Freunde werden als Feinde gebrandmarkt und wahre Feinde werden beschwichtigt
The Washington Times – Von Geneneral Hugh Shelton – Donnerstag, den 13. Oktober 2011
Wie zwei Fälle von besonderer Bedeutung zeigen, ist die Praxis der US-Regierung,, eine Liste »ausländischer Terrororganisationen« zu führen, zu einer gefährlichen, gedankenlosen politischen Gewohnheit herabgekommen, wogegen sie auf einer unvoreingenommenen Bewertung wirklicher Bedrohungen für Amerika beruhen sollte.
Im vorigen Monat soll das berüchtigte afghanische Netzwerk der Haqqani einen dreisten Überfall auf die US-Botschaft in Kabul verübt haben. Die Haqqani, die grausige Terroranschläge auf Hotels, Botschaften und andere Ziele begehen und damit ihrem Ziel näher kommen wollen, in einer zukünftigen politischen Stabilisierung das Feilschen um die Macht zu dirigieren, sollen für Hunderte seit 2001 an Amerikanern verübte Morde verantwortlich sein. Einige Offiziere im amerikanischen Militär sind augenscheinlich empört darüber, dass die Obama-Regierung entschied, das Haqqani-Netzwerk nicht als Terrororganisation zu bezeichnen, aus der Befürchtung, dass solche Ächtung es der afghanischen Regierung erschweren könnte, mit den Haqqani zu verhandeln.
Zu gleicher Zeit belassen die Vereinigten Staaten die Mudschaheddin-e-Khalq (MEK), die wichtigste Oppositionsgruppe des Iran und einen erklärten demokratischen Verbündeten, auf der Liste ausländischer Terrororganisationen, obwohl die Organisation keine der Kriterien für solche Ächtung erfüllt und sich vor langer Zeit von Gewaltsamkeit losgesagt hat. Zu beachten ist, dass diese Gruppe als erste das geheime, auf 20 Jahre angelegte Atomprogramm (Teherans) aufdeckte. Sie lieferte dem US-Militär im Irak unschätzbare Kenntnisse, mit deren Hilfe es nicht nur die terroristischen Helfershelfer des Iran im Irak identifizieren und neutralisieren konnte, sondern auch vielen Amerikanern das Leben gerettet wurde. Was bedeutet das? Wenn man Organisationen wie die MEK ächtet und Gruppen wie die Haqqani unbehelligt lässt, schickt man Freunden und Feinden die falsche Botschaft.
Zur MEK: Die Gruppe wurde 1997 auf die vom Außenministerium geführte Liste der Terrororganisationen gesetzt, um das Regime in Teheran zu beschwichtigen. Die Mullahs, die die MEK hassen und fürchten, verlangten ihre Ächtung als Bedingung für Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten. Solche Verhandlungen kamen dann gar nicht zustande, und bis heute ist der Iran der gefährlichste Akteur in der ganzen Region. In bitterer Ironie hat die verfehlte Bezeichnung der MEK als Terrororganisation dem Iran und seinen Helfershelfern den Vorwand geliefert, Tausende von MEK-Mitgliedern zu töten, bis hin zum 8. April, zum Massaker in Camp Ashraf, Irak, ihrer Siedlung, bei dem Hunderte waffenlose Männer und Frauen getötet bzw, verwundet wurden. Nach dem begonnenen Abzug der zum Schutz bestimmten US-Truppen aus dem Irak erwartet eine Gruppe, die sich einem demokratischen, nicht-nuklearen Iran verschrieben hat, ein fast gewisser Tod.
Es besteht eine wachsende Bewegung, die sich dafür einsetzt, die MEK von der Liