Friday, March 29, 2024
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Subventionskürzungen: Iran fürchtet Unruhen wegen Benzinrationierung

Spiegel Online – Die Wirtschaft schwächelt, jetzt werden die Bürger zur Kasse gebeten. Irans Präsident Ahmadinedschad hat die Subventionen für Benzin und Lebensmittel radikal gekürzt. In Teheran marschieren Sicherheitskräfte auf – weil die Regierung Proteste für möglich hält.

Teheran – Nach drastischen Kürzungen bei den Treibstoff-, Lebensmittel- und Energiesubventionen haben sich in Iran die Sicherheitskräfte auf mögliche Unruhen vorbereitet. Augenzeugen berichteten am Sonntag, Polizisten hätten auf Märkten und Kreuzungen der Hauptstadt Teheran Stellung bezogen. Bislang sei es jedoch nicht zu Protesten gekommen. 2007 hatten aufgebrachte Demonstranten Dutzende Tankstellen in Brand gesetzt, nachdem die Regierung eine Benzinrationierung angeordnet hatte. Beobachter halten es für möglich, dass sich ähnliche Szenarien nun wiederholen.

Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte am Samstagabend den Abbau staatlicher Subventionen für Treibstoff und Lebensmittel angekündigt und damit begründet, dass sich die auf Öleinnahmen angewiesene Wirtschaft des Landes die Zahlungen nicht mehr länger leisten könne. Von Sonntag an bekommt jeder Autobesitzer nur noch 60 Liter subventionierten Treibstoff im Monat für umgerechnet rund 30 Cent pro Liter Benzin. Das ist um das Vierfache teurer als bisher. Für weiteren Benzinbedarf sind künftig umgerechnet rund 53 Cent pro Liter fällig, zuvor waren es 30 Cent.

Nach der präsidialen Ankündigung bildeten sich an etlichen Tankstellen Teherans lange Schlangen von Autofahrern, die vor Inkrafttreten der Regelung noch mit subventioniertem Benzin tanken wollten. Im Ölförderstaat Iran sehen es viele als ein Grundrecht an, dass Sprit günstig angeboten wird. Etwa 61 Millionen Liter Benzin werden nach Angaben des Ministeriums für Öl täglich in Iran verbraucht.

Umfangreichste Operation seit 50 Jahren

Überdies sollen auch Subventionen für Lebensmittel, die sich nach Angaben Ahmadinedschads allein für Brot auf rund drei Milliarden Euro belaufen, allmählich zurückgefahren werden. Ahmadinedschad sprach von der “umfangreichsten Operation” seit einem halben Jahrhundert, der sich die Wirtschaft des Landes nun unterziehen müsse.

Nach Angaben von Teheraner Behörden betrugen die Subventionen bislang umgerechnet rund 76 Milliarden Euro jährlich. Als Ausgleich für die herben Einschnitte würden Mitglieder bedürftiger Familien in den nächsten zwei Monaten direkte Geldzahlungen von jeweils 80 Dollar erhalten, erklärte Ahmadinedschad. Die neuen Preise für Strom, Wasser, Getreide und Brot sollten am späten Sonntag verkündet werden.

Der Subventionsabbau könnte Ökonomen zufolge zu einer höheren Inflation in Iran führen, die derzeit bereits bei über 20 Prozent liegt. Ein Parlamentsmitglied sagt, eine Steigerung auf bis zu 70 Prozent sei im kommenden Jahr möglich. Außerdem sieht sich die Wirtschaft des Landes einer weiteren Runde von Uno-Sanktionen wegen des umstrittenen Atomprogramms ausgesetzt.

Iran ist der fünftgrößte Exporteur von Öl weltweit, verfügt aber nur über wenige eigene Raffinerien. Deshalb mussten in jüngerer Vergangenheit bis zu 40 Prozent des Benzinbedarfs importiert werden.

Im September hatten Offizielle verkündet, dass nun der gesamte Bedarf in eigenen petrochemischen Anlagen hergestellt werde. Die Iraner befürchten seitdem, dass dieser Kraftstoff eine schlechtere Qualität hat und für eine stärkere Belastung der Umwelt sorgt. Die Regierung hat dies bislang abgestritten.