Friday, March 29, 2024
StartNachrichtenLeitartikel: Das iranische Regime startet ein Kabinettumbildungsspiel in der Verlängerung

Leitartikel: Das iranische Regime startet ein Kabinettumbildungsspiel in der Verlängerung

Die Nachrichten und Analysen im Medienumfeld des iranischen Regimes sind in diesen Tagen voll mit Beiträgen zu einem brandaktuellen Thema: Hassan Rohanis Kabinettsumbildung.

Eine Umbildung des Kabinetts ist ziemlich beispiellos in der Geschichte  des iranischen Regimes. Es gibt nur seltene Beispiele in den letzten 11 Regierungen der Mullahs, hauptsächlich wegen Konflikten und Streitereien innerhalb des Regimes und nicht als ein Ergebnis der Politik der jeweiligen Regierung, also eher etwas, das besser als ‚Neuzuweisung von Posten‘ bezeichnet werden sollte denn als Kabinettsumbildung.

Das Thema Kabinettsumbildung aufzuwerfen, ist in Diktaturen im Allgemeinen eine Reaktion auf bedrohliche Umstände wegen Entwicklungen im In- und Ausland und internationalem Druck. Die darauf folgenden Umbildungen in den letzten fünf Monaten des Shah-Regimes im Jahr 1979 sind ein klares Beispiel in dieser Hinsicht.

Eine nur zu wichtige Frage, die dabei zu beantworten ist: Wenn ein System es unterlässt, eine Änderung oder Verbesserung an seiner eigenen Struktur vorzunehmen, und stattdessen die ‚Reform‘-Karte zuhause und die ‚Beschwichtigungs‘-Karte nach außen ausspielt, wie kann es in der Verlängerung eine Gewinnkarte  aus seiner Trickkiste ziehen, indem es  einfach nur ein paar Teile hin- und herschiebt, die alle geschworen haben, dem velayat-e faqih-Prinzip (absolute Herrschaft des Klerus) als dem Grundfundament des Regimes gegenüber loyal zu sein?

Beiden: dem iranischen Volk und dem Mullah-Regime als den beiden extremen Enden im Spektrum des Iran ist eines ganz klar: der eruptive Zustand und der Verlauf der politischen und internationalen Entwicklungen bedrohen die Existenz des velayat-e faqih Regimes als solche. Diese einschüchternden Umstände, die unzweifelhaft  die wichtigsten Faktoren  dafür bilden, dass sich das Regime gezwungen sieht, sich einer lächerlichen Show der Kabinettsumbildung zuzuwenden – indem sie ein kleines Teil am Ende dieser Amtsperiode austauschen! – können in den folgenden drei wichtigen Entwicklungen zusammengefasst werden:

  1. Ein kompletter Regimewechsel ist es, was die allgemeine Öffentlichkeit im Iran verlangt, ein Verlangen, das von Tag zu Tag, von Woche zu Woche und von Jahr für Jahr stärker wird; ein Verlangen, von dem das iranische Volk niemals abgelassen hat und das es beständig in den Protesten und Aufständen lautstark zum Ausdruck gebracht hat.

Das ist eine Realität, die Rohanis Bürochef Vaezi  sich gezwungen sieht, als solche anzuerkennen, zumindest implizit: „Die Umstände erfordern es, das einige Mitglieder des Kabinetts, die vom Präsidenten unter normalen Verhältnissen berufen worden sind, ersetzt werden müssen“, so Vaezi mit dem Hinweis auf Rohanis Kabinettssitzung zusammen mit Khamenei .

  1. Im Hinblick auf die internationalen Faktoren haben die beiden Themen des Atomabkommens von 2015, genannt JCPOA, und die Menschenrechte das Mullah-Regime unumkehrbar unter außerordentlichen Druck gesetzt. Die beiden Krisen, die beide Ergebnisse der Kämpfe des iranischen Volkes und seines Widerstands sind, werden direkt verheerende Auswirkungen auf das Mullah-Regime in seiner Gänze haben.
  2. Konflikte zwischen rivalisierenden Gruppierungen innerhalb des Regimes haben die üblichen Grenzen der Häufung gesprengt und erstrecken sich jetzt auf die Grundlagen des Regimes, eine Entwicklung, die unzweifelhaft ein Ergebnis des ersten Faktors, nämlich der landesweiten Proteste ist.

