Saturday, September 30, 2023
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Teheran: Diktatur frisst ihre Künstler

Von Frank Olbert
Im März hatte die iranische Polizei Panahi festgenommen. Der Künstler wurde gerade zu sechs Jahren Haft verurteilt. Wer dem iranischen Regime kritisch gegenüberstehen, für den bedeutet der Aufenthalt Im Land eine akute Gefahr.

Für Künstler, die dem iranischen Regime kritisch gegenüberstehen, bedeutet der Aufenthalt in ihrer Heimat eine akute Gefahr. Dies macht nun der Fall des Filmemachers Jafar Panahi erneut deutlich, der gerade zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Im März hatte die iranische Polizei Panahi festgenommen – seine Frau, seine Tochter und 15 Dissidenten, die sich in seinem Haus aufhielten, wurden Zeugen der Verhaftung. Zuvor war ihm die Ausreise nach Deutschland verweigert worden, wo er als Ehrengast der Berlinale an einer Diskussion zum iranischen Gegenwartskino teilnehmen sollte. Kein Wunder also, dass unter iranischen Künstlern und Intellektuellen längst ein Massenexodus eingesetzt hat: Mahmud Ahmadinedschads islamistischer Unterdrückungsapparat sorgt dafür, dass das Land geistig ausblutet, weil Kritiker wie die Venedig-Gewinnerin Shirin Neshat („Women without Men“) aus Furcht vor der Verfolgung im Exil arbeiten. Jenes Persepolis, das Marjane Satrapi in ihrem unvergleichlichen Comic zeichnete, es ist auch im 31. Jahr nach der Revolution der Ajatollahs nichts anderes als eine Diktatur.

Der nun verurteilte Jafar Panahi rückte ihr unerschrocken zu Leibe, auch wenn er beständig dafür gemaßregelt wurde. Im Jahr 2000 gewann er für „Dayereh“ („Der Kreis“) den Goldenen Löwen von Venedig. Der Film greift einen Tag im Leben von sechs Frauen in Teheran auf, die unter den diskriminierenden Vorschriften des Regimes leiden, die sich widersetzen und in die Illegalität gezwungen werden. Im Iran wurde er verboten.

2006 drehte Panahi mit „Offside“ erneut einen Film, der ein Schlaglicht auf die Unterdrückung der Frauen im Iran warf. Weil es diesen untersagt ist, Fußballspiele im Stadion mitzuverfolgen, verkleidet sich eine Gruppe von Mädchen als Jungen, wird aber entdeckt: Aus den Gesprächen zwischen den jungen Frauen und den Soldaten, die sie bewachen, zeichnet Panahi ein bestechendes Gegenwartsbild. Den Machthabern war es auch deshalb ein Dorn im Auge, weil der Regisseur ihre Grenzen zeigt – alle politischen und religiösen Knebel können nicht verhindern, dass immer wieder die Lebenslust siegt. Die Regierung sollte sich ein neues Volk wählen.

Auf der Berlinale gewann „Offside“ den Silbernen Bären, und es waren wiederum die Filmfestspiele von Berlin, die Nader Davoodis Dokumentarfilm „Red, White & The Green“ zeigten. Darin kommt auch Jafar Panahi zu Wort, der seiner Hoffnung auf einen politischen Wechsel Ausdruck verleiht.

Teheran führt nun aller Welt vor Augen, dass Aussagen wie diese ein Grund für eine mehrjährige Haftstrafe sind. Und nicht nur das. Panahi, so seine Anwältin, dürfe wegen „Propaganda gegen das System“ das Land in den kommenden 20 Jahren nicht mehr verlassen, keine Drehbücher schreiben und keine Interviews geben. Das Regime, so scheint es, hat größtes Zutrauen in seinen Fortbestand. Sollte es dazu kommen, wird es ein Land befehligen, in dem die einen im Gefängnis sitzen und die anderen nicht mehr leben wollen.

(Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger)