Thursday, March 28, 2024
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Globales Bewusstsein für das 1988-Massaker im Iran wächst, aber die Rechenschaftspflicht bleibt offen

In einem Bericht über die Menschenrechtslage im Iran an die UN Vollversammlung hat der UN Generalsekretär Antonio Guterres erneut betont, dass weiterhin niemand für das Massaker von 1988 an politischen Gefangenen zur Rechenschaft gezogen wurde, obwohl aktuelle Themen dies wieder in den Fokus rücken.
Teheran hat bisher formal nicht das Ausmaß des Massakers bestätigt und einige Vertreter des Regimes haben es als Maßnahme zur Auslöschung der pro – demokratischen Oppositionsgruppe der Volksmojahedin Iran (PMOI/MEK) offen verteidigt. Um in dieser Angelegenheit keine Klarheit zu erhalten, haben die Behörden des Regimes seit geraumer Zeit versucht, Beweise über Massengräber zu zerstören und die Angehörigen der Opfer unter Druck gesetzt. Bemühungen zum Gedenken an die Toten oder die Täter des Massakers zur Rechenschaft zu ziehen, wurden kriminalisiert.

Iran: Das Massaker von 1988 an politischen Gefangenen und die Zerstörung der Massengräber

Beide Phänomene können in dem Bericht des UN Generalsekretärs gefunden werden. Namentlich genannt wird dort Maryam Akbari Monfared als eines der Opfer der Einschüchterungskampagne des Regimes. Frau Monafared bekam eine 15 Jahre lange Haftstrafe für ihre Teilnahme an den Anti – Regimeprotesten in 2009 und 2016 reichte sie eine offizielle Beschwerde bei der Justiz bezüglich des Massakers von 1988 ein, bei dem sie zwei Geschwister verlor. Seitdem ist sie mehrfach bedroht worden oder wurde von Gefängniswärtern misshandelt. Ihr wurde zudem medizinischer Urlaub, der Besuch von Angehörigen sowie andere Basisrechte verweigert.
Die Geschichte von Monfared ist nur eine von vielen und ihre Misshandlung ist auch nur ein Beispiel für die Strategien, die Vertreter des Regimes benutzen, um die Aufmerksamkeit gegenüber dem Massaker im In- und Ausland zu unterdrücken. Der UN Menschenrechtsbericht erwähnt auch die Vernichtung von Massengräbern wie in Khavaran, „wo vermutet wird, dass dort die Überreste von Opfern von Entführungen und Massenhinrichtungen im Sommer 1988 liegen“.
Die MEK war das primäre Ziel des Massakers von 1988 und sie hat mittlerweile Massengräber in mindestens 36 Städten identifiziert, doch weder der UN Menschenrechtsrat noch ein anderes internationales Gremium hat bisher eine Untersuchung begonnen, um dies zu bestätigen oder um die Erkenntnisse zu ergänzen. Amnesty Internationale warnte bei mehreren Gelegenheiten, dass das Regime die Orte der Massengräber einebnet und große Strukturen auf ihnen errichtet, was es sehr schwer macht, das exakte Ausmaß des Massakers zu ermitteln.
Die iranischen „Todeskomitees“ wiesen die Ausführung von 30.000 Hinrichtungen in einem Zeitraum von drei Monaten in 1988 an. Einige Überlebende des Massakers gehen von höheren Zahlen aus und verweisen dabei darauf, dass viele Zellen komplett leer waren und dass niemand übrig blieb, der sagen konnte, was an den verschiedenen Orten geschah.

Das Massaker von 1988 an politischen Gefangenen im Iran – Die Todeskomitees – 5. August 2021

Einer der wenigen Überlebenden, Mahmoud Royaei, sagte im letzten Monat in einer Videoerklärung:“ Viele Forscher im Iran…sagen, dass die Zahl größer als 30.000 war. Der stellvertretende Geheimdienstminister zu dieser Zeit, Reza Malek, nannte die Zahl 33.700“. Das Video ist im letzten Monat auf der offiziellen Webseite des Nationalen Widerstandsrates Iran erschienen und zusammen mit ihm Duzende andere Videos von früheren politischen Gefangenen, welche direkt bei den Ereignissen in 1988 dabei waren.
In der letzten Woche hat der NWRI eine virtuelle Konferenz veranstaltet, in der mehr als 1000 frühere politische Gefangene zusammen mit einer Reihe von europäischen Politikern und Experten für Menschenrechte und internationales Recht diskutierten. Die Veranstaltung und seine Redner riefen zu internationalem Handeln auf. Dies war noch vor der Präsentation von Guterres vor der UN Vollversammlung, welche erneut die internationale Frage bei diesem Fall aufgriff.
Maryam Rajavi, die gewählte Präsidentin des NWRI, sagte bei einer Rede auf dieser Konferenz:“ Ich rufe erneut die USA und Europa auf, das Massaker von 1988 als einen Genozid und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuerkennen.“

