Tuesday, May 30, 2023
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Interview mit Bundesaußenminister Steinmeier zum iranischen Atomprogramm

Interview mit Bundesaußenminister Steinmeier zum iranischen Atomprogramm ARD-Tagesthemen – Steinmeier: Die jüngste öffentliche Äußerung des iranischen Präsidenten Ahmadinejad ist eine Provokation, die wir aufs Schärfste zurückweisen müssen. Und natürlich steigt unsere Besorgnis, was die Entwicklungen im Iran angeht.

Frage: Glauben Sie, dass der Iran wirklich schon die Technologie der Urananreicherung beherrscht?

Antwort: Wir wissen es nicht. Aber was wir sagen können, (ist), dass die Ankündigung vom heutigen Tage eine erneute Provokation ist – und gerade an einem Tage, an dem wir wissen, dass eine Kontrolldelegation der Internationalen Atomenergiebehörde unter Leitung ihres Direktors, Herrn El Baradei, in den Iran fährt, um dort Erkundigungen, Informationen einzuziehen. Diese Ankündigung, das ist eine erneute Provokation, die wir nicht nur zurückweisen müssen, sondern die unsere Sorgen in der Tat vertieft.

Aber was der Iran tut, befindet sich im Rahmen des Erlaubten. Unterstellen Sie Teheran nicht böse Absichten?

Na ja, wir haben den bösen Schaden nicht erweckt, sondern im Jahre 2003 … ist der Verdacht entstanden, dass der Iran hier möglicherweise seit 18 Jahren schon an Forschungen sitzt, Forschungen betreibt, die mindestens die Möglichkeit enthalten, dass hier auch ein nukleares Waffenprogramm entwickelt wird. Der Iran ist damals aufgefordert worden, diesen Verdacht zu beseitigen, Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Das ist bis zum heutigen Tage nicht geschehen, obwohl wir uns hier in Europa – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – über zweieinhalb Jahre heftig bemüht haben, Klarheit in die Sache zu bringen. Es ist uns nicht gelungen. Und deshalb jetzt diese Fassung des Sicherheitsrates.

Angereichertes Uran kann man ja ohne Probleme auf dem Weltmarkt kaufen. Macht die Anreicherung für den Iran wirtschaftlich einen Sinn?

Das ist eine Frage, die wir immer wieder erörtert haben mit den iranischen Verhandlungsführern, den unterschiedlichsten in den letzten Jahren. Aus unserer Sicht würde der Verzicht auf die Anreicherung im eigenen Lande ein Glaubwürdigkeitsbeweis sein, ein Aspekt jedenfalls, bei dem wir darauf vertrauen könnten, dass nukleare Waffenprogramme im Iran gegenwärtig nicht entwickelt werden. Ich kann nur noch mal sagen: Auch nach den Beratungen, die wir vergangene Woche, vorvergangene Woche hier in Berlin hatten …, wir sind interessiert an einer diplomatischen Lösung, an einer Verhandlungslösung. Insofern steht die Tür weiter offen. Aber was wir jetzt brauchen, ist ein Signal aus dem Iran, aus Teheran, das den Verzicht auf Anreicherungsaktivitäten bekannt gibt. Darauf warten wir. Der Schlüssel für diese Entscheidung liegt in Teheran. Und dort muss er gefunden werden.

Nun kam heute eigentlich das gegenteilige Signal. Und Ende April wollen die USA deshalb im Sicherheitsrat harte Strafmaßnahmen gegen den Iran beantragen. Ist solch ein hartes Vorgehen sinnvoll?

Das Signal aus Teheran geht jedenfalls, wie Sie völlig richtig sagen, in die verkehrte Richtung. Wir erwarten, dass die Verhandlungslösung ergriffen wird, die Voraussetzungen dafür wiederhergestellt werden. Wie genau die nächsten Schritte im Sicherheitsrat ausfallen werden, das ist zunächst einmal in der Pflicht der Sicherheitsratsmitglieder zu diskutieren. Und natürlich wird bereits darüber diskutiert. Dass das kein ganz einfacher Gang ist, zeigt der Entstehungsprozess der präsidenziellen Erklärung, die am 29.3. ergangen ist. Aber diesem schwierigen Diskussionsprozess müssen sich die Beteiligten im Sicherheitsrat – und so gewollt auch andere, die hinzugezogen werden, wie Deutschland – unterziehen.

Aber muss man da nicht bedächtig vorgehen, um in dieser Sache Russland und China auf der Seite zu haben?

Genau das tun wir, glaube ich. Und was sich ja herausgestellt hat, dass länger als manche und vielleicht auch länger als in Teheran erwartet worden ist, die internationale Staatengemeinschaft Geschlossenheit gezeigt hat. An dieser Geschlossenheit gilt es für die Zukunft festzuhalten.
(Tagesthemen, ARD, 12.04.2006)