Thursday, March 28, 2024
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Detaillierte Informationen zur Verbreitung des Coronavirus in iranischen Gefängnissen – Alarmierende Situation für politische Gefangene

Am 12. März 2020 hielt die Vereinigung der akkreditierten Korrespondenten bei den Vereinten Nationen (ACANU) eine Pressekonferenz ab, in der ein Bericht über die aktuelle Lage in Bezug auf den Coronavirus im Iran vorgestellt wird.

Der Bericht wurde von Duzenden iranischen Experten, Ärzten und medizinischen Mitarbeitern in Europa, den USA, Kanada und Australien verfasst und von den Journalisten präsentiert. Der Bericht basiert auf den Informationen, die aus dem Iran vorliegen.

Die Redner zeigten auf, wie die iranischen Machthaber durch Vertuschungen und fehlende Transparenz dafür gesorgt haben, dass der Coronavirus zu einer menschlichen Katastrophe wurde.

Der Bericht wurde auch an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gesendet, damit das wahre Ausmaß der Katastrophe auch dort bekannt ist und damit sie die aktuellen Zahlen über Todeszahlen und infizierte Regionen erhält und welche Gründe hinter der Verbreitung der Krise im Iran stehen, wie das Regime reagiert hat und welche Aussichten es im Hinblick auf das Virus gibt.

Geheime und exklusive Berichte aus verschiedenen iranischen Gefängnissen zeigen zudem die kritische Situation der Gefangenen und insbesondere der politischen Gefangenen auf. Auch sie wurde der Öffentlichkeit präsentiert.

Javaid Rehman, der UN Sonderbeauftragte für die Menschenrechtslage im Iran, erklärte am 9. März:“ Aktuelle Berichte deuten darauf hin, dass sich der COVID-19 Virus in iranischen Gefängnissen ausbreitet.“

Aussagen von Behzad Naziri, Nationaler Widerstandsrat Iran

Unsere Forschungen und Informationen basieren auf Berichten aus den Krankenhäusern, den medizinischen Zentren und Ärzten im ganzen Iran sowie auf internen Berichten durch iranische Behörden und auf Informationen öffentlicher Einrichtungen.

Sie deuten darauf hin, dass die Coronavirus Krise im Iran weit schlimmer und verbreiteter ist, als es das Regime zugibt.

Meine Aussagen heute bestehen aus zwei Teilen: Der erste Teil erklärt, wie die politischen Kalkulationen des Regimes und seine komplette Inkompetenz zu dieser aktuellen Tragödie führten.

Im zweiten Teil möchte ich ihnen spezifische Informationen über die Gefängnisse im Iran mitteilen und darauf hinweisen, dass eine humanitäre Tragödie auch hier bevorsteht, wenn nicht sofort etwas unternommen wird.

Hier einige Punkte:

• Stand letzte Nacht sind mindestens 3300 Iraner am Coronavirus gestorben. Die Opfer sind in 140 Städten des Iran in allen 31 Provinzen des Landes zu finden. Dies ist 10x so hoch wie die offiziellen Zahlen, die aus dem Iran berichtet werden.

• Widersprüchlich Aussagen einiger iranischer Vertreter, die vor allem in der letzten Woche gemacht wurden, deuten die wahren Dimensionen der Katastrophe an. All diese Vertreter, welche diese Aussagen machen, wurden später dazu gezwungen, davon Abstand zu nehmen.

• Iranische Ärzte, Krankenschwestern und medizinisches Personal haben einen Mangel an notwendiger Ausrüstung zu ihrem eigenen Schutz. Sie gehen ein großes Risiko ein, wenn sie in den Krankenhäusern der Opfern des Coronavirus helfen. Bisher sind 100 Ärzte, Krankenschwestern und medizinische Mitarbeiter bei ihren Bemühungen gestorben.

• Der Hauptgrund für die schnelle Verbreitung des Coronavirus in einem derart hohen Ausmaß liegt an den politischen Überlegungen des Regimes und sein Versäumnis, zeitnah die Öffentlichkeit zu informierten. Zudem ist es im Umgang mit der Krise inkompetent.

