte Personen verhaftet. Amnesty International berichtete später, viele von ihnen seien wochenlang gefoltert worden.

Demonstrationen im Iran: Der Aufstand von November 2019 im gesamten Iran

Ohne Zweifel wurde der Brief vom vergangen Mittwoch wesentlich durch ein Verlangen nach westlicher Intervention motiviert – mit dem Ziel, die Fortsetzung der Repression zu verhindern. Doch zugleich betonten die Unterzeichner die Art und Weise, auf die solches Handeln zugleich im Interesse der nationalen Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten liegen würde.

Es heißt in dem Brief: „Um die Rebellion des Volkes zu unterdrücken, verbindet das Regime die Einschüchterung im Lande mit Terror im Ausland.“ Und der Brief fährt fort: „Während der zurückliegenden Jahre hat das religiöse Regime sowohl in Europa als auch in den USA seine Terror-Tätigkeit erweitert.“ Das zeigte sich allem Anschein nach im Februar, als ein belgisches Gericht vier Personen verurteilte, die an dem Anschlag beteiligt waren, während einer Versammlung engagierter Exil-Iraner und ihrer politischen Freunde im Westen vor den Toren von Paris Sprengkörper zur Zündung zu bringen.

In diesem Fall machte die Anklage vollkommen deutlich, daß die Operation, die von einem in der iranischen Botschaft in Wien tätigen hochrangigen Diplomaten geleitet wurde, von Mitgliedern der Leitung des Regimes angeordnet worden war. Die versuchte Bombardierung der Versammlung FREIER IRAN war jedoch nur einer von mehreren Vorfällen, die allein im Jahr 2018 enthüllt wurden; es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß sie sowie mindestens ein weiterer Anschlag sich gegen engagierte Mitglieder der „Organisation der Volksmojahedin des Iran (PMOI/MEK)“ richtete – eine Gruppe, der der Höchste Führer des iranischen Regimes, Ali Khamenei, die Planung und Förderung des Aufstands, der am Beginn jenen Jahres stattgefunden hatte, zuschrieb.

Diese organisierte Unterstützung der Protest-Bewegung könnte erklären, warum sie sich von ihrer anfänglichen Niederschlagung erholte und in fast doppelt so vielen Orten im November 2019 wieder auferstand. Sie könnte ebenso erklären, warum sie sich auch von der härteren Niederschlagung dieses Aufstands erholte und im Januar 2020 erneut aufflammte – nachdem die Behörden versucht hatten, ihren Raketenanschlag auf ein Handelsflugzeug in der Nähe von Teheran zu vertuschen.

In ihren neueren Erklärungen und Versammlungen erklärten die MEK und der Nationale Widerstandsrat des Iran, es kündigten sich am Horizont weitere Aufstände an – wie bewiesen durch Demonstrationen der zunehmend verarmten Rentner im ganzen Lande, außerdem durch Zusammenstöße zwischen Bürgern und Behörden in Gegenden wie der Provinz Sistan und Belutschistan und zunehmende Aufforderungen zu einem Boycott der bevorstehenden Präsidentenwahl, deren Ergebnis in hohem Maße vorweg entschieden ist.

Am Donnerstag erklärte Frau Maryam Rajavi, die gewählte Präsidentin des NWRI, vor deutschen Politikern und engagierten Exil-Iranern: „Im ganzen Iran erhebt sich die Flamme des Wider-stands.“ Sie forderte die westlichen Politiker auf beiden Seiten des Atlantik auf, zu erwägen, auf welche Seite sie sich stellen wollen, wenn es zwischen dem Volk und dem religiösen Regime zu einem weiteren Zusammenstoß kommt. Der am vergangenen Mittwoch an Präsident Biden geschriebene Brief präsentiert, wie es scheint, eine sehr ähnliche Forderung: Er bezog sich an seinem Schluß auf „eine historische Gelegenheit, das Volk des Iran zu unterstützen“. Im Sinne der Möglichkeit, sich diese Gelegenheit zu Nutze zu machen, erklärten die in Amerika lebenden Iraner: „Wir bitten Ihre Regierung mit Respekt, eine entschiedene Politik zu entwickeln und umzusetzen – einen Handlungsplan, der vorsieht, daß Sie sich auf die Seite des iranischen Volkes und seines legitimen Verlangens nach einem freien, säkularen und demokratischen Iran stellen.“

In den Begriffen der Praxis heißt das, daß weiterhin von der Erleichterung der Sanktionen abgesehen würde. „Es sollten,“ so heißt es in dem Brief, „dem iranischen Regime keine Erleichterung der Sanktionen und keine Konzessionen gewährt werden, bis es im Iran seine Menschenrechtsverletzungen, im Ausland seinen Terrorismus und in der Region seine destruktive Unterstützung der Helfershelfer nachweisbar aufgibt.“

Natürlich bedeutet das einen großen Auftrag für ein Regime, das bisher darauf beharrte, daß es zu den Begriffen des JCPOA nicht zurückkehren werde, bis die USA alle Sanktionen, die sie verhängt bzw. seit 2018 wiederverhängt hätten, sofort und bedingungslos aufhöben.