Saturday, July 27, 2024
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Interview mit dem früheren UN Beamten über Camp Liberty und Camp Ashraf

Tahar BoumedraIran News Update hat ein exklusives Interview mit dem früheren Berater des UN Sonderbeauftragten des Generalsekretärs, Tahar Boumedra, geführt. Das Interview mit Boumedra ist eine Antwort auf die Rede des UN Sonderbeauftragten für den Irak, Martin Kobler, vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 16. Juli 2013. Boumedra hat eine Reihe von Punkten mit Iran News Update angesprochen.

Er geht genauer auf einzelne Situationen ein, mit denen er es in seiner Zeit im Irak zu tun hatte, und außerdem auf einzelne Gespräche, die er mit dem damaligen Kollegen Martin Kobler geführt hat.

Frage: Martin Kobler hat in seinen Ausführungen vor dem Sicherheitsrat die Leitung der Bewohner in Camp Liberty und nicht die irakische Regierung für alle Probleme im Lager getadelt, nämlich die mangelnde Bewegungsfreiheit, der fehlende Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Internet oder zu anderen Kommunikations-möglichkeiten. Können Sie uns das näher beleuchten? Welche Macht hat die Leitung des Lagers? Wer ist das? Haben Sie sich mit ihr getroffen? Warum wird diese Leitung der Bewohner so sehr in dem Mittelpunkt gerückt? Warum unterstellt der Sonderbeauftragte solche Dinge?

Tahar Boumedra: Ich habe immer wieder warnend darauf hingewiesen, dass es um einen zynischen Plan geht, der von der United Nations Assistance Mission for Iraq mit dem Büro der Premierministers unter dem Druck der iranischen Botschaft in Bagdad ausgeheckt wurde. Dieser Plan, vor dem ich seit dem vergangenen Jahr gewarnt habe, ging dahin, Camp Ashraf zu schließen und die Bewohner aus dem Irak zu vertreiben. Es herrschte damals die Hoffnung, dass die Schließung des Lagers ein Klima schaffen würde, das bei den Bewohnern ein Aufbegehren gegen ihre Vertreter und eine Distanzierung von ihrer Leitung begünstigen würde. In dem Stadium gab es die Hoffnung, dass es leicht sein würde, die Bewohner davon zu überzeugen, dass eine dauerhafte Lösung darin bestehen würde, in den Iran zurückzukehren. Deshalb sah der Plan zwei Aufenthaltsorte für den Übergang vor (TTL). Einen für die Unterbringung für „Lossager“, die in den Iran zurückzukehren wünschten, nämlich Hotel Al-Yamama. Den anderen, Camp Liberty, als Internierungslager – so war es gedacht, obwohl in der offiziellen Vereinbarung (Memorandum of Understanding) auch davon als von einem TTL die Rede ist – für diejenigen, die nicht in den Iran zurück wollten und für die Leitung des Lagers. Liberty ist als Ort gedacht, wo diejenigen, die sich nicht lossagen wollen, solange bleiben sollten, wie es brauchen würde, sie von ihrem Entschluss abzubringen. Dies ist der Grund dafür, dass das Büro des Premierministers sich weigert, den Bewohnern zu erlauben, irgendetwas zu unternehmen, das die Lebensqualität in Liberty verbessern könnte. Unterdessen wurde das UNHCR herbeigerufen, um das Verfahren zur Anerkennung des Flüchtlingsstatus (RSD) für die Bewohner von Camp Liberty in Gang zu bringen. Hier bestand die Hoffnung darin, dass das Ergebnis dieses RSD Verfahrens die Liberty Bewohner in zwei Kategorien unterteilen würde, die einen mit der Berechtigung für den Flüchtlingsstatus, würden die Anerkennung erhalten und einigen Schutz genießen, den anderen ohne Berechtigung, hauptsächlich der Leitung, würde der Status nicht zuerkannt. So war der Plan, und das ist zum Teil der Grund dafür, dass der Sonderbeauftragte in seinem Bericht vor dem Sicherheitsrat gegen die Vertreter der Bewohner und die Leitung diese Vorwürfe erhebt. Er bereitet den Boden für die irakische Regierung, Maßnahmen zu ergreifen, und für das UNHCR, der Leitung den Flüchtlingsstatus nicht zuzuerkennen. Wenn diese Trennung einmal vollzogen ist, ist es den irakischen Agenten ein Leichtes, hineinzugehen und diejenigen festzunehmen, die die Kriterien für Flüchtlinge dann erklärtermaßen nicht erfüllen. Wenn es so kommt, würde letzten Endes das RSD Verfahren des UNHCR sich in eine Lizenz für die irakische Polizei und Armee verwandeln, diejenigen zu verhaften, die ausgeschlossen wurden. Da sie vom iranischen Regime steckbrieflich gesucht werden, werden sie am Ende in den Iran verbracht, wo sie die Todesstrafe zu erwarten haben.

Dieser Plan ist vor zwei Jahren im Oktober 2011 entstanden. Ich habe davor gewarnt, ich habe die UNAMI gewarnt und ich habe die UNO gewarnt. Ich habe auch vor Angriffen auf Camp Liberty gewarnt und es wurde nichts zum Schutz unternommen. In diesem Jahr wurde Camp Liberty dreimal angegriffen, die UNAMI und die irakische Regierung hätten den Verlust von Menschenleben als Folge der Angriffe verhindern können, da sie vorhersehbar waren und man hätte vorbeugen können, es wurde aber nichts Derartiges unternommen. Ich warne noch einmal davor, dass es weitere Angriffe gegen Liberty geben wird, denn das Büro des Premierministers hat geschworen, mit allen Mitteln den Bewohnern von Ashraf/Liberty das Leben zur Hölle zu machen, bis sie den Irak verlassen. Das ist dokumentiert und vom Ministerrat als offizielle Politik verkündet worden.

Jetzt zur Leitung der Lager –

Soviel ich weiß – und es handelt sich ganz klar um meine persönlichen Beobachtungen – sind die Bewohner von Ashraf und jetzt von Liberty eine besondere Gruppe, gut organisiert, gut ausgebildet, hoch diszipliniert und in besonderer Weise mit allen Arten von Fähigkeiten ausgestattet, die sie auf europäischen und amerikanischen Universitäten erworben haben. Sie sind auch sehr stark ihrer Sache verpflichtet.

Diese Hingabe an ihre Sache wurde kritisiert und benutzt, um sie als terroristische Gruppe zu oder als Kult zu stigmatisieren. Ihre Leistungsfähigkeit, ihre Ausdauer und ihr Erfolg wurden gegen sie verwandt. Wann immer ich mit irakischen Behörden darüber sprach, dass sie Güter und Dienstleistungen bekommen sollten, erhielt ich die Antwort, dass diese Menschen ein besseres Leben hätten als durchschnittliche irakische Bürger. Ich erwiderte den irakischen Beamten darauf, die Bewohner von Ashraf/Liberty nicht um Almosen oder freie Leistungen bäten. Sie zahlten den Marktpreis und mehr. Sie können sie nicht für die Fehler der irakischen Regierung verantwortlich machen. Wenn die Regierung des Irak nicht imstande ist, ihren Bürgern das gleiche zu bieten, können Sie das nicht dieser kleinen Bevölkerungsgruppe zum Vorwurf machen, die von vielen Irakern als geehrte Gäste betrachtet werden.

F: In seiner Aussage vor dem UN Sicherheitsrat behauptete Kobler auch, die Bewohner würden die UN Überwacher drangsalieren und nicht mit ihnen zusammenarbeiten. Sie haben sie fast wöchentlich ein Jahr lang besucht. Wie war ihre Einstellung? Haben Sie solche Erfahrungen gemacht? Gab es UN Überwacher, die Ihnen als Chef des Büros für Menschenrechte in der UNAMI gegenüber irgendeinen derartigen Vorfall mitgeteilt haben? Was ist Ihre Erfahrung mit ihnen?

Tahar Boumedra: Als ich in Bagdad war, war ich verantwortlich für die Protokolle über Camp Ashraf und dessen Bewohner. Das fing an im Januar 2009. Ich war derjenige, der Camp Ashraf und später Camp Liberty Woche für Woche besucht hat und mit ihnen nach 24/7 in Verbindung stand. Es war meine Aufgabe, die Situation im Lager zu überwachen und genau zu verfolgen. Ich habe niemals Probleme gehabt, an irgendeinem Ort Zugang zu bekommen, den ich besuchen oder inspizieren wollte. Ich hatte niemals Probleme, irgendeinen Ort ohne Vorwarnung zu besuchen. Ich befragte die meisten Menschen, die das Lager verließen, vorher (diese Befragungen wurden aufgezeichnet). Niemand sagte mir jemals, sie seien schlecht behandelt oder der Freiheit, das Lager zu verlassen, beraubt worden. Deshalb ist die wahre Absicht hinter solchen Behauptungen die, ein günstiges Klima dafür zu schaffen, dass irakische Behörden hineingehen können, um die Leitung zu verhaften. In Wirklichkeit geht es nicht um Kooperation und Mangel an Kooperation. Wie ich schon gesagt habe, es ist ein Teil des Plans, die Organisation zu zerschlagen und die Leitung festzunehmen. Als ich die Erklärungen des Sonderbeauftragten vor dem Sicherheitsrat gelesen hatte, konnte ich sehen, dass die Umsetzung des Plans gut vorangeht.

F: Sahen Sie sich solchen Unterstellungen gegenüber, als Ihnen der Ashraf Fall übergeben wurde? Konnten Sie sie jemals untermauern? Ist Ihnen ein Fall von Verletzung von Menschenrechtsverletzung im Lager bekannt geworden? Was haben Sie am Ende erreicht und was war Ihr Eindruck, als Sie Bagdad verlassen haben?

Tahar Boumedra: Als ich 2009 nach Bagdad kam, wurde ich eingewiesen wie jeder, der eine neue Position antritt. Mir wurde gesagt, ich würde es mit einer gefährlichen terroristischen Gruppe zu tun bekommen. Ich müsse also vorsichtig sein. Damals sah ich keinen Grund, meinen Kollegen nicht zu glauben, als sie mich einwiesen. So war es am Anfang meiner Mission im Irak. Ich war den Leitern des Lagers gegenüber feindselig gesinnt. Aber während der Monate und Jahre, die ich damit verbrachte, mich mit ihnen auseinanderzusetzen, wurde ich immer mehr gewahr, dass die Einweisung, die man mir gegeben hatte, vollkommen irreführend war. Ich fand meinerseits heraus, dass alles, was von den Ashrafis an Informationen zu mir gelangte, glaubhaft war und dass das Meiste, das ich vom irakischen Sicherheitsapparat bekam, nicht beweisbar war und sich auf längere Sicht als falsch herausstellte. Ich könnte Ihnen jede Menge Geschichten in diesem Zusammenhang erzählen, aber dazu fehlt die Zeit. Ich habe Bagdad in der Überzeugung verlassen, dass dem Irak nach wie vor harte Zeiten bevorstehen. Das System der Justiz funktioniert nicht richtig und ist nicht verlässlich, das System der Sicherheit, der Gefängnisse und der Internierung folgt der konfessionellen Spaltung, Korruption paralysiert das Land und die iranische Hegemonie macht sich immer offener bemerkbar.

F: War das iranische Regime in den Fall Ashraf und seiner Bewohner einbezogen? Stand Martin Kobler mit der iranischen Regierung in Verbindung und haben Sie ihn jemals bei einem Treffen mit iranischen Beamten begleitet?

Tahar Boumedra: Die UNAMI setzt sich mit allen Akteuren im Irak auseinander, mit allen diplomatischen Missionen, auch mit der iranischen Botschaft. Zunächst ging es darum, dass es dort eine Gruppe von Iranern in Ashraf gibt, die Hilfe und Unterstützung beim Verlassen des Irak benötigt. Später, nach der Ankunft des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs Kobler, verwandelten sich die Konsultationen in eine Koordination der Bemühungen um eine Schließung von Ashraf und die Verlagerung seiner Bewohner nach Camp Liberty, um sie besser unter Kontrolle zu haben. Die iranischen Diplomaten betonten den Tatbestand, dass sie zu einer Amnestie für die Bewohner bereit seien, aber sie würden die Anwesenheit der Leitung im Irak nicht dulden. Als die UNAMI den iranischen Botschafter um ein schriftliches Dokument bat, in dem garantiert wird, dass jeder, der in den Iran zurückkehrt, nicht weiter polizeilich verfolgt wird, weigerte er sich, ein solches auszustellen.

Als der Umzugsprozess etwas ins Stocken geriet, verteidigte sich der Sonderbeauftragte regelrecht und wandte viel Zeit auf, um die Verzögerungen gegenüber dem iranischen Botschafter zu rechtfertigen. Als der Sonderbeauftragte um ein Visum zum Besuch des Iran bat, wurde ihm gesagt, wir werden das in Betracht ziehen, sobald die Bewohner damit anfangen, Camp Ashraf zu verlassen. Und wirklich wurde der Sonderbeauftragte Kobler schadlos gehalten, sobald die dritte (erste?) Gruppe von Bewohnern Camp Ashraf verlassen hatte. Seine Visa erhielten die Genehmigung und er besuchte Teheran, noch ehe die die zweite Gruppe Ashraf verließ.

F: Können Sie etwas näher beleuchten, wie diese Berichte vorbereitet werden und an das UN Hauptquartiert geschickt werden? Gelangten Ihre Berichte an die da oben in der UNO, solange sie in Bagdad waren – d. h. gab es eine Möglichkeiten, die Spitze aufzuschrecken im Hinblick auf das, was im Namen der UNO vor sich geht, oder musste alles über Kobler laufen?

Tahar Boumedra: Es gibt eine festgelegte Vorgehensweise, die bei der offiziellen Berichterstattung in der UNO eingehalten werden muss. Sie können nicht einen Bericht direkt an New York schicken. Sie müssen den Weg über die Hierarchie nehmen. Die Hierarchie regelt, dass politisch austariert wird, und stellt sicher, dass der Regierung des Irak nicht offen widersprochen wird, besonders wenn es um Gesetzmäßigkeit und Menschenrechte geht. In gewissem Sinn müssen die Berichte modelliert und ausgestaltet werden, damit sie politisch korrekt sind, bevor sie ihren Bestimmungsort in New York erreichen. Zum Beispiel musste in den Berichten über Ashraf das Wort Angriff durch das Wort Konfrontation ersetzt werden, Verletzungen der Ordnung und Lynchjustiz werden zu außerordentlicher Gewaltanwendung. In erster Instanz wird darauf abgezielt, Opfer und Aggressor gleichermaßen haftbar zu machen, in der zweiten geht es darum, die Schwere der Vergehen zu verringern und sie herabzustufen, so dass sie kein mögliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit mehr sind, sondern eine disziplinarische Angelegenheit.

F: Keine der Versprechungen Koblers an die Bewohner sind für diese gut ausgegangen. Wurden sie also von Anfang an zum Narren halten oder gab es kein ernsthaftes Interesse daran, sie durchzusetzen oder konnte die UNO ihre Verpflichtungen nicht erfüllen?

Tahar Boumedra: Ich kann Ihnen sagen – wir haben wirklich Berichte manipuliert, wir haben sogar Bilder von Camp Liberty zurechtgeschneidert. Martin Kobler wies mein Team an, Bilder in Camp Liberty aufzunehmen und die präsentablen Stellen von Camp Liberty auszuwählen und sie der internationalen Gemeinschaft und den Bürgern von Ashraf vorzulegen. Die zurechtgeschneiderten Bilder wurden benutzt, um die Ashrafis und die internationale Gemeinschaft in die Irre zu führen. Dies stelle ich fest und wer die Glaubwürdigkeit dieser meiner Aussage in Frage stellt, sollte eine unabhängige Kommission zusammenrufen, die das untersucht.

F: Sie waren der erste UN Beamte, der Camp Liberty besucht hat. Wie war Ihr Eindruck und was ist Ihnen aufgefallen? Hielten Sie es für geeignet dafür, dass die Bewohner dorthin gebracht werden? Wurde Liberty jemals unter Sicherheitsaspekten begutachtet? Wurde es schön geredet, um unter dem Sicherheitsaspekt als angemessen zu gelten?

Tahar Boumedra: Ich war der Erste, der eine Abordnung nach Camp Liberty geführt hat. Ich berichtete, dass das Lager nicht ausgerüstet sei, um 3200 Menschen zu beherbergen. Der Sonderbeauftragte verwarf den Bericht und bat das UNHCR, einen Experten für Unterbringung zu beauftragen, der die humanitären Bedingungen in Camp Liberty überprüfen sollte. Als der Experte, ein Schweizer, in Bagdad eintraf, sagte ihm der Sonderbeauftragte Kobler mehrmals: Sie sind beauftragt, Ihr ok zu geben. Nach zwei Wochen der Begutachtung entwarf der Experte eine Niederschrift des Befundes, der lautete, dass UNHCR kein positives Zertifikat geben könne. Der Sonderbeauftragte Kobler überging dieses Zeugnis und gab in einer Presseerklärung zu Protokoll, dass Camp Liberty jetzt das Zertifikat habe, mit den erforderlichen humanitären Standards für Flüchtlinge im Einklang zu stehen. Ein weiteres Gutachten wurde erstellt, um festzustellen, ob Camp Liberty den Sicherheitserfordernissen entspreche. Dies oblag dem Sicherheitspersonal der UNAMI. Das Ergebnis lautete, dass das Lager sehr wenig gegen Raketenangriffe geschützt ist. Es wurden Maßnahmen empfohlen zur Abmilderung der Gefahren für die Sicherheit. Auch dieser Befund wurde übergangen und es wurde nur 60 Sicherheitsoffiziere rekrutiert, um den Schutz für das Personal der UNAMI und des UNHCR zu verstärken. Nichts wurde hingegen für Schutz und Sicherheit der Bewohner unternommen. Im Gegenteil fuhren die Iraker fort, die vorhandenen T-Mauern um die Wohneinheiten weg zu transportieren, damit die Bewegungen der Bewohner im Lager genauestens überwacht werden konnten.

F: Wie gelangte Kobler zu dem Zertifikat, dass Liberty den UN Maßstäben entspricht?

Tahar Boumedra: Die Leute arbeiteten daran, ihre Stellungen zu behalten oder befördert zu werden, Sie tun ihre Arbeit, um ihre Vorgesetzten zufrieden zu stellen, zum Guten oder Schlechten. Es gibt andere, die ihre Arbeit tun, weil sie dafür herangeholt wurden. Ich kam nach Bagdad, um die Menschenrechte in einem UN Umfeld zu befördern und zu schützen, dem es in erster Linie darum geht, die Stellung zu behalten oder nach Beförderung zu streben. In einem solchen Umfeld verstehen Sie, warum Berichte zurechtgeschneidert und umgeformt werden je nach den Wünschen der Vorgesetzten. So kam es, dass der Sonderbeauftragte Kobler mit manipulierten Berichten durchkam. Alle Chefs der UNAMI Abteilungen waren grundlegend uneinig mit dem Sonderbeauftragten Kobler, sahen sich aber nicht in der Position, um für das, was sie für richtig hielten, einzustehen. Die UNAMI ist eine politische Organisation, wo die Stimme des Chefs immer den Ausschlag gibt egal, ob er recht hat oder nicht,

F: Haben Sie jemals Kobler bei seinen Unterhandlungen mit den MEK Leitern über die Situation begleitet? Wenn nicht, was war der Grund dafür? Sie waren derjenige, der für den ganzen Fall verantwortlich war – es hätte nahe gelegen, dass Sie ihn begleiten würden.

Tahar Boumedra: Obwohl ich sein Berater war, lud er mich nicht ein, ihn zu begleiten. Er ging zu solchen Meetings lieber mit jüngeren Beamten, die alles bejahten, was er tat. Er wusste, dass ich niemals Vorschläge von ihm unterstützen würde, die ungesetzlich oder unmoralisch waren.

F: Meinen Sie, dass einiges vertuscht wurde? Warum gab es bis jetzt keine Untersuchungskommissionen?

Tahar Boumedra: Ich habe die Sorge, dass Vertuschung zur Politik der UNAMI dazugehört. Ich habe mich in dieser Richtung geäußert und immer wieder gefordert, dass die UNO, wenn sie meine Behauptungen in Frage stellt, mich entweder vor Gericht bringt mit der Anklage, dass ich die Vertraulichkeit nicht gewahrt oder rufschädigende Äußerungen gemacht hätte, oder eine unabhängige Untersuchungskommission bestellt, die die ganze Sache aufrollt. Sie weigern sich, das eine oder das andere zu tun, und bewahren stattdessen Schweigen. Ich sage ihnen darauf, dass Schweigen keine Option ist. Weil wir es mit einer Situation zu tun haben, wo es um Menschenleben geht, eine Situation, die Menschen schweren Schaden zufügt, die viele unnötige Schmerzen und Leiden hervorbringt. Absolut unnötig! Töten und zum Krüppel machen ist absolut unnötig. Was UNAMI und UNO da tun, ist absolut unmoralisch, ungesetzlich und untergräbt den Kern der Werte der UN Charta. Das sind die Gründe, die mich veranlasst haben, mich von den Handlungen der UNAMI zu distanzieren und zurück zu treten.

F: Letzte Frage, wie steht es um den Umzug aus dem Irak? Haben Sie nach Ihren Erfahrungen jemals den Eindruck gewonnen, dass die Bewohner der Irak nicht verlassen wollen oder dass sie nicht darauf vorbereitet waren, mit der UNHCR zu kooperieren, wie Martin Kobler bei vielen Gelegenheiten versichert hat?

Tahar Boumedra: Meine heutiges Urteil ist – und das war es auch, als ich im Irak war, – dass die Bewohner, obwohl sie unfair behandelt wurden und werden, trotzdem volle Kooperation mit dem UNHCR gezeigt haben. Sie waren darauf vorbereitet, dass sie von dem UNHCR vom September 2011 an befragt würden. Aber die Regierung des Irak ließ nicht zu, dass das UNHCR sie befragte, bis sie nach Liberty gingen, weil man, wie gesagt, eine andere Agenda hatte. Der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs kooperierte aktiv mit der irakischen Regierung, um eine erzwungene Umsiedlung durchzuziehen. Leider hat das UNHCR sich dieser Vorgehensweise gefügt.