In den letzten Wochen wurden iranische hohe Politiker in die ganze Region entsandt in dem verzweifelten Versuch, einen israelischen Militärschlag mit potentieller amerikanischer Rückendeckung zu verhindern, indem man sich eines Mix aus Drohungen und Appellen bedient. Dennoch wird, auch wenn Teherans militärische und religiöse Führer weiterhin ihre aggressive Rhetorik eskalieren, das Scheitern der regionalen Strategie des Iran evident. Das ist nirgendwo so offensichtlich wie in der beispiellosen Stellungnahme libanesischer Amtsträger, worin die zunehmende Schwäche des Obersten Führers des Regimes Ali Khamenei zutage tritt.
Ein diplomatischer Fehltritt
Die Verschiebung wurde überdeutlich, nachdem Mohammad Bagher Ghalibaf, der Sprecher des Parlaments des Regimes, am 17. Oktober ein exklusives Interview für Le Figaro gegeben hat. Ghalibaf brachte vor, dass Teheran bereit sei, mit Frankreich auszuhandeln, dass die Resolution 1701 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen umgesetzt werde.
Er behauptete: „Der Iran ist bereit, über besondere Maßnahmen zu diskutieren, um mit Frankreich die Resolution 1701 stark zu machen, um im südlichen Libanon einen Waffenstillstand zu erreichen“.
Die Resolution 1701 des UN Sicherheitsrats, die 2006 verabschiedet wurde, zielte darauf, den Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah zu beenden, indem das Mandat für einen Waffenstillstand, den Rückzug des israelischen Militärs, die Entsendung der libanesischen Armee und eine UNO Friedensmission zur Sicherung des südlichen Libanon erteilt wird verbunden mit der Aufforderung, nichtstaatliche Akteure wie die Hisbollah zu entwaffnen.
Ghalibafs Äußerungen mögen in der Absicht getan worden sein, ein diplomatisches Image zu vermitteln, sie provozierten aber eine umgehende starke Antwort aus dem Libanon.
https://x.com/iran_policy/status/1843963837281902875
Der amtierende Premierminister Najib Mikati kritisierte Ghalibafs Aussagen als „offene Einmischung“ in libanesische Angelegenheiten und bestellte den Geschäftsträger des Iran in Beirut ein. Mikatis Stellungnahme war sehr direkt: „Diese Position erstaunt uns, insofern sie einem inakzeptablen Versuch gleichkommt, dem Libanon eine Vormundschaft aufzuerlegen“.
Sein Kommentar verdeutlicht die schwindende Geduld der libanesischen Führungspersonen gegenüber dem seit langem vorhandenen Einfluss Teherans auf ihr Land, besonders durch seinen Proxy Hisbollah. Der libanesische Politiker Samir Geagea pflichtete Mikatis Stimmungsäußerung bei, indem er feststellte: „Diese Position spiegelt die Ansicht eines jeden Libanesen wieder“.
Entgegen Irans Bemühungen darum, eine diplomatische Front zu öffnen, bedeutet die libanesische Antwort eine deutliche Abfuhr und legt damit die Risse in Teherans regionaler Strategie offen. Das Kleriker Regime hat jahrelang die Region mit seinem Netz an Proxys als Geisel genommen, besonders den Libanon, wo es die Hisbollah benutzt hat, um politische Opponenten wie Rafik Hariri zu beseitigen. Sich der Dominanz Teherans im Libanon zu widersetzen, war lange gefährlich, aber die neuesten Entwicklungen deuten darauf hin, dass das Blatt sich wendet.
https://x.com/iran_policy/status/1843010725624807433
Nach der scharfen Kritik der libanesischen Amtsträger zog das Parlament des Regimes eiligst seine vorherigen Äußerungen zurück und mit der Regierung verbundene Medien stellten es so dar, dass Ghalibafs Äußerungen über einen Waffenstillstand im Libanon „falsch interpretiert“ worden seien – ein klares Zeichen dafür, dass das Regime unter Druck zurückrudert.
Bemühungen, die Krise einzudämmen
Unterdessen hat sich der Außenminister des Regimes Abbas Araqchi zu einer hektischen Tour durch die Region aufgemacht, um nach dem Amtsantritt acht Länder zu besuchen, nämlich den Libanon, Syrien, Saudi Arabien, Katar, den Irak, Oman und zuletzt Jordanien und Ägypten Seine Gespräche in Amman am 16. Oktober und in Kairo am 17. Oktober zeigten seltene Anstrengungen und sind ein Beleg für Teherans wachsende Verzweiflung. Diese Hektik in den diplomatischen Aktivitäten offenbaren Teherans tatsächliche Absichten: auf die Regierungen in der Region Druck auszuüben, um es gegen potentielle israelische Schläge abzuschirmen, weil das Regime sich zunehmender Isolierung und der Drohung einer militärischen Vergeltung gegenüber sieht. Besonders Araqchis Besuch in Jordanien, der erste eines iranischen Außenministers seit 2014, verdeutlicht, für wie dringlich Teheran es betrachtet, sich in einer schlimmer werdenden Situation regionaler Unterstützung zu versichern.
Gemischte Botschaften
Zugleich mit diesen diplomatischen Manövern des Iran gehen vom Regime intern gemischte Signale aus und offenbaren ein starkes Ringen darum, mit der andauernden geringen Moral seiner Sicherheitskräfte und der regionalen Proxys zurechtzukommen.
Während Teherans Diplomaten auf Deeskalation drängen, stellen Hardliner weiterhin eine aggressive Rhetorik zur Schau und versuchen sowohl heimische als auch verbündete Kräfte davon zu überzeugen, dass das Regime stark und imstande bleibt, durch die Krise zu navigieren,
In einem Fernsehinterview hat vor kurzem Mohammad Mehdi Mirhagheri, ein Mitglied der Expertenversammlung, erklärt, dass ein Konflikt „unvermeidlich“ sei, und ist sogar so weit gegangen, dass ein hohes Maß an tödlichen Verlusten ein gerechtfertigtes Mittel sei, um die ideologischen Ziele des Regimes zu erreichen. „Um das göttliche Ziel zu erreichen, wäre es die Sache wert, selbst wenn die Hälfte der Weltbevölkerung untergehen würde“, versicherte er und löste damit in den sozialen Medien Zornesausbrüche aus.
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Dennoch setzen Kleriker wie Hassan Ameli ihre flammendenden Reden fort. Besagter Ameli erklärte: „Israel kann hundertmal Yahya Sinwar zum Märtyrer machen, es wird sein Ziel niemals erreichen“. Solche provokativen Äußerungen, verbunden mit verschleierten Drohungen mit den nuklearen Ambitionen des Iran, illustrieren, dass Teherans Fraktion der Hardliner nicht willens ist, sich Beschränkungen aufzuerlegen, selbst wenn das Regime verzweifelt diplomatische Kanäle sucht, um einen weiteren Konflikt abzuwenden.
Khameneis Gambit
Hinter diesen gemischten Botschaften liegt das Ringen des Regimes darum, die Kontrolle zu behalten, sowohl im Inland als auch in der Region. Seit dem letzten Jahr hat sich das Regime in ein gefährliches Wettspiel begeben in dem Glauben, es könne seine regionalen Proxys dafür benutzen, seinen Einfluss auszudehnen ohne einen breiteren Konflikt auszulösen. Jetzt aber, wo sich die regionalen Spannungen verstärken und militärische Auseinandersetzungen drohen, erscheint Teheran in wachsendem Maße isoliert. Wenn die internationale Gemeinschaft, entschlossen, einen breiteren Konflikt zu verhindern, wirklich einen dauerhaften Frieden im Vorderen Orient sucht, muss sie sich der Wurzel der Krise entgegenstellen: Khameneis tiefsitzende Angst vor Unruhen im Inland, die ihn dazu gebracht hat, externe Ablenkungen als Mittel dafür zu benutzen, interne Unruhen zu vermeiden.