Friday, March 29, 2024
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Atomstreit mit dem Iran: Ahmadinejad ruft zu Sanktionen gegen den Westen auf

Mahmud Ahmadinejad
Neue Drohungen aus dem Iran: Präsident Mahmud Ahmadinejad hat die islamischen Staaten aufgerufen, ihre Wirtschaftsmacht gegen den Westen einzusetzen. Gleichzeitig gibt sich Teheran im Atomstreit verhandlungsbereit – wie eine vertrauliche Botschaft an das deutsche Außenministerium zeigt.

Teheran – "Parallel zu dem politischen Krieg ist heute ein großer versteckter Wirtschaftskrieg im Gange, und die islamischen Staaten sollten ihr wirtschaftliches Potenzial nutzen, um den Feinden die Hände abzuhacken", sagte Ahmadinejad nach einem heute veröffentlichten Bericht der staatlichen Agentur IRNA. Die islamischen Staaten seien selbst schuld, wenn sie es dem Westen erlaubten, wirtschaftlichen Druck auszuüben.

Zuvor hatten Teheraner Politiker im Streit um das iranische Atomprogramm vor einer Ölkrise gewarnt. Wirtschaftssanktionen gegen Iran würden zu einem drastischen Anstieg der Ölpreise führen, "unter dem mehrere Länder leiden würden", hatte Finanzminister Dawud Danesch-Dschafari am Donnerstag gedroht.

Der Finanzminister bestritt jedoch Berichte, wonach Teheran aus Sorge vor möglichen Sanktionen bereits Milliarden Dollar von westlichen Banken abgezogen und nach Asien verlagert habe. Aus der iranischen Zentralbank hieß es dagegen, dass Teile des iranischen Vermögens bereits transferiert worden seien. Die iranischen Öleinnahmen für dieses Jahr werden auf mindestens 40 Milliarden Dollar (33 Mrd. Euro) geschätzt. Der Großteil der Öleinnahmen wurde bisher in europäischen Banken angelegt. In dem Atomkonflikt mit Teheran waren im Westen auch Forderungen nach dem Einfrieren der iranischen Vermögenswerte laut geworden.

Syrien und Iran bilden "Front gegen westliche Arroganz"

Bundesverteidigungsminister Jung (CDU) sprach sich unterdessen für die Beibehaltung einer militärischen Drohkulisse aus, betonte aber, diplomatische Bemühungen müssten Vorrang haben. Jung wandte sich zugleich gegen die Drohung des französischen Präsidenten Jacques Chirac. Dieser hatte nicht ausgeschlossen, im Kampf gegen Terrorstaaten auch Atomwaffen einzusetzen.

Bei einem Staatsbesuch Ahmadinejads in Damaskus haben Syrien und der Iran ihren Willen zur engen Kooperation bekräftigt und jegliche Einflussnahme des Westens auf ihre Politik zurückgewiesen. Die beiden Länder hätten eine "vereinte Front gegen Arroganz und Dominanz" gebildet, sagte Ahmadinejad gestern zum Abschluss seines zweitägigen Besuchs. Dort traf er auch mit Vertretern der radikalen palästinensischen Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad zusammen.

Das Treffen galt angesichts des Selbstmordanschlags in Tel Aviv vom Donnerstag als besonders brisant. Israel hat den Iran und Syrien der Verwicklung in den Anschlag beschuldigt, bei dem 20 Israelis verletzt wurden. Beide Länder haben dies zurückgewiesen. Während des Treffens, bei dem auch die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) zugegen war, bekräftigte Ahmadinejad nach Angaben aus Teilnehmerkreisen seine Unterstützung für den Kampf der Palästinenser gegen Israel.

In einer gemeinsamen Abschlusserklärung forderten Syrien und der Iran einen "Abzug der Besatzungsmächte" aus dem Irak. Darüber hinaus bekräftigten sie das Recht des Irans auf eine Entwicklung der Atomkraft zu friedlichen Zwecken. Die Kritik daran verwarfen sie als "einseitig und doppelzüngig", ohne die USA und ihre europäischen Verbündeten beim Namen zu nennen.

Verhandlungsangebot aus Teheran

Hinter den Kulissen kommt jedoch zugleich Bewegung in den Atomstreit: Außenminister Frank-Walter Steinmeier bekam nach SPIEGEL-Informationen eine Botschaft der iranischen Regierung übermittelt, wonach diese bereit sei, über das russische Angebot einer gemeinsamen Uran-Anreicherungsanlage zu verhandeln. Eine Bedingung der Iraner sei es, dass China an diesem Joint-Venture ebenfalls beteiligt werde.

Russland hatte vorgeschlagen, die Uran-Anreicherung, bei der atomwaffenfähiges Material entsteht, außerhalb Irans auf russischem Boden in einem Gemeinschaftsunternehmen zu betreiben. So könnte Iran seine zivilen Nuklearpläne verwirklichen und gleichzeitig die westlichen Befürchtungen einer militärischen Nutzung zerstreuen. Die russische Initiative war von Iran zunächst abgelehnt worden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in vertraulichen, bisher nicht bekannten Telefonaten mit US-Präsident George Bush und Uno-Generalsekretär Kofi Annan, die beide in dieser Woche geführt wurden, für eine Verhandlungslösung unter Beteiligung der Russen geworben. Die Botschaft der iranischen Regierung und die vertraulichen Merkel-Telefonate wurden dem SPIEGEL aus hochrangigen Regierungskreisen bestätigt.