Thursday, March 28, 2024
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Scheck für Venezuela: Die rätselhaften Millionen des iranischen Ex-Finanzministers

Spiegel-Online: Das wertvolle Papier steckte in der Seitentasche einer Reisetasche: Der ehemalige iranische Finanzminister war am Düsseldorfer Flughafen mit einem dubiosen Millionen-Scheck aufgefallen. Ein interner Bericht des Zolls zeigt nun, welche politische Brisanz der Fund haben könnte. (Von Jörg Diehl und Raniah Salloum, Düsseldorf und Berlin)

Er war Iraner, kam aus Teheran, flog über Istanbul und wollte weiter nach Caracas, doch seine ungewöhnliche Reise machte die Zöllner am Düsseldorfer Flughafen misstrauisch. Sie durchsuchten den Mann, filzten sein Gepäck und fanden schließlich nicht nur Bargeld verschiedener Währungen im Wert von vielen tausend Euro, sondern in der Seitentasche einer Reisetasche auch einen Scheck der Bank von Venezuela über 300 Millionen Bolivares, umgerechnet etwa 52 Millionen Euro.

Dann stellte sich heraus, dass es sich bei dem Vielflieger um den ehemaligen iranischen Finanzminister Tahmaseb Masaheri Khorsani, 59, handelte. Die Beamten waren elektrisiert.

In einem eiligen Schreiben mit dem Betreff “Bekämpfung der international organisierten Geldwäsche”, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, meldete Ende Januar das Zollkriminalamt dem Bundesfinanzministerium den politisch heiklen Fund: Masaheri sei in späteren Jahren auch Chef der iranischen Zentralbank gewesen, berichtete eine Fahnderin nach Bonn. Inzwischen sei der Iraner jedoch nach Angaben seines Rechtsanwalt “Privatmann und weltweit mit der Abwicklung und Finanzierung von Großprojekten befasst”. Der Scheck stehe demnach “im Zusammenhang mit einem Wohnungsbauprojekt der Regierung Venezuelas”, es gehe um 10.000 Wohnungen.

Masaheris Düsseldorfer Anwalt wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Vorgang äußern, das Zollkriminalamt verwies auf eine schriftliche Presseerklärung.

Der iranische Botschafter in Caracas, Hojattolah Soltani, sagte hingegen dem venezolanischen Fernsehsender Globovision, der Scheck sei für die in Teheran ansässige Baufirma Kayson bestimmt gewesen, die mit der Errichtung der Wohnblöcke beauftragt sei. Der Scheck sei von einem der Direktoren in Iran unterschrieben worden und auf einen der örtlichen Bauleiter ausgestellt gewesen. Der Ex-Minister Masaheri sei beauftragt gewesen, das Zahlungsmittel zu überbringen. Er habe es beim deutschen Zoll nicht deklariert, weil das “nicht notwendig” gewesen sei, der Scheck habe in Venezuela eingelöst werden sollen. Nach Angaben des Diplomaten hält sich Masaheri inzwischen in seiner Heimat auf.

Möglicherweise wird iranisches Geld in Venezuela gewaschen

Venezuela und Iran gelten als enge Verbündete. Beide Länder verstehen sich als Bastionen gegen den vermeintlichen “amerikanischen Imperialismus”. Ausdrücklich unterstützt Caracas das iranische Atomprogramm. Dabei schreckt der südamerikanische Staat wohl auch nicht davor zurück, Teheran bei der Umgehung der internationalen Sanktionen zu helfen, die gegen Iran bestehen. So soll Venezuela nach Angaben des US-Außenministeriums beispielsweise über seinen Staatskonzern PDVSA Öl und Ölderivate an Teheran verkaufen. Washington erließ daher 2011 US-Sanktionen gegen das Unternehmen.

In Washington ist zudem immer wieder der Vorwurf zu hören, dass Venezuela Teheran möglicherweise auch anderweitig hilft, die Sanktionen zu umgehen – indem etwa iranisches Geld in Venezuela gewaschen wird. Im Visier ist dabei besonders Irans staatliche Exportbank (EBDI), die in Venezuela stark aktiv ist. Seit 2008 steht sie unter US-Sanktionen. Die Amerikaner gehen davon aus, dass das Institut als Mittler dient, um Einkäufe für Irans Verteidigungsministerium zu verschleiern und über Tochterfirmen Geld an Organisationen wie die Hisbollah weiterzuleiten.

Nach Berichten der venezolanischen Zeitung “El Universal” beauftragte Teheran den wendigen Masaheri seinerzeit, in Venezuela einen Ableger der iranischen EBDI zu gründen. 2007 etablierte der dort die Banco Internacional de Desarrollo, der er selbst bis 2008 vorstand. Im selben Jahr setzte das US-Finanzministerium das Institut auf eine schwarze Liste, weil es als schlecht getarntes iranisches Vehikel galt, um die internationalen Sanktionen zu umgehen.

Nach seiner Mission in Venezuela wurde Masaheri Zentralbankchef in Iran. In einer von WikiLeaks veröffentlichten Depesche aus dem Frühjahr 2008 beschreibt ihn ein US-Diplomat als “ethisch handelnden Technokraten” in Irans “Vetternwirtschaft”. “Masaheri ist ein Individuum, das Irans Wirtschaftsentwicklung positiv beeinflussen könnte, wenn er dazu die Chance bekommt”, heißt es in dem Dokument. Zuvor diente Masaheri unter Ahmadinedschads Vorgänger Khatami als Wirtschafts- und Finanzminister. Er soll sich jedoch unbeliebt gemacht haben, als er sich weigerte, Geld aus einem Sonderfonds an Khatamis Reformerlager abzuzweigen.

2008 verlor Masaheri sein Amt als Präsident der Zentralbank. Was der studierte Bauingenieur, der zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre alt war, anschließend trieb, ist unklar. Er soll an einigen Baufirmen in Iran beteiligt gewesen sein – und offenbar unterhielt er nach wie vor Verbindungen nach Venezuela.

“Finanzberatung im Bereich der Rohstoff- und Maschinenindustrie”

Wie SPIEGEL ONLINE erfuhr, hält sich der Iraner jedoch seit Jahren auch regelmäßig in Deutschland auf und betreibt eine GmbH, die auf der feinen Düsseldorfer Königsallee residiert. Laut Handelsregister befasst sich die Firma, deren Geschäftsführer und Gesellschafter Masaheri ist, unter anderem “mit Finanzberatung im Bereich der Rohstoff- und Maschinenindustrie”. Beim Zoll gab der frühere Politiker eine Wohnanschrift im Düsseldorfer Stadtteil Ludenberg an. Allerdings steht sein Name dort nur an einem Briefkasten, nicht aber auf dem Klingelschild des Mehrfamilienhauses.

In dem Behördenschreiben heißt es, dass die Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe Nordrhein-Westfalen – in dem Gremium ist neben dem Zoll auch das Landeskriminalamt vertreten – nun prüfe, ob “der Transport der Barmittel im Zusammenhang mit Geldwäsche steht”. Dazu haben die Beamten noch etwa eine Woche lang Zeit. Sollten sie bis dahin keine Anhaltspunkte für kriminelle Handlungen zusammengetragen haben, muss der sichergestellte Scheck zurückgegeben werden. Andernfalls könnten die Fahnder bei der Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens beantragen.

Finanzermittlungen gelten in Deutschland aufgrund der Gesetzeslage als besonders schwierig. Anders als in anderen europäischen Ländern müssen im Bundesgebiet die Behörden nachweisen, dass das fragliche Geld aus illegalen Geschäften stammt. Erfahrene Kriminalisten berichten daher immer wieder von frustrierenden Erfahrungen mit vermeintlichen Langzeitarbeitslosen, die mit viel Bargeld Immobilien aufkaufen, ohne dass die Fahnder etwas dagegen unternehmen können.

Um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einzudämmen, müssen bei der Einreise in die EU Bargeld und Wertpapiere über 10.000 Euro angegeben werden. Verstoßen Reisende gegen diese Bestimmung, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu einer Million Euro geahndet werden kann. Allerdings ist es unter Juristen nicht unstrittig, ob ein nicht frei indossierbarer Scheck tatsächlich als zu deklarierendes Vermögen im Sinne des Zollverwaltungsgesetzes gilt.

Auf diese Unschärfe im Gesetz könnte sich unter Umständen auch der Ex-Minister Masaheri berufen.