Das Massaker von 1988 an politischen Gefangenen im Iran: Augenzeugenbericht Mahmoud Royaei

Eric David von der Universität in Brüssel und Geoffrey Robertson, ein britischer Menschenrechtsanwalt, nannten das Massaker von 1988 einen Genozid. Beide Männer unterstrichen, dass das Massaker die offiziellen Kriterien für einen Genozid insofern erfüllt, dass seine Motivation darin bestand, diejenigen auszulöschen, die an eine moderate und apolitische Form des Islam glaubten, die im Gegensatz zu dem theokratischen System stand.
Robertson zitierte aus der Fatwa, welche die Anweisung zu dem Massaker darstellte und in der der Gründer des Regimes, Ruhollah Chomeini, die PMOI beschuldigte „als Feinde von Gott“ schuldig zu sein. Er wies die Todeskomitees an, mit „revolutionärer Wut und Groll diese Feinde des Islams zu töten“.
„Es waren also religiöse Gründe“, sagte Eric David, „welche für das Massaker an politischen Gefangenen verantwortlich waren. Es war ein Massaker an Menschen, die an eine Religion glauben und die als Abtrünnige angesehen wurden. Damit passen sie perfekt in die Definition von Artikel 2 der Genozid – Konvention von 1948.“
Robertson zitierte in seiner Rede den Teil dieser Konvention und nannte ihn die Grundlage für das Handeln der internationalen Gemeinschaft. Er beschrieb die Verpflichtung aller Nationen, die dieses Dokument ratifiziert haben, zu handeln, um fortgesetzte Akte des Genozids zu stoppen und Verantwortliche zur Verantwortung zu ziehen. Seine Aussagen machen erneut darauf aufmerksam, dass die internationale Gemeinschaft sich ihrer Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Menschenrechtsprinzipien bewusst ist und dass die Ermordungen von 1988 zwar bekannt sind, aber diese nicht aufgearbeitet wurden.

Internationale Konferenz mit 1.000 früheren politischen Gefangenen

Diese Inaktivität wurde im letzten Jahr auch in einem Brief von sieben UN Menschenrechtsexperten an das iranische Regime in einem formellen Akt beschrieben. Dort werden die Einschüchterungen und die Zerstörung von Massengräbern thematisiert, die auch im Bericht des UN Generalsekretärs auftauchen und es wird betont, dass das iranische Regime eine neue Politik der Transparenz und der Art der Kooperation mit internationalen Untersuchungen zum Massaker benötigt.
Natürlich ist die Bitte an das Regime, Transparenz über das Massaker von 1988 zu zeigen, in etwa so, wie einen Brandstifter zu bitten, das Feuer zu löschen, was er gelegt hat. Die Autoren zeigen in dem auch Brief die Skepsis darüber, dass Teheran gewillt ist, die Aufforderung anzunehmen und sie signalisieren, dass das Dokument veröffentlicht wird, damit die internationale Gemeinschaft handelt, wenn Teheran keine Antwort gibt, was auch nicht geschah.
Der Brief weist auf eine mögliche formelle Untersuchung des Massakers von 1988 als einen Weg der Aufarbeitung eines „Scheiterns des Handelns“ hin, welche „einen verheerenden Effekt auf die Überlebenden und Angehörigen von Opfern sowie für die generelle Menschenrechtslage im Iran hatte. Sie ermutigte das Regime…eine Strategie der Täuschung und Leugnung aufrecht zu erhalten.“
Eine Konsequenz dieser Strategie besteht darin, dass Teheran keinerlei Gründe hat, die bekannten Verantwortlichen des Massakers von 1988 zur Rechenschaft zu ziehen. Viele von ihnen besetzen heute hohe Positionen im Regime und das ist sicher auch so, weil es glaubt, dass das Ausland und die Vereinten Nationen nicht handeln werden. Dieser Gedanke der Straffreiheit wurde im Juni besonders deutlich, als Ebrahim Raisi, einer der vier Vertreter des führenden Todeskomitees von 1988, als neuer Präsident des Regimes bestätigt wurde.
Die Ernennung von Raisi zum Präsidenten sowie sein vorheriger Posten als Chef der Justiz macht deutlich, dass Menschenrechtsverletzer im Iran niemals zur Rechenschaft gezogen werden, solange sie nicht vor einem internationalen Gericht stehen oder eine demokratische Nation die universelle Rechtsprechung anwendet oder eine neue Regierung im Iran existiert, welche nach dem Sturz der Mullahs gegründet wird.