Von Allan Gerson *
Huffingtonpost – Jeder Krieg zieht eine Spur von Flüchtlingen und Vertriebenen nach sich. Oft sind der überwiegende Anteil davon politische Flüchtlinge aus diktatorischen politischen Systemen, die Folter oder Tod gewärtigen müssten, wenn sie in ihre Herkunftsländer zurückgebracht würden. Amerika könnte sie nicht alle aufnehmen, so sehr es sich auch darum bemühen würde.
Aber einigen Gruppen gegenüber hat es besondere Verpflichtungen. Dazu gehört eine Gruppe, die sich dem iranischen Regime entgegenstellt, die Mujahedin-e Khalq (MEK/PMOI). Heute werden 3200 Mitglieder der MEK/PMOI in einem Lager festgehalten, das von General James Jones, dem früheren nationalen Sicherheitsberater von Obama und obersten Kommandeur der alliierten Truppen als schlimmer als alles, das wir in Guantanamo haben, beschrieben worden ist. Jeden Tag sehen sie sich der Gefahr tödlicher Angriffe oder der allumfassenden Drohung einer zwangsweisen Rückführung in den Iran zu den Henkern Khomeinis gegenüber.
Warum sollten die Vereinigten Staaten sich um diese Gruppe kümmern und darauf dringen, dass seine Tore geöffnet werden, um ihr jetzt sofort Unterschlupf zu gewähren?
Dafür gibt es mehrere Gründe, die alle nicht nur humanitären Regungen entspringen, sondern mit rechtlichen und moralischen Verpflichtungen und damit zu tun haben, dass die nationalen Sicherheitsinteressen Amerikas gefördert werden.
Um das ganze in einen historischen Zusammenhang zu stellen: im Juni des letzten Jahres verfügte das Berufungsgericht der Vereinigten Staaten für den District of Columbia, dass das Außenministerium die MEK nicht länger auf seiner Liste auswärtiger terroristischer Einheiten führen dürfe, ohne die Berechtigung dafür nachweisen zu können. Da es dieser Anforderung nicht gerecht werden konnte, tat das Außenministerium das, was Europäische Union und Vereinigtes Königreich schon vorher getan hatten: anerkennen, dass die PMOI/MEK nicht länger mit dieser Bezeichnung behaftet sein soll. Damit war das größte Hindernis für eine humanitäre Entlastung und eine Umsiedlung der PMOI/MEK beseitigt. So konnte man sehen, dass das Außenministerium zuletzt das erfüllte, was das US Militär den Mitgliedern der MEK vor neun Jahren zusicherte: Wenn sie ihre Waffen abgäben, würden die Vereinigten Staaten sie als Personen betrachten, die unter dem Schutz der Vierten Genfer Konvention stehen und ihre Sicherheit garantieren.
Die MEK gab den Forderungen des Außenministeriums nach und verließ Camp Ashraf, ihre Heimstatt seit 30 Jahren, eine kleine Modellstadt, die sie sich aufgebaut hatten, und zogen um in das Lager „Liberty“, eine dichtgedrängte Anlage von Behelfsbehausungen ohne hinreichende sanitäre Einrichtungen. Sie taten das in der Erwartung einer Umsiedlung, die zügig vonstatten ginge, so dass sie mit Hilfe der Vereinten Nationen alle innerhalb von zwei Jahren auswandern könnten.
Aber die „Umsiedlung“ von Camp „Liberty“ aus erwies sich als grausame Täuschung. Nach dem Umzug aus Camp Ashraf wurden die PMOI/MEK sich mehr oder weniger selbst überlassen, um um ihr Überleben zu kämpfen in einem Höllenloch, das ausgerechnet auch noch Camp „Liberty“ heißt. Grundlegende Rechte – wie Freiheit der Bewegung, minimale sanitäre Einrichtungen, Zugang zu Anwälten und Besuche von Familienangehörigen – wurden ihnen versagt. Nach außen hin wurden sie von UN Beamten verwaltet, aber ein Jahr dieser „Verwaltung“ führte zu mehr Leichnamen, die in Särgen Camp Liberty verließen – Opfer von Bombardierungen, die die Iraker duldeten, wenn nicht unterstützten – , als auswandern durften, um ein neues Leben zu beginnen.
Damit ist die Wahrheit heraus. Es ist für die PMOI/MEK Mitglieder keine Umsiedlung in Sicht. Beamte der UN und der USA haben vor kurzem den Bewohnern mitgeteilt, das eine Umsiedlung zwischen drei und zehn Jahren dauern werde. Ob zufällig oder gewollt ist Camp „Liberty“ eine Scharade. Diejenigen, die den Zusicherungen des Außenministeriums glaubten, wurden einem jederzeit möglichen Tod durch Kräfte wie der „irakischen Hisbollah“ ausgesetzt, die mit der stillschweigenden Billigung des Irak operieren, um hunderte unschuldiger Zivilisten nach Belieben umzubringen oder zu Krüppeln zu machen. Eben dies passierte am 9. Februar dieses Jahres, als mehrere Raketen auf die wehrlosen Bewohner abgeschossen wurden mit dem Ergebnis von sieben Toten und einer großen Zahl schwer Verwundeter. Der Grund scheint klar: nachdem der Iran sich entschlossen hat, die MEK/PMOI zu zerstören, treiben sich Beauftragte im Irak herum und operieren mit der Billigung von dessen Regierung, wenn nicht mit ihrer direkten Hilfe.
