Tuesday, October 3, 2023
StartNWRIAuswärtiger AusschussWahl im Iran stellt EU vor schwere Entscheidung

Wahl im Iran stellt EU vor schwere Entscheidung

ImageDie jüngsten Berichte über die Beteiligung des neuen Präsidenten der Mullahs, Mahmoud Ahmadinejad, an der Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979 haben die Welt schockiert.

Vor den Wahlen hat Ahmadinejad in der ihm entsprechenden Art und Weise erklärt: "Wir haben die Revolution nicht gemacht, um Demokratie zu haben." "Die Welle unserer islamischen Revolution wird bald die ganze Welt erreichen", sagte er nach den Wahlen.

Kommentar Mohammad Mohaddessins, des Vorsitzenden des Außenpolitischen
Ausschusses.

Abgesehen von einer Reihe von europäischen Führern, die nur auf Geschäfte aus sind und die ihre Bereitschaft gezeigt haben, für kleine wirtschaftliche Vorteile über demokratische und humanitäre Prinzipien einen Kompromiss einzugehen, gibt es weltweit einen noch nicht gesehenen Konsens bezüglich der Apathie der iranische Öffentlichkeit gegenüber den Wahlen. Neutrale Beobachter, ausländische Journalisten, die im Iran an Ort und Stelle sind, und sogar die miteinander streitenden Fraktionen innerhalb des Regimes haben bestätigt, dass die Wahlbeteiligung viel geringer war als vom Regime verkündet.

Die bisherige Bilanz des neuen Präsidenten spricht für sich selbst. Ahmadinejad ist ein Geiselnehmer, ein Terrorist, ein Dieb und ein kaltblütiger Killer, der schon hingerichteten politischen Gefangenen den Todesschuss versetzt hat.

Nur jene, die es vorteilhafter finden, Deals mit Teheran zu machen statt sich auf die Seite der Wahrheit zu stellen, käuen die Schlagzeilen der staatlichen Presse nach, dass Ahmadinejad die Unterstützung der verarmten Iraner erhalten habe. Bei einer Bevölkerung, die zu fast 80 Prozent unter der Armutsgrenze lebt, verlangt die gesamte Nation einen Regimewandel.

Als Reaktion auf diese entscheidenden Wahlen, die die Nutzlosigkeit von Europas Politik des Engagements bestätigten, haben einige EU-Führer eine Haltung des Abwartens eingenommen. Die offensichtliche Frage ist aber, worauf sie noch warten, um davon überzeugt zu werden, dass sie völlig falsch damit lagen, darauf zu bestehen, dass eine konziliante Haltung die Gemäßigten im Iran stärken werde. Warten sie auf weitere Hinrichtungen, auf noch mehr Terrorismus, auf mehr Geiselnahmen und darauf, dass die Mullahs endlich in den Besitz der Atombombe kommen?

Als vor 16 Jahren der Erzpatriarch Khomeini starb, da freuten sich einige in Europa darauf, dass das islamische Regime sich nun bald modernisieren werde. Diese Euphorie stand im Gegensatz zu der Tatsache, dass die mörderischen Ayatollahs nur wenige Monate zuvor im Zeitraum einiger Monate 30.000 politische Gefangene massakriert hatten. Sich anstellend, um den damaligen Pärsidenten Akbar Hashemi Rafsanjani freudig zu begrüßen, schlossen sie auch die Augen vor dem Morddekret gegen einen ihrer eigenen Bürger, den britischen Autor Salman Rushdie.

Nur 40 Tage nach Khomeinis Tod schlugen Teherans Killerteams mit tödlichem Erfolg in Wien zu, wo  zwei iranisch-kurdische Führer aus kurzer Entfernung von einem Team erschossen wurden, das angeblich gekommen war, um mit ihnen Verhandlungen zu führen. Weniger als ein Jahr nach Beginn von Rafsanjanis Präsidentschaft wurde ein anderer führender Menschenrechtsaktivist, Prof. Kazem Rajavi, am helligen Tag nahe seiner Wohnung in Genf niedergeschossen. Kurz darauf schnitten Mörder Dr. Shapour Bakhtiar, dem letzten Ministerpräsidenten des Schahs, in seiner Wohnung bei Paris die Kehle durch. In allen drei Fällen schickten die skrupellosen Europäer die Killer zu denen zurück, die sie ausgesandt hatten. Diese schändliche Entscheidung wurde mit den höheren Interessen des Staates begründet.

