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Die Feinde Teherans werden zu Unrecht beschuldigt

The New York Times – Von Lous J. Freeh, Washington, den 13. Oktober 2011
Während die Vereinigten Staaten versuchen, das Nuklearprogramm des Iran anzuhalten und sich auf den Rückzug ihrer Truppen aus dem Irak vorbereiten, sollten sich die amerikanischen Wähler fragen, weshalb die Obama-Administration sich in einer Schlüsselangelegenheit dem Willen der Mullahs von Teheran und seinen irakischen Verbündeten gebeugt hat: in der Sache der
3 400 unbewaffneten Mitglieder der exilierten iranischen Oppositionsgruppe, der Mojahedin-e Khalq, die im Lager Ashraf, nördlich von Bagdad, lebt.

 

Die Regierung von Premierminister Nuri Kamal al-Maliki, einem Schiiten, hat Mitglieder der Mojahedin-e Khalq schamlose ermordet; Herr Maliki rechtfertigt seine Überfälle durch Hinweis darauf, daß die Gruppe in den Vereinigten Staaten auf der offiziellen Liste ausländischer Terrororganisationen steht.

Im April drangen irakische Truppen in das Lager Ashraf ein und erschossen bzw. überrollten fatal mehr als 34 Bewohner und verletzten hunderte. Herr Maliki gibt nun den Mojahedin-e Khalq Zeit bis zum 31. Dezember für die Schließung des Lagers und ihre Zerstreuung über den Irak.

Ohne wirkungsvolle Intervention der USA und der Vereinten Nationen zum Schutz der Bewohner des Lagers, ohne die Entscheidung des State Department, die offizielle Bezeichnung der Mojahedin-e Khalq als Terrorgruppe zu streichen, wäre ein noch größerer Überfall auf das Lager oder ein Massaker an seinen Bewohnern an anderer Stelle des Irak wahrscheinlich.

Diese Situation ist die direkte Folge des schlecht beratenen Versuchs des State Department, die Mojahedin-e Khalq durch das Terroretikett verkümmern zu lassen; dies Unternehmen begann 1997. Damals war ich Direktor des Federal Bureau of Investigation (FBI). Ich schloß: Dies war ein Teil des fruchtlosen politischen Plans, einen Dialog mit Teheran zu ermöglichen. Es gab damals keine glaubwürdigen Beweise, es hat seitdem keine dafür gegeben, daß von dieser Gruppe für die Vereinigten Staaten irgendeine Bedrohung ausgeht.

Tragischerweise gibt das nicht zu rechtfertigende Terroretikett des State Department den Feinden der Mojahedin-e Khalq in Teheran und Bagdad das Gefühl, sie könnten morden und auf den schriftlichen Schutzgarantien, die die Vereinigten Staaten den Bewohnern Ashrafs gegeben haben, herumtrampeln. Auch die Teheraner Schauprozesse freuen sich über die Terrorbezeichnung als Vorwand, jeden, den sie als Bedrohung des Mullah-Regimes betrachten, zu verhaften, zu foltern und zu ermorden.

Zum Guten oder zum Schlechten trifft das State Department seine Entscheidungen oft aus politischen Gründen, was dazu führte, daß die Irish Republican Army (IRA) – trotz der Empfehlung des FBI – niemals auf die Liste gesetzt wurde. Ähnlich wurde Moktada al-Sadr’s Mahdi-Armee im Irak und das Terrornetzwerk Haqqani in Palästina – beide haben viele Amerikaner ermordet – mit Erfolg von der Liste ferngehalten.

Während meiner Amtszeit als Direktor des FBI weigerte ich mich, für die Untersuchung der Mojahedin-e Khalq Kräfte des Büros zur Verfügung zu stellen; denn ich folgerte aus den Tatsachen, daß die Bezeichnung unbegründet war und die Gruppe für die amerikanische Sicherheit keine Bedrohung darstellte.

Ich widersprach jedoch dem politisch motivierten Beharren des State Department darauf, daß das FBI aufhören sollte, iranischen Ringern und als Athleten auftretenden Geheimagenten die Fingerabdrücke abzunehmen, als die Ringer in einer Geste des guten Willen zum ersten Mal in die Vereinigten Staaten eingeladen wurden. Und ohne Erfolg versuchte das FBI, die Clinton-Administration auf die vom Corps der iranischen Revolutionsgarden ausgehende Bedrohung aufmerksam zu machen, das den Terrorismus exportierte und kriegerische Handlungen gegen die USA vorbereitete, darunter den Anschlag auf die Khobar-Türme in Saudi-Arabien im Jahre 1996, bei der 19 amerikanische Luftwaffensoldaten ums Leben kamen. Wir haben am Dienstag von den Ermittlungsbehörden erfahren, daß eine Einheit des Corps den saudischen Botschafter im Washington ermorden wollte.

Einige Kritiker nennen die Mujahedin-e Khalq einen gefährlichen Kult. Aber seit meinem Abschied vom Büro habe ich die Tatsachen sorgfältig überprüft und stehe daher zu meiner Schlußfolgerung: Die Mujahedin-e Khalq sind keine Terrororganisation und sollten umgehend von der Liste des State Department gestrichen werden. Viele der bekanntesten und geachtetsten Terrorismusexperten der Welt sind zu derselben Schlußfolgerung gekommen. (Ich habe manchmal Honorare für Reden und Reisekosten von Freunden der Mujahedin-e Khalq bekommen; dennoch ist die objektive Analyse eines der Stärkung des Gesetzes verpflichteten Beamten die einzige Grundlage meiner Folgerungen.)

Großbritannien und die Europäische Union haben dieser Evidenz schon Rechnung getragen; sie haben die Mojahedin-e Khalq im Jahre 2008 bzw. 2009 von den Terrorlisten gestrichen. Das britische Gericht, das das Material über die Mojahedin-e Khalq prüfte, ging so seit, die Terrorbezeichnung als „pervers“ zu bezeichnen.

Die Mojahedin-e Khalq werden gegenwärtig von einer charismatischen, eloquenten Frau geleitet, Maryam Rajavi; sie genießt seitens europäischer Regierungen bedeutende Unterstützung. Im Jahre 2001 haben die Mojahedin-e Khalq der Gewalt abgeschworen und militärische Aktionen gegen das iranische Regime aufgegeben. Und im Jahre 2003 hat die Gruppe freiwillig ihre Waffen den amerikanischen Truppen im Irak übergeben und seitdem die Vereinigten Staaten mit wertvollen Informationen über das Programm des Iran zum Bau nuklearer Waffen versorgt. Die Mojahedin-e Khalq sollten vom State Department nach seinen eigenen Richtlinien von der Terrorliste gestrichen werden.

Und doch: Außenministerin Hillary Rodham Clinton und das Weiße Haus weigern sich, die Gruppe von der Terrorliste zu streichen und ihre Mitglieder im Lager Ashraf zu schützen – und dies trotz Forderungen aus beiden Parteien.

Es ist unglaublich: Während unsere Verpflichtung, die Bewohner des Lagers zu schützen, ihr kritisches Stadium erreicht, bekommt man vom State Department nur Schweigen und Verzögerung. Immer noch „prüft“ die Ministerin die Terrorbezeichnung – und das schon fast 15 Monate nach dem Urteil des Berufungsgerichts der Vereinigen Staaten in Washington, das erkennt, das Department habe gegen das Gesetz verstoßen, indem es den Mojahedin-e Khalq während des Verfahrens, das mit der Aufnahme in die Terrorliste endete, ein faires Verfahren verweigert habe. Frau Clinton ist bisher der Anordnung des Gerichts, zu erklären, „welche Quellen sie als zureichend glaubwürdig genug erachte“, diese lebensgefährliche Terrorbezeichnung zu rechtfertigen, nicht nachgekommen. Der Grund liegt auf der Hand: Es gibt keinen Beweis.

Louis J. Freeh war von 1993 bis 2001 Direktor des FBI.