• Die fehlende notwendige Antwort und das Scheitern, Ghom unter Quarantäne zu setzen, welches das Epizentrum der Coronavirus Infektion ist, hat den Covid19 in weitere 15 Länder verbreiten lassen, wo Iraner oder Personen, die aus dem Iran reisten, die Krankheit in die entsprechenden Länder brachten.

• Intensive Kontakte mit China werden aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Erwägungen weiterhin aufrecht erhalten, obwohl der Virus von dort kommt. Als es die ersten Anzeichen eines Ausbruchs des Virus in Ghom gab, haben die Behörden es abgelehnt, die Stadt unter Quarantäne zu setzen und somit konnte sich das Virus schnell im Land verbreiten.

• Ein entscheidender Unterschied zu anderen Ländern und dem Iran ist, dass das Regime nationale Sicherheitsinteressen und sein eigenes Überleben vor die Information der Öffentlichkeit über diese Krise setzt.

• Um die Veröffentlichung der wahren Todeszahlen zu verhindern, hat der Generalstaatsanwalt des Regimes, Mohammad Jafar Montazeri, in einer Erklärung davor gewarnt, dass:“

Alle Kommentare bezüglich des Coronavirus außerhalb der offiziellen Kanäle einen Bruch der nationalen Sicherheit und der nationalen Interessen darstellen. Wer dagegen verstößt, der wird mit den entsprechenden Gesetzen verfolgt werden.“

Montazeri ergänzte, dass eine Veröffentlichung der Statistiken zum Coronavirus „die öffentliche Ordnung stören und die psychologische Sicherheit der Gesellschaft unterwandern“ und dass dies „ein krimineller Akt ist, welcher unter Paragraph 286, 698 und 746 des islamischen Strafrechts“ mit „schweren Konsequenzen“ bestraft wird.

• Die Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) haben eine zentrale Rolle gespielt. Das Ministerium für Geheimdienste und Sicherheit (MOIS) und der Geheimdienst der IRGC arbeiten aktiv daran, dass akkurate Berichte nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Das Hauptquartier der IRGC hat alle Divisionen und Hauptquartiere der IRGC in den Provinzen angewiesen, dass sie bei den Krankenhäusern und den medizinischen Zentren präsent sind und dort die Berichte über die Zahl von Patienten, Infizierten und Todesfällen durch den Virus kontrollieren. Laut eines Berichtes, den wir aus dem Iran erhalten haben, hat der Gesundheitsminister bei einem Treffen des Obersten Sicherheitsrates am 22. Februar zur Quarantäne der Stadt Ghom aufgerufen, doch der Leiter des Geheimdienstes der IRGC, Hossein Taeb, hat dies abgelehnt und die Fluglinie der IRGC, die Mahan Air, flog bis vor einigen Tagen noch mit Passagierflügen nach China fort.“

• Aufgrund des Zurückhaltens von Material und des Mismanagement haben die Krankenhäuser einen Mangel an notwendiger Ausrüstung und Einrichtungen, um gegen die Katastrophe anzukämpfen. Die oberste Priorität war politischer Natur und nicht medizinische Hilfe.

Die medizinischen Einrichtungen werden alle von der IRGC kontrolliert und Mitglieder der IRGC und Kleriker, die zum Regime gehören, erhalten eine bevorzugte Behandlung in gut ausgerüsteten Krankenhäuser und Kliniken.

Ein besonderer Aspekt, der in der sehr schweren Lage kaum thematisiert wird, ist die Lage in den iranischen Gefängnissen.

Der Nationale Widerstandsrat Iran hat einen detaillierten Bericht über die Verbreitung des Coronavirus in iranischen Gefängnissen veröffentlicht. Wenn sie diesen haben möchten, kann ich ihnen eine Kopie davon zukommen lassen.

Auf der Grundlage von Augenzeugenberichten aus allen großen Gefängnissen im Iran stehen die Gefangenen – und allen voran die politischen Gefangenen – vor einer großen Gefahr.

Ihr Schicksal muss umgehend verhindert werden.