Diese drei Tatbestände und Entwicklungen haben zusammengewirkt, um das ganze velayat-e faqih Regime immer tiefer in eine Identitätskrise zu stoßen. Das ist der Grund dafür, dass eine Kabinettsumbildung unter der Oberaufsicht von Khamenei  ansteht, um als Sicherheitsventil für die Ausdehnung der Lebensspanne des Regimes zu dienen.

Um die sogenannte Kabinettsumbildung umzusetzen, wird ein Paket mit der bekannten Kombination von Vulgarität, Lüge, Betrug und Täuschung aus der Trickkiste des Regimes gezogen mit dem Ergebnis des Austauschs nur eines Teilchens: Rücktritt des Chefs der Zentralbank am Ende der Amtszeit!

Bei der Präsentation dieses Pakets erklärte Hassan Rohani in der vulgärsten Weise, dass der Grund dafür, dass die ausgenommenen Menschen den scheidenden Chef der Zentralbank hassten, sein Kampf gegen die Korruption sei: „Herr Seif war ein extrem ehrenhafter und wertvoller Direktor, der seine Pflichten sehr gut erfüllt hat. Die Bekämpfung der Korruption, die von nicht autorisierten Organen betrieben wurde, wird als Herrn Seifs Leistung in die Geschichte eingehen. Er bekämpfte diese Art von Korruption mit all seiner Macht und war erfolgreich damit, dieses Krebsgeschwür zu beseitigen“. (Rede Hassan Rohanis am Mittwoch, dem 25. Juli 2018)

Um sich das wirkliche Bild anzuschauen, würde es genügen, die Kamera von Rohani weg zu wenden und sie aus dem Fenster seines Amtsgebäudes auf diejenigen zoomen zu lassen, die sich mindestens in den letzten zwei  Jahren    vor den räuberischen und plündernden Staatsorganen versammelt und gerufen und an die verschlossenen  Türen gepocht haben, damit sie Teile ihrer Vermögen wiederbekommen.

Um auf Rohanis Ausführungen zu antworten, würde es genügen, Seifs Akte auf den Tisch zu legen und ihm die hässlichen Realitäten zu zeigen, die den Griff auf das iranische Volk immer fester werden lassen: vierfacher Bargeldumlauf, dreifacher Wechselkurs, eine Abnahme des Wertes des Landeswährung um 75 Prozent und das ist nicht das Ende der Liste.

Rohanis Ausführungen sind so offensichtlich vulgär und lächerlich, dass sogar das Mitglied des Regimeparlaments Ahmadi Lashki sich gegen sie wendet, um dem Präsidenten des Regimes das wirkliche Bild  vor Augen zu führen. „Herr Rohani, für wie lange noch wollen Sie die Wirtschaft des Landes mit der Politik von Dr. Seif verbinden? Wegen der falschen Politik von Dr. Seif haben sich viele Menschen gegen das islamische Regime gewandt. Wann wollen Sie das Datum angeben, an dem die gescheiterten Kreditinstitute vollständig ihre Investoren auszahlen? Wann wollen Sie die Währung und den Goldmarkt stabilisieren?“ so Lashki am 24. Juli 2018.

Aber wenn man alles Doppelspiel und alle abgedroschenen Pakete beiseitelässt, so sind sich Rohani und all seine Beamten und Kabinettsmitglieder ebenso wie die Mitglieder des Parlaments vollkommen dessen bewusst, was sie dem Volk angetan haben und was, um es mit den Worten des Behördenchefs von Rohani Vaezi auszudrücken, die neuen Umstände erforderlich machen.

Die neuen Umstände, unter denen die sogenannten Brücken des ‚Reformismus‘ und der ‚Mäßigung‘ für die iranische Bevölkerung vollkommen  zerstört sind,  die im Januar einen landesweiten Aufstand begonnen hat und die seither nie aufgehört hat zu protestieren, haben die goldene Ära der Beschwichtigungspolitik des Westens in Tage und Wochen des globalen Drucks und des Zusammenbruchs der Wirtschaftsstruktur des Landes verwandelt und die Konflikte in der herrschenden Mafia haben die Grundlagen des Regimes erreicht. All das bedeutet ein Umbildungsspiel in der Verlängerung und nicht eines mit Zuschauern im Stadion, die jeweils eine der beiden Mannschaften unterstützen, sondern die stattdessen auf die Straßen und Plätze der Städte gehen, um ihre 40jährige Liebe zur Freiheit zu bekunden und die große Umbildung im Iran zu starten, in dem sie der Dominanz des verlayat-e faqih ein Ende setzen und das Mullah-Regime stürzen.