In der herzzerreißenden Saga einer Nation, die am Rande des wirtschaftlichen Kollapses taumelt, taucht ein geradezu gespenstisch lukratives Geschäft auf und erreicht im Iran einen beispiellosen Höhenflug: der schamlose Handel mit menschlichen Organen.
Dieses makabre Geschäft, grotesk und moralischen Bankrott offenbarend, ist ein gruseliges Zeugnis für die Tiefe der menschlichen Tragödien. Obwohl es schon zahlreiche Berichte über dieses Problem gegeben hat, hat ein jüngst in der staatlichen Zeitung Jahan-e Sanat („Welt der Industrie“) erschienener Artikel diese Tragödie noch einmal ins Rampenlicht gerückt.
Der Artikel vom 3. Mai unter der Überschrift „Händler mit dem Leben“ ging allgemein in die Schlagzeilen und hat die herrschende Theokratie veranlasst, dem Blatt zu befehlen, ihn zu entfernen.
In den letzten Jahren, wo die Bevölkerung unter dem Gewicht durch die Decke gehender Preise für Lebensmittel und unverminderten Elends ächzt, hat die heimtückische Anziehungskraft dieses Handels immer neue Blüten getrieben.
Der Artikel beginnt mit einer grausigen Anzeige an einer Wand: „Ich verkaufe meine Körperteile, sogar mein Herz. Ich bin 33 Jahre alt und brauche Geld, um meine Frau und vier Kinder zu ernähren und meine Miete zu bezahlen. Ich bin nicht arbeitslos, ich bin seit 23 Jahren Arbeiter“.
Während für Nieren, das begehrte Herzblut des Handels, weiter eine hohe Nachfrage besteht, wurden die Grenzen dieses schmutzigen Marktplatzes schon lange gesprengt. Aus den hohlen Tiefen seines Ursprungs vor mehr als einem Jahrzehnt hat er sich in einen grotesken Basar verwandelt, wo Leber, Knochenmark und Hornhaut im Auge gnadenlos verscherbelt werden. Jede Transaktion dieser Art verschärft die finstere Not, die die Nation im Griff hat, und versenkt sie nur noch tiefer in den Abgrund der Trostlosigkeit.
„Wenn man die Vali-Asr Straße hinuntergeht, stößt man nahe dem Justizpalast auf eine Allee, die den Marktplatz für Nieren bildet. Es hält sich niemand dort ständig auf, aber man sieht eine Mauer voller Anzeigen für den Verkauf von Körperteilen“, ist in dem Artikel zu lesen und weiter: „Im vergangenen Jahr haben neben den Anzeigen für Nieren die für Leber, Knochenmark, Hornhaut des Auges, Sperma- und Eispenden den Weg auf die Mauern gefunden. Zudem wurde eine Website mit einem entsprechenden Namen eröffnet, die leichte Verbindungen zwischen Personen ermöglicht, die solche Dienste suchen“.
„Im Vorjahr hat die Assoziation für Nieren im Iran eine Rate von Nierenspenden von insgesamt 800 Millionen Rial festgestellt, wobei jedoch der derzeitige Preis für Ein- und Verkauf auf 3 Milliarden Rial gestiegen ist. In diesem Jahr hat von Anfang an der Preis für Nieren zwischen 5 und 10 Milliarden geschwankt. Wenn es Zwischenhändler gibt oder der Zustand des Patienten kritisch ist, verbunden mit der seltenen Blutgruppe O-, wird noch ein Preisaufschlag gemacht“.
Dabei ist selbst nach den eigenen Gesetzen des Regimes der Kauf und Verkauf von Körperorganen als Verbrechen eingestuft und nur die Spende ist legal. Nur die Nierenspende einer lebenden Person ist möglich.
„Nach den Daten des Gesundheitsministeriums hat der Iran im Jahr 420 Transplantationen von Lebendnieren erlebt. In Anbetracht der Besorgnis erregenden Beteiligung von Zwischenhändlern bei der Nierenspende hat die Nierenassoziation des Iran, die sich der Unterstützung von Nierenpatienten widmet, ein reguliertes System für diesen Vorgang eingerichtet mit Registrierung und besonderen finanziellen Arrangements“, schrieb Jahan-e Sanat dazu und fuhr fort: „Anfangs lag der Preis bei 120 Millionen Rial, er stieg dann auf 340 Millionen Rial und jetzt sind für eine Spende von der Assoziation seit 2020 800 Millionen Rial festgelegt“.
Während der Preis eines Organs jetzt auf dem Schwarzmarkt zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Rial fluktuiert, verkaufen immer mehr Iraner lebenswichtige Organe für das Bestreiten des Lebensunterhalts.
„Interviews unseres Reporters mit Verkäufern deuten darauf hin, dass sie wegen Armut ihre Körperorgane verkaufen wollen und leider beschränkt sich das nicht auf ein bestimmtes Geschlecht oder Alter. Manchmal können Käufer auch nicht für diese Preise aufkommen, es sei denn sie verkauften ihre Häuser oder Autos, um genug Geld für ein Transplantat zu haben“, schreibt Jahan-e Sanat.