Laut dieser Berichte befindet sich das Coronavirus bereits im Gefängnis des Großraums Teheran, im Rajaii-Shahr (Gohardasht-Karaj), Karaj Zentral, Qezel Hesar, Urmia, Sheiban und Kashan Gefängnis.

Die Gefangenen haben weder Atemschutzmasken noch Desinfektionsmittel. Einige Gefangene im Zentralgefängnis von Karaj haben keine Zellen mehr und werden im Hof des Gefängnisses fest gehalten.

Der Mangel an Hygiene steigt, weil nun politische und gewöhnliche Strafgefangene zusammen mit Drogenabhängigen gehalten werden.

Laut Berichten von Angehörigen von Gefangenen hat das iranische Regime das Coronavirus genutzt, um den Druck zu erhöhen und über diesen Weg sogar politische Gefangene zu beseitigen. Die offizielle Erklärung der temporären Entlassung von Gefangenen betrifft nicht die politischen Gefangenen.

Im berüchtigten Evin Gefängnis im Norden von Teheran gibt es infizierte Gefangene in Zelle 4,7 und 8. Ein Gefangener in Zelle 4 ist am Coronavirus gestorben. Es gibt keine Informationen über einige politische Gefangene, die in diesem Gefängnis inhaftiert sind.

Gefangene aus Gewissensgründen in Ahvaz, Zahedan, Qouchan und Sanandaj sind mit dem Coronavirus infiziert.
Mehrere Menschen, die während der landesweiten Anti – Regimeproteste im November verhaftet wurden, sind in akuter Gefahr.

Die 5. Sektion des Gefängnisses im Großraum Teheran ist zum Beispiel mit Gefangenen belegt, die im November 2019 inhaftiert wurden. Mehrere von ihnen sind bereits mit dem Coronavirus infiziert worden.

Stand Sonntag abend, 1. März, waren mehr als 40 Insassen der 5. Sektion in dem Krankenhaus des Gefängnisses wegen der Infektion in Quarantäne.

Die feindliche Haltung der Wärter und die Anweisung der Justiz, Gefangene zeitweise nicht frei zu lassen, setzt die Gefangenen unter einer großen Gefahr, infiziert zu werden.

Am 28. Februar rief Amnesty International zu dringenden Aktionen auf, um das Leben von drei Demonstranten zu retten, die an den Aufständen im November teil nahmen. Es handelt sich um Amir Hossein Moradi, Saeed Tamjidi und Mohammad Rajabi.

Die Organisation ergänzte, dass sie nach einem ungerechten Prozeß in Haft sitzen und dort gefoltert wurden.
Amir Hossein Moradi (25) wurde zum Tode verurteilt.

Er ist in Zelle 2 des Fashfouyeh Gefängnis in Teheran mit dem Coronavirus infiziert worden.

Die Zelle wurde nicht desinfiziert und es gibt keine medizinische Ausrüstung und auch keine Medikamente für die Gefangenen. Moradi wurde in das Chomeni Krankenhaus nach der Infektion verlegt und kam dann wieder ins Gefängnis zurück. Er ist nun an einem unbekannten Ort. Er leidet an Lähmungen und sein Immunsystem ist sehr schwach. Seine Zelleninsassen sind alle unter Quarantäne. 

Mindestens sieben Insassen sind im Qezel Hesar Gefängnis in Karaj mit dem Virus infiziert worden. Die Leitung hat nicht nur abgelehnt, sich um sie zu kümmern, sondern sie haben auch alle Informationen über ihren Zustand verweigert.

Die Identitäten von drei Infizierten sind Saeid Hemati, Meisam Monouri und Mohammad-Hessam Rahimi.
Gefangene, die unter den Verdacht stehen, mit dem Coronavrus infiziert zu sein, werden in öffentlichen Zellen im Rajai-Shahr Gefängnis in Karaj fest gehalten.

