Friday, March 29, 2024
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Iran’s Freispruch eines früher verurteilten Staatsanwaltes ist ein eklatantes Beispiel für Straffreiheit

Der oberste iranische Gerichtshof hat den Schuldspruch annulliert, der 2017 von einem Gericht in niedriger Instanz für Saeed Mortazavi ausgesprochen hatte. Der frühere Staatsanwalt aus Teheran hatte bereits 17 Monate seiner 2,5 Jahre langen Haftstrafe abgesessen und wurde im September 2019 entlassen. Es gab keine Anzeichen, dass er nun weitere Konsequenzen im Iran zu befürchten hat, obwohl drei Personen in seiner Zeit nach den Protesten von 2009 zu Tode gefoltert wurden.
Es gab zwar mehrere Aufrufe von westlichen Behörden, ihn außerhalb des Iran zu verhaften, doch dies betrifft nur seine Verantwortung für die Folterungen der iranisch – kanadischen Fotojournalistin Zahra Kazemi, die 2003 an den Folterungen starb. Die Entscheidung des obersten Gerichtshofs hat nun weitere Konsequenzen für ihn ausgeschlossen. Durch das Reinwaschen der Historie von Mortazavi ist nun die Tür für ihn offen, wieder eine ähnliche Position zu besetzen und es übersieht Entscheidungen von vier Instanzen über Folterungen bis zum Tode und viele andere Fälle, die nicht so breit veröffentlicht wurden. Es gibt schlicht und ergreifend keine plausible Erklärung, warum dieser Schritt zu diesem Zeitpunkt gemacht wurde. Die Aufhebung des Urteils mag zwar wenig praktischen Wert haben, weil er seine Strafe vor rund zwei Jahren fast abgesessen hat, aber die Entscheidung hat einen symbolischen Wert und die internationale Gemeinschaft sollte genau darauf schauen, was diese Symbolik bedeutet und erkennen, dass eine Reform unter diesem aktuellen Regime im Iran unmöglich ist.


Diese Nachricht wurde bereits im Juni deutlich, als Ebrahim Raisi zum neuen Präsidenten des iranischen Regimes ausgerufen wurde. Raisi ist für seine führende Rolle beim Massaker von 1988 an politischen Gefangenen bekannt, bei dem landesweit über 30.000 Menschen starben. Davor diente er als Chef der Justiz und war für diesen Posten vom obersten Führer ernannt worden. Raisi überwachte dort eine der schlimmsten Niederschlagungen von Dissidenten seit dem Massaker von 1988.

Wer ist Ebrahim Raisi, ein Kandidat bei der Präsidentenwahl im Iran und Hinrichter beim Massaker von 1988

Ein Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2020 mit dem Titel „Die Menschlichkeit mit Füßen getreten“ wird erklärt, wie Teilnehmer des Aufstandes vom November 2019 systematische über mehrere Monate lang gefoltert wurden und dass die zuständigen Behörden ihre Berichte an Raisi schickten. Der Nationale Widerstandsrat Iran berichtete zudem, dass innerhalb weniger Tage nach Ausbruch der Unruhen 1500 Menschen von den Islamischen Revolutionsgarden und anderen Sicherheitskräften im ganzen Land erschossen wurden.
Die Verbrechen und Verletzungen von Raisi in Vergangenheit und Gegenwart haben zu einer breiten Verurteilung seiner Ernennung zum Präsidenten geführt, dessen Amtseinführung in Teheran weitgehend ignoriert wurde. Einen Tag nach der Scheinwahl zum Präsidenten im Iran sagte die Generalsekretärin vom Amnesty International in einer Erklärung:“ Dass Ebrahim Raisi zum Präsidenten aufsteigen konnte, anstatt für seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mord, Entführungen und Folter untersucht zu werden, ist eine bittere Erinnerung daran, dass die Führung im Iran straffrei davon kommt.“

Im Monat darauf wiederholten In einer dreitägigen Konferenz über iranische Angelegenheiten die Vertreter des NWRI die langjährigen Aufrufe zur Gründung einer internationalen Untersuchung des Massakers von 1988. Politische Unterstützer aus dem Westen schlossen sich dem Aufruf des NWRI an und sagten, dass die Ernennung von Raisi und die Straffreiheit dahinter eine solche Untersuchung notwendiger denn je machen. Obwohl Mortazavi nicht dafür bekannt ist, eine wichtige Rolle beim Massaker von 1988 gespielt zu haben, zeigt die Entscheidung des Regimes, dass es ähnliche Taten weiterhin unterstützt und auf den globalen Aufschrei oder grundlegende Menschenrechte wenig gibt, so lange es dafür keine signifikanten politischen oder wirtschaftlichen Konsequenzen trägt.
Leider haben die Führung der EU und viele ihrer Mitgliedsstaaten bisher dem Regime nicht mit Konsequenzen gedroht. Sie fokussieren sich lieber auf die Rettung des Atomdeals von 2015, selbst wenn Teheran exzessive und nicht verhandelbare Forderungen vor der „Wahl“ von Raisi aufgestellt hat und auch, nachdem es diese Verhandlungen stoppte, während der Transformationsprozess zum neuen Präsidenten ablief.
Die steigende Härte im globalen Umgang durch das Regime ist nicht unerwartet, denn der oberste Führer Ali Khamenei hatte den Sieg von Raisi bereits lange vorher geplant und er schart nicht nur in der Regierung seine loyalsten Gefolgsleute um sich, von denen viele als Menschenrechtsverletzer bekannt sind. Zu diesen Gefolgsleuten zählt auch Gholamhossein Mohsen Ejei, der nun zum Nachfolger von Raisi als Chef der Justiz ernannt wurde. Nun könnte auch Mortazavi wieder eine hochrangige Position im Regime belegen, vielleicht als Gehilfe für den Chef der Justiz und seiner ausführenden Instanz, welche dann wieder alle möglichen Arten von Niederschlagungen ausführt, wenn weitere Proteste ausbrechen.

Neuer iranischer Justizchef Gholam Hossein Mohseni Eje’i: Ein Krimineller wie sein Vorgänger

Khamenei’s Schema wird durch den Fakt bekräftigt, dass das Regime keine Alternative zu gewaltsamer Unterdrückung hat, wenn es um den Umgang mit Dissidenten im Land geht und dies ist in den letzten Jahren noch deutlicher geworden. Der Aufstand vom November 2019 war der zweite dieser Art in weniger als zwei Jahren und selbst nach der Ermordung von 1500 Demonstranten gingen Iraner in großer Zahl im Januar 2020 auf die Straßen, um gegen die Vertuschung eines Raketenangriffes auf ein kommerzielles Flugzeug zu protestieren und auch dort wurde „Tod dem Diktator“ gerufen.
Obwohl weitere Proteste wegen der Coronavirus Pandemie in den folgenden Monaten rar waren, wies die gewählte Präsidentin des NWRI, Maryam Rajavi, auf Zusammenstöße zwischen Zivilisten und Sicherheitskräften in Sistan und Belutschistan hin und nannte sie „das Feuer der Aufstände“, welches seit Anfang 2021 wieder aufflammt. Die Proteste stiegen auch während der Präsidentenwahl wieder an, wo die Aktivisten der MEK zu einem Wahlboykott aufriefen und dies als eine „Stimme für den Regimewandel“ bezeichneten. Selbst laut der offiziellen Schätzungen Teherans hat die Mehrheit des Volkes abgelehnt, an der Wahl teil zu nehmen und der NWRI berichtete später, dass die wahre Wahlbeteiligung bei weniger als 10 Prozent gelegen hat.
Seit Raisi im Amt ist, sind die Proteste ausgeweitet worden, sowohl geografisch als auch in ihren Aussagen. Während sich einige Demonstranten auf spezielle Ereignisse wie Stromausfälle und Wassermangel konzentrieren, kommen bei anderen wieder die Anti – Regierungsslogans hinzu, die bereits im Januar 2018 und November 2019 gerufen wurden und auch neue Rufe wie „Wir wollen dieses Regime nicht mehr“ sind zu hören.

Rückblick auf die landesweiten Proteste vom November 2019 nach einer Erhöhung der Benzinpreise

Wenn die Europäische Union den Atomdeal sichern will, indem sie den Status Quo mit Teheran erhält, dann schaut sie mit einem blinden Auge auf die Forderungen der Bürger nach Freiheit und Demokratie sowie auf die gewalttätige Reaktion aus Teheran. Mit dem Freispruch von Mortazavi ist nun noch deutlicher geworden, dass Menschenrechtsverletzer niemals ernsthafte Konsequenzen im Iran zu befürchten haben. Es gibt keinen Hinderungsgrund für Sicherheitskräfte oder iranische Vertreter, nun wieder Anti – Regierungsdemonstranten auf den Straßen zu erschießen oder sie in den Gefängnissen des Regimes zu foltern oder nach unfairen Prozessen hinrichten zu lassen, wenn es dafür keine internationalen Konsequenzen wie zum Beispiel eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof gibt.