Weil die Iraner nicht mehr die hohen Preise für lebenswichtige Organe bezahlen können, verkaufen viele ihre Körperteile außerhalb des Iran, besonders im Irak, in der Türkei und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
„Bestimmte Zwischenhändler mit internationalen Verbindungen ermöglichen die Reise von Organverkäufern in benachbarte Länder wie die VAE, die Türkei und den Irak, wo sie ihre Körperteile für Summen zwischen 7000 $ und 15 000 $ verkaufen können.
Leider geraten diese Verkäufer in vielen Fällen in die Fänge von Betrügern mit fatalen Konsequenzen. Dazu ist zu erwähnen, dass Verkäufer von Körperteilen im Land keinen Rechtsschutz haben, was ihnen nur die Alternative lässt, sich auf das gefährliche Unternehmen einzulassen“, räumt Jahan-e Sanat dazu ein.
Diese Verkäufer sind nicht arbeitslos, sie schuften ununterbrochen, um über die Runden zu kommen. Jedoch lässt ihnen die wirtschaftliche Krise im Land, die durch die durchgehende Korruption des Regimes verschärft wurde, keine andere Wahl, als ihre eigenen lebenswichtigen Organe zu opfern, um das Überleben zu sichern.
„Ein kurzes Durchstöbern der Telegramkanäle und lokalen Websites lässt erkennen, dass der Handel mit Körperteilen weit über Teheran und die großen Städte hinausreicht und die ganze Nation umfasst – ein alarmierendes Zeichen für die verbreitete Not, die in den Gesichtern aller 80 Millionen Iraner geschrieben steht. Armut entsteht nicht über Nacht, sie existiert schon lange und bedrängt die Bevölkerung weiterhin“, schreibt das Blatt dazu.
Jahan-e Sanat gibt zu: „Inflation und steigende Preise haben die Menschen in den Abgrund der Armut gestürzt. In den Grenzen des Iran unterstreicht die herzzerreißende Not von Menschen, die um ihre eigenen Körperteile feilschen für ein Stück Brot, die erschütternde Tragödie unter der Oberfläche. Verkäufer von Nieren, die einst von Wünschen nach materiellem Besitz wie Autos oder Häuser angetrieben wurden, sehen sich jetzt gezwungen, ihre Organe zu verkaufen, um ihren grundlegenden täglichen Bedarf zu decken“.
Der Reporter von Jahan-e Sanat trat mit zwei Verkäufern in Verbindung, der eine Arbeiter und die andere eine alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern. Der Arbeiter ist 22 Jahre alt und verkauft seine Niere für 5 Milliarden Rial und einen Teil seiner Leber für 2 Milliarden Rial. Die alleinerziehende Mutter, geboren 1987, verkauft ihre Niere für 3,4 Milliarden Rial. „Das ist die einzige Möglichkeit, wie ich meine Kinder ernähren kann“, sagt sie.
Sich auf den Verkauf von Körperorganen einzulassen, stellt einen vor bedeutende Risiken und es kann schwerwiegende Folgen für die Beteiligten haben. Der menschliche Körper ist kompliziert ausbalanciert und die Entfernung an sich lebenswichtiger Organe kann zu Komplikationen führen, die das ganze weitere Leben beeinflussen, sowohl physisch als auch psychisch.
Chirurgische Prozeduren außerhalb regulärer medizinischer Einrichtungen und ohne die angemessene medizinische Expertise erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Infektionen, ärztlichen Kunstfehlern und langfristigen Gesundheitsproblemen.
Darüber hinaus kann die emotionale Belastung, sich von einem Organ zu trennen, und die potentiellen ethischen und rechtlichen Nachwirkungen das Wohlbefinden einer Person nachhaltig beeinträchtigen.
Aber die Menschen einer der reichsten Länder der Welt müssen ihre Körperteile verkaufen, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen, während die herrschende Theokratie den nationalen Reichtum des Iran für Terrorismus und Unterdrückung verschwendet.
Watch and judge how #Iran's state officials respond to the suffering, hunger and poverty of the people they have plundered in the last four decades. pic.twitter.com/OT7VrBhL4P
— NCRI-FAC (@iran_policy) January 31, 2023
„Immer mehr Menschen verkaufen ihre Körperorgane, während Ebrahim Raisis Regierung weiter den Mund vollnimmt mit dem Ausmerzen der Armut. Die Armutslinie ist auf 210 Millionen Rial angestiegen und der Lohn eines Arbeiters liegt bei 80 Millionen Rial. Aber die Regierung spricht weiter von einer Ausmerzung der Armut“, schreibt Jahan-e Sanat zu diesem Thema.
Diese herzzerreißenden Tragödien, für sich genommen furchtbar, fachen die Flammen des sozialen Zorns gegen den herrschenden Zorn gegen die herrschende Theokratie an, deren rechtlose Machinationen und bösartige Politik sich verheerend auf das Leben der Bevölkerung ausgewirkt haben.
„Der Handel mit Körperorgangen ist ein deutliches Zeugnis für die finstere wirtschaftliche Not und den quälenden Kampf um das Überleben, dem die Mitglieder der Gesellschaft ausgesetzt sind und der sie daran hindert, den Anschein von Normalität zu erleben. Ein so desolater Stand der Dinge birgt unvermeidlich eine Myriade an sozialen Gefahren und wirft einen dunklen Schatten auf die Struktur der Gemeinschaft“, warnt Jahan-e Sanat die Amtsträger.