Meine Damen und Herren,
wir fordern, dass durch die inhumanen Bedingungen in den Gefängnissen die Gefangenen und vor allem die politischen Gefangenen ohne Kautionen oder andere Bedingungen frei gelassen werden. Ansonsten wird der Ausbruch des Coronavirus zu einer humanitären Katastrophe in den Gefängnissen führen.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Hochkommissar für Menschenrechte, die Weltgesundheitsorganisation und andere internationale Menschenrechtsorganisationen sollten ihr Augenmerk auf die katastrophale Situation im Iran legen.

Sie müssen das Regime dazu zwingen, alle Fakten und Daten bezüglich des Ausbruchs von COVID-19 im Iran auf den Tisch zu legen und sie den relevanten internationalen Organisationen zukommen zu lassen, damit das Leben des iranischen Volkes und der Völker in der Region geschützt wird.

Aussagen von Parvaneh Tarverdian

Ich war unter den 68 Ärzten, Krankenschwestern und medizinischen Mitarbeitern, welche den Bericht über die Verbreitung des Coronavirus im Iran verfasst haben. Der Bericht wurde gestern an den Direktor der WHO versendet.

Es ist eine Studie, die aufzeigt, wie der Virus in den Iran gelangte, wie seine Existenz vom Regime wegen politischer Gründe versteckt wurde und wir er sich von Ghom aus in das Land verbreiten konnte und wie er von dort aus den Weg in mindestens 14 weitere Staaten fand, weil das Regime den Ausbruch des Virus verleugnet und vertuscht hat.

Unsere Kollegen im Iran betonen, dass der Hauptgrund für die schnelle Verbreitung des Coronoavirus in diesem Ausmaß mit politischen Überlegungen des Regimes und fehlenden zeitnahen Veröffentlichungen zusammen mit der Inkompetenz beim Regeln der Krise verbunden ist. Sie betonen auch, dass die Behörden ihre Entscheidungen nicht auf einer professionellen Basis sondern vielmehr auf politischen Erwägungen und Eigeninteressen getroffen haben.

Unter diesen Bedingungen loben wir die Weltgesundheitsorganisation, dass sie eine Mission in den Iran entsendet hat, um unseren Landsleuten zu helfen. Wir sind in tiefer Sorge, dass die Mission ihre Aufgaben nicht vollständig erledigen kann, weil das Regime die Fakten verleugnet. Unser Bericht betont daher:

– Die schnelle und weitreichende Verbreitung des Coronavirus und die extrem hohe Zahl an Opfern in einer kurzen Zeit hätte vermieden werden können.

Der Hauptgrund für die Verbreitung des Virus waren der fortgesetzte Kontakt mit China während des Ausbruchs in diesem Land und die fehlende Isolation von Ghom sowie fehlende öffentliche Aufrufe, weil es politische Überlegungen gab.

– Aufgrund des Hortens von Materialien und dem Mismanagement leiden die Krankenhäuser unter notwendigem Material und Einrichtungen, um die Katastrophe einzudämmen.

Die medizinischen Einrichtungen werden ausschließlich von den Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) kontrolliert. Gut ausgerüstete Krankenhäuser und Kliniken behandeln Regimevertreter, IRGC Mitglieder und Kleriker, die mit dem Regime in Verbindung stehen.

– Das Vertuschen der Fakten und die unterdrückenden Maßnahmen haben das große Ausmaß der Katastrophe verursacht.

Das Regime lehnt es ab, die wahren Zahlen über Infizierte und Tote zu veröffentlichen. Die Hauptaufgabe der IRGC und der anderen Kräfte sind unter diesen Umständen, die Kontrolle über die Gesellschaft zu behalten und alle möglichen öffentlichen Proteste zu verhindern.

Wir rufen die WHO auf, notwendige Maßnahmen einzuleiten, damit die Bemühungen des Gremiums überwacht werden und dass sie die Welt darüber informieren, dass das Regime die Fakten zurück hält.

Außerdem sollen Maßnahmen unternommen werden, welche die Öffentlichkeit über Kanäle informiert, die unabhängig von Regime sind.

Hunderte iranische Ärzte und Mitarbeiter im medizinischen Bereich sind bereit, mit der WHO auf allen möglichen Wegen zu kooperieren.