Friday, March 29, 2024
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Europa muss aufhören, zu leugnen, dass der Iran zugegeben hat, nach Atomwaffen zu streben


Von: Alejo Vidal Qadras

Bei den letzten Gesprächen in Wien haben die europäischen Unterzeichner des Gemeinsamen Umfassenden Maßnahme-Plans dem Iran einen „Fahrplan” [roadmap] vorgelegt über die Sanktionen, die die USA aufzuheben planen, wenn der Iran zurückkehrt zur Einhaltung des Atomabkommens. Der Vorschlag wurde von den USA über deren europäische Partner eingebracht.
Der Beginn einer Anreicherung um 60 Prozent erfolgte fast unmittelbar, nachdem eine Explosion in der Einrichtung Natanz die Verletzlichkeit des Regimes bloßgestellt hatte. Aber eben diese iranische Eskalation bestätigte wirkungsvoll, dass diejenigen Besorgnisse ja tatsächlich gut begründet waren, weil es keinen praktischen Grund für den Iran gibt, das Geld und die Mühe in die Anreicherung zu diesem Niveau hineinzustecken, wenn sein letztes Ziel nicht die Verfügung über Atomwaffen ist.
In diesem Sinn ist die Anreicherung um 60 Prozent nichts anderes als ein Eingeständnis der Lügen, die Irans Position bei den Verhandlungen zugrundeliegen, die zum JCPOA führten. Leider waren viele der westlichen Teilnehmer bei diesen Verhandlungen nur zu bereit, das Narrativ des iranischen Regimes zu akzeptieren, dass seine atomtechnischen Aktivitäten ausschließlich friedlicher Natur seien und sich auf Energiegewinnung und wissenschaftliche oder medizinische Forschung beschränkten. Das Ergebnis war, dass die Unterhändler sich mit einem Übereinkommen zufrieden gaben, das ernsthaftere Kritiker des iranischen Regimes als inadäquat und letztlich gefährlich betrachteten.
Der Nationale Widerstandsrat Iran hat Erklärungen abgegeben, die zu einer Überprüfung des Atomproblems aufforderten und betonten, dass das iranische Regime nur dann zu Zugeständnissen und zur Einhaltung ausländischer Erwartungen zu bringen ist, wenn es ernsthaftem und koordiniertem Druck ausgesetzt ist.
In der Vergangenheit mag es möglich gewesen sein, solche Erklärungen zu übergehen, weil sie von Exilgemeinschaften kommen, die mit dem Eintreten für Sanktionen und diplomatische Isolation nichts riskieren; es wurde aber sehr viel schwieriger, diese Argumentation durchzuhalten, als in den letzten Tagen von 2017 Bürger aus mehr als 100 iranischen großen und kleinen Städten einen Massenaufstand begannen, um ihre Regierung zu verurteilen und der Plattform der führenden konstituierenden Gruppe des NWRI, der Organisation der Volksmudschahedin des Iran (PMOI/MEK), den Rücken zu stärken.
Dieser Aufstand sollte für die westliche Politik zur Transformation Anstoß geben und dieser Anstoß sollte im Laufe der folgenden Jahre nur noch stärker geworden sein, als ein noch breiterer Querschnitt der iranischen Gesellschaft zwei weitere Massenaufstände und zahllose kleinere Demonstrationen organisierten, die die gleiche Stimmung gegen die Regierung zum Ausdruck brachten. Dabei ist bemerkenswert, dass diese Aufstände stattfanden lange nachdem die US Sanktionen wieder auferlegt worden waren und dadurch klarstellten, dass die Bevölkerung ihre Notlagen als Ergebnis der Selbstbedienungspolitik und der verschwenderischen Ausgaben für Projekte wie das Atomprogramm ansahen.
Die US Sanktionen waren in der Botschaft dieser Aufstände kein Faktor, weil die iranische Bevölkerung versteht, dass diese Sanktionen direkt auf die repressiven Autoritäten des Regimes zielen und normale Bürger nicht unmittelbar betreffen. Dies sollte den langen Weg zur Entkräftung der Argumente gehen, die europäische Politiker lange benutzt haben, um die USA zu einer Aufhebung der Sanktionen aufzufordern, besonders gegen den Rückschlag der Coronavirus Pandemie.

