Monday, October 2, 2023
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Iran: Zerstörung von Massengräbern zur Vertuschung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit

 

Aktuelle Berichte zeigen, dass das iranische Regime mit der Zerstörung von Massengräbern am Khavaran Friedhof fortsetzt. Dies gehört zu einem größeren Muster der Zerstörung von Beweisen über das Massaker von politischen Gefangenen, dass in wenigen Monaten in 1988 vollzogen wurde. Die Zerstörung betrifft auch nahegelegene Gräber von Mitgliedern der Bahai’i, dessen Angehörige in Khavaran zwangsbestattet wurden.

Solche Aktivitäten sind mehrfach von Menschrechtsverteidigern und politischen Gruppen verurteilt worden, doch die internationale Gemeinschaft hat ihnen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. 2017 hatten die Vereinten Nationen und Amnesty International gemeinsame Berichte veröffentlicht, in denen detailliert über die die Zerstörung von Massengräbern des Massakers von 1988 berichtet wurde. Sie reagierten damit auf mehrere Erklärungen, die vor der Vernichtung von Beweisen warnten, damit eine genaue Erhebung der Opferzahlen und der Identitäten der Opfer des Massakers schwieriger wird. Die Volksmojahedin Iran (PMOI/MEK) sind eine pro – demokratische Gruppe, welche davon ausgeht, dass mehr als 30.000 Gefangene durch sogenannte „Todeskomitees“ verurteilt und dann gehängt wurden. Das Ziel des Massakers war die Vernichtung der Opposition zum Regime.

VIDEO: Die vergessene Geschichte des Massakers von 1988 im Iran

Der Bericht der UN von 2017 über die Menschenrechtslage im Iran zeigt auch, dass im März 2017 Angehörige der Opfer des Massakers eine Anlage besuchten, wo „bis zu 170 politische Gefangene liegen könnten“ und sie fanden heraus, dass „das vorher brachliegende Gebiet nun mit Erde bedeckt und Hügel über die Gräbern errichtet wurden. Mitte Mai wurden Bulldozer dabei beobachtet, wie sie an einem Bauprojekt arbeiteten, das direkt an den Massengräbern in Ahvaz liegt…Dort liegen voraussichtlich die Überreste von mindestens 44 Menschen, die im Sommer 1988 hingerichtet wurden. Der Plan ist, Beton über die Gräber zu legen und eine „Grünfläche“ zu errichten, die für die wirtschaftliche Entwicklung genutzt werden kann.“

Ähnliche Projekte wurden an mehreren anderen Orten zu verschiedenen Zeiten beobachtet. Sie sind ähnlich denen aus dem Bericht von 2017 und vor allem vor dem 30. Jahrestag des Massakers wurden die Arbeiten intensiviert. Teheran verbot alle Trauerzeremonien und Gedenkaktionen an den entsprechenden Orten, doch Mitglieder der MEK und Überlebende des Massakers von 1988 haben sich diesen Verboten widersetzt, um an diejenigen zu erinnern, die damals hingerichtet wurden und um eine Verfolgung der Verantwortlichen einzufordern. Bis heute ist kein Verantwortlicher für das Massaker zur Verantwortung gezogen worden, im Gegenteil, viele der damals beteiligten Vertreter des Regimes sitzen heute noch in einflussreichen Posten in der Regierung oder haben einen großen Einfluss in privaten Großunternehmen.

Sowohl der Vorsitzende der iranischen Justiz als auch der Justizminister sind frühere Mitglieder der Todeskomitees von 1988 und daher haben sie ein großes Interesse, die Gedenkfeiern zu verhindern und generell jeden Dissens zum Regime oder eine Unterstützung der MEK zu unterdrücken. Die Konsequenzen dieser Situation waren Anfang 2018 und Ende 2019 sichtbar, als der Iran durch zwei landesweite Aufstände erschüttert wurde, für die das Regime die Führung der MEK verantwortlich machte. Der erste Aufstand wurde nach rund einem Monat und nach Duzenden Toten durch Schüsse und Folter nieder geschlagen, der zweite Aufstand wurde noch brutaler nieder geschlagen, nachdem die Revolutionsgarden (IRGC) in die Menge schossen und dabei nach Schätzungen 1500 friedliche Demonstranten erschossen wurden.