Das war noch nicht das Ende. Während gerade ein Gericht in Berlin einen weiteren Fall iranischer Verwicklung in die Ermordung von Dissidenten in Deutschland verhandelte, wurde  der Mann, dem später vorgeworfen wurde, diese Morde angeordnet zu haben, Irans Geheimdienstminister Ali Fallahiyan, in Bonn von seinen deutschen Partnern auf dem roten Teppich empfangen. Das Urteil des Gerichts von 1997, dass nicht nur Fallahiyan, sondern auch der Oberste Führer, Ali Khamenei, und Präsident Hashemi Rafsanjani an hervorragender Stelle für diese Morde verantwortlich waren, bewegte die Europäer zu einem schwachen Protest, indem sie ihre Botschafter aus Teheran zurückriefen. Als Khatami zwei Monate später sein Amt antrat, verloren die Europäer keine Zeit, um ihre Politik der Annäherung für die nächsten acht Jahre erneut aufzunehmen. Dazu zu gehörte, dass sie Irans Menschenrechtsverletzungen nicht ahndeten, der Beginn des "Menschenrechtsdialogs" mit den Henkern, die Ausweitung des Handels und als Höhepunkt die Bezeichnung von Irans wichtigster Oppositionsgruppe, der Mojahedin-e Khalq als terroristische Organisation. Das letzte Kapitel dieser schändlichen Politik war der Überfall auf das Büro des Nationalen Widerstandsrates Irans in Paris am 17. Juni vor zwei Jahren.

Heute steht Europa am Scheideweg: soll es zu der zerstörerischen 16 Jahre alten Politik der Beschwichtigung zurückkehren, oder sich auf die Seite der Millionen im Iran stellen, die nach Freiheit rufen? Wie auch immer, die Wahl war ein Meilenstein, und die Räder des Wandels können nicht angehalten werden.

Mehrere Lektionen sind hier zu lernen:

1. Der Oberste Führer  konnte nicht anders als angesichts der wachsenden und unlösbaren Krise die Macht in den Händen einer Fraktion zu konzentrieren. Damit ist seine Machtbasis gefährlich geschrumpft, und das macht ihn in den kommenden Wochen und Monaten sehr viel verwundbarer. Das könnte zum Zerfall des Regimes als ganzem führen. Mit all seiner Macht und seiner Schläue war sich Khomeini sehr wohl des explosiven Potentials einer einpoligen Herrschaft bewusst, weswegen er stets darauf bestand, dass die Macht zwischen den verschiedenen Fraktionen des Regimes aufgeteilt werde.

2. Nach der Invasion des Iraks 2003 musste das iranische Regime zwischen echter Reform oder der Beibehaltung des Status Quo wählen. Mit dem Machtantritt von Ahmadinejad ist es offensichtlich, dass Khamenei sich für letztere entschieden hat, d.h. für stärkere Unterdrückung im Inland, weitere Unterstützung von Terrorismus und größere Intransigenz international.

3. Ermutigt durch das europäische Beschwichtigung, zu dem unter anderem das Vorgehen gegen Teherans Todfeind, die Mojahedinm- Khalq, geführte, hat der Oberste Führer keine Zeit verloren und seine Rivalen herausgesäubert.

4. Die Einschätzung der politischen Entwicklungen im Iran durch den iranischen Widerstand, deren zentraler Punkt der war, dass es der herrschenden Theokratie an der Fähigkeit zur Reform fehle und dass der wirkliche Endkampf nicht der zwischen des streitenden internen Fraktionen sei, sondern der zwischen dem iranischen Volk auf der einen und dem Regime in seiner Gesamtheit auf der anderen Seite, wurde bestätigt.

5. Europa hat eine exzellente Gelegenheit, seine kolossalen Fehler wieder gut zumachen, indem es von Beschwichtigung Abschied nimmt, aufhört, die iranische Opposition zu unterdrücken und das Recht des iranischen Volkes, gegen die Tyrannei Widerstand zu leisten, anerkennt. Den Status Quo zu verteidigen, wird die Uhr nicht zurücksetzen; das wird nur von den Iranern einen höheren Preis fordern. Die Geschichte wird die Architekten der Beschwichtigung als Partner bei den Verbrechen verurteilen, die die Mullahs an der iranischen Nation verübt haben.

Mohammad Mohaddessin
Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses
01. Juli 2005