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In diesem Sinne sollte der Aktivismus des iranischen Volkes gleich neben dem derzeitigen Verhalten des iranischen Regimes stehen als Faktor für eine Revision der europäischen Politik. Der neueste Beschluss für eine Anreicherung auf 60 Prozent ist nicht das einzige Beispiel dafür, dass das Regime stillschweigend zugibt, dass die Verfügung über Atomwaffen sein wahres Ziel ist. Es hat das gleiche Eingeständnis schon zuvor gemacht damit, dass es Uranmetall produziert, eine Substanz, die eigentlich keinen anderen Zweck hat als den, als Schlüsselkomponente im Inneren eines nuklearen Gefechtskopfes zu dienen.
Es gab Zeiten, wo iranische Amtsträger ausdrücklich, nicht nur stillschweigend zugaben, dass sie verabredet haben, die westlichen Verhandlungspartner zu täuschen, und das zu dem besonderen Zweck, sich den Weg für den Erwerb einer Atomwaffe offenzuhalten.
Im Januar 2019 hat der Chef der Atomenergieorganisation des Iran in staatlichen Medien damit geprahlt, dass seine Institution die Internationale Atomenergie Organisation zu der falschen Überzeugung gebracht habe, dass die Vorschriften des JCPOA bezüglich der Arak Schwerwasseranlage erfüllt worden seien. Ali Akbar Salehi erläuterte das damit, dass Zement in Rohrattrappen gegossen und in den nuklearen Monitoren geänderte Fotos präsentiert worden seien und dass das Regime damit die Deaktivierung des Kerns der Anlage habe umgehen und sich den Weg über Plutonium zu einer Atomwaffe habe offen halten können.
Im November des gleichen Jahres fügte Salehi hinzu, dass Uran auch Gegenstand einer „Gegenmaßnahme“ sei, die es dem Regime erlaube, „in die Falle zu geraten“, zur Einhaltung der Beschränkungen gezwungen zu werden, die dieser Aktivität auferlegt worden sind. Das sollte für niemanden eine Überraschung gewesen sein, der beobachten konnte, wie schnell es die Anreicherung auf 20 Prozent aufgenommen hat und dann zu einer auf 60 Prozent aufrüstete, als es entschied, dass diese Verletzungen in seinem Interesse seien.
Obwohl klar ist, dass Teheran hofft, dass die letzte Eskalation Europa und die USA einschüchtern werde, so dass sie den Status Quo sofort wieder herstellen, müssen diese westlichen Mächte erkennen, dass sie, wenn sie sich dieser Strategie beugen, für die Zukunft noch mehr zu erwarten haben. Der richtige Kurs ist, entschieden auf die nukleare Drohung zu reagieren, die der iranische Minister für Nachrichtendienste im Februar ausstieß, als er sagte: „Diejenigen, die den Iran in diese Richtung drängen, tragen die Schuld“.
Die Europäische Union muss endlich klarstellen, dass ungeachtet, wie „gedrängt” oder zum Opfer gemacht der Iran sich zu fühlen behauptet, er seine eigenen Entscheidungen trifft und deren Folgen können nicht beiseite gefegt werden. Die teilweise Rücknahme der letzten Maßnahme durch das Regime können nichts an dem Tatbestand verkleinern, dass Teheran im Endeffekt zugegeben hat, dass es bestrebt ist, die Verfügung über Atomwaffen zu bekommen. Die westliche Politik muss dieser Drohung frontal begegnen.
Dr. Alejo Vidal-Quadras

Alejo Vidal-Quadras, Professor für Atom- und Kern-Physik, war Vizepräsident des Europäischen Parlaments von 1999 bis 2014. Er ist Präsident des International Committee In Search of Justice (ISJ) [Internationales Komitee für die Suche nach Gerechtigkeit]