Erinnerung an den landesweiten Aufstand im November 2019 nach einem Benzinpreisanstieg

Kritiker der Politik des Westens gegenüber dem Iran weisen darauf hin, dass solches Vorgehen deshalb möglich ist, weil das Regime eine Art Straffreiheit erwartet, da es bereits bei früheren Menschenrechtsverbrechen und vor allem bei dem Massaker von 1988 straffrei davon kam. Aktivisten der MEK im Exil haben Politiker in den USA und Europa darauf aufmerksam gemacht, dass das Massaker von damals immer noch fortgesetzt wird, doch in den meisten Fällen war ihre Reaktion Stille und nur sehr schwach, weil die westlichen Regierungen zu scharfe Kritik gegen das Regime vermeiden wollen und weil sie davon ausgehen, dass man damit die sogenannten moderaten Kräfte im Regime stärken kann.

„Eine der schlimmsten Konsequenzen der Beschwichtigungspolitik war, dass die herrschenden Mörder straffrei mit ihren Verbrechen in den 80er Jahren davon kamen, vor allem bei dem Massaker von 1988, welches bis heute fortgesetzt wird“, twitterte am 25. April 2021 Maryam Rajavi, die gewählte Präsidentin des NWRI und zitierte damit ihre frühere Rede über das Massaker von 1988.

Die Aufgabe, die westlichen Politiker auf das Massaker aufmerksam zu machen, startete die MEK bereits einige Wochen nach dem Ende Massaker und sie wird auch die Aufgabe weiter führen, die Orte der Massengräber ausfindig zu machen. Mittlerweile sind an mindestens 30 verschiedenen Orten Massengräber gefunden worden. Es ist unklar, wie viele weitere Massengräber seit ihrer Identifikation zerstört wurden und es ist unklar, wie viele Gräber bereits zerstört wurden, bevor sie entdeckt werden konnten. Amnesty International und anderen Menschenrechtsverteidiger haben jedenfalls mehrfach deutlich gemacht, dass es kaum zu erwarten ist, dass die Zerstörung der Gräber in naher Zukunft beendet wird, so lange die Kräfte im Iran dabei nicht durch die internationale Ebene gestoppt werden.

Die Aussicht auf eine solche Konfrontation wurde dem Regime in einem Brief vom September 2020 deutlich gemacht, der von sieben UN Menschenrechtsexperten unterschrieben wurde, in dem Teheran aufgefordert wurde, dass Massaker und seine Nachwirkungen anzuerkennen. Der Brief wurde im Dezember öffentlich gemacht, nachdem das Regime eine Antwort verweigerte und damit signalisierte, dass es weiterhin nicht gewillt ist, die ungeklärten Fragen zu beantworten, die Aktivisten der MEK und Angehörige der Opfer stellen.

Der Brief der Experten gibt zu, dass das Verhalten des Iran auch durch eine fehlende internationale Antwort resultiert, nachdem das Massaker zum ersten Mal bekannt wurde. Zu diesem Scheitern heißt es: „Dies hatte vernichtende Auswirkungen auf die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer und auf die generelle Menschenrechtslage im Iran. Sie hat den Iran ermutigt, das Schicksal der Opfer zu vertuschen und eine Strategie der Täuschung und Leugnung einzusetzen, die bis heute anhält.“

Doch durch das Anerkennen der Fehler und dem Hinweis, dass internationale Maßnahmen kommen könnten, wenn Teheran sich weiterhin weigert, sieht Amnesty International den Brief der UN Experten als „wichtigen Durchbruch“ und „Wendepunkt“ an. Es bleibt abzuwarten, ob die Vereinten Nationen nun ihr Potential nutzen und ob seine führenden Mitgliedsstaaten bereit sind, aktiv für eine Anklage vor dem internationalen Gerichtshof zu werben, damit dieser das Massaker von 1988 und seine drei Jahrzehnte der Vertuschung aufarbeiten kann.