Bevor sich die Tragödie der Juden in Europa ereignete, hatten die USA die Gelegenheit, ihre Tore für die Juden zu öffnen, die aus Nazideutschland und Österreich flohen. Amerika wusste genau, was die Folgen der Verweigerung des Zuzugs sein würden. Es wurde von Präsident Roosevelt eine Konferenz – nämlich die Konferenz von Evian 1938 – organisiert, um sich mit der Situation zu befassen. Es wurden aber keine Tore geöffnet.
In einem Bericht für die New York Times schrieb ein Reporter über diese Konferenz: „Dies ist ein Test für die zivilisierte Welt. Kann Amerika mit sich im Reinen bleiben, wenn es Deutschland gewähren lässt bei seiner Politik der Auslöschung?“ Vereinigte Staaten und Europa schauten weg, die Vereinigten Staaten wurden geschlossen für einen Eintritt auf humanitärer Basis. Im Mai 1939 fuhr der deutsche Dampfer auf der Transatlantikroute St. Louis in den New Yorker Hafen mit 938 Juden an Bord, die aus Deutschland wegen der Gefahr für ihr Leben geflohen waren. Wieder kehrten die Vereinigten Staaten ihnen den Rücken zu und zwangen das Schiff zur Rückkehr nach Deutschland, wo die Mehrzahl derer, die sich an Bord befanden, wie vorauszusehen, in den Konzentrationslagern der Nazis umkamen.
Heute will es ein böses Schicksal derer in Camp Liberty, dass ein ähnlicher Test für Amerikas Gewissen stattfindet. Die 3200 Personen in Camp Liberty sind dort, weil die Vereinigten Staaten ihnen die Zusicherung gegeben hatte, dass Camp Liberty als ein Umschlagspunkt für sofortige Umsiedlung dienen werde. Sie sind dort, weil sie den zuvor abgegebenen Zusicherungen der Vereinigten Staaten vertrauten, dass sie dort als geschützte Personen behandelt würden.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Earl Grant Harrison, ein angesehener junger Anwalt aus Philadelphia, gebeten, einen Bericht über die Lager für displaced persons in Europa zu erstellen, in denen sich Überlebende des jüdischen Holocaust aufhielten. Er stellte fest, dass sie „zusammengepfercht, oft ohne sanitäre Einrichtungen und unter allgemein trostlosen Umständen lebten … in der Hoffnung auf ein paar Worte der Ermutigung und auf Hilfsmaßnahmen.“ Um Abhilfe zu schaffen, forderte Harrison einschneidende Veränderungen, die schließlich ergriffen wurden, um diesen jüdischen Überlebenden zu erlauben, in die Vereinigten Staaten zu kommen und ein neues Leben anzufangen.
Würde Earl Grant Harrison heute noch leben und die Situation in Camp Liberty sehen, würde er zweifellos einen ähnlichen Bericht verfassen. Er würde Präsident Obama darauf hinweisen, wie er es bei Präsident Truman tat, dass, wenn die Vereinigten Staaten es unterließen, die Initiative zu ergreifen, kein anderes Land handeln werde. Er würde Präsident Obama darauf hinweisen, dass sein Vermächtnis wie das von Präsident Roosevelt bei seiner Art, die Juden Europas zu behandeln, beschädigt würde, da er keinen moralischen Mut beweise. Wie auch immer, unabhängig von humanitären Gesichtspunkten ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass sich die MEK gegen die Totfeinde Amerikas erhoben haben, nämlich die Mullahs, die im Iran an der Macht sind, und dass sie eine demokratische, pluralistische und nicht nuklear gerüstete Republik fordern, die an ihre Stelle tritt. Harrison würde lautstark entweder eine Anordnung der Exekutive oder einen Gesetzesbeschluss verlangen, die den sofortigen Zuzug der MEK Flüchtlinge erlauben.
Während die Bewohner in Camp Liberty auf die Erfüllung des Versprechens auf Umsiedlung warten, dürfen sie nicht gezwungen werden, auch nur einen Tag länger in Camp Liberty zu verbringen, ohne Schutz vor Raketenangriffen und unter miserablen Lebensumständen. Camp Ashraf ist 80 mal so groß wie Camp Liberty, es hat Befestigungen, Bunker und solide Häuser, was es alles in Liberty nicht gibt. Es sollte ihnen ermöglicht werden, dahin zurückzukehren, um das Verfahren der Umsiedlung zuende zu bringen, und nicht in dem Höllenloch Camp Liberty zu bleiben.
Wenn Amerika nicht Maßnahmen ergreift, um die Tore für die Bewohner von Camp Liberty zu öffnen oder ihnen wenigstens ermöglicht, in das geschütztere Ashraf zu ziehen, werden die Feinde Amerikas das als Freibrief betrachten, als grünes Licht für Mord. Unsere Feinde werden zusehen, wie die Vereinigten Staaten entgegen markiger Worte aus Amerika gegen den Iran sich darauf vorbereiten, den Iran zu besänftigen auf Kosten derer, denen wir Schutz zugesichert haben. Das ist ganz gewiss nicht das Amerika, das wir kennen und lieben.
* Vorstandsvorsitzender von AG International Law, Anwaltsfirma in Sachen internationales Recht in Washington DC
http://www.huffingtonpost.com/allan-gerson/post_4532_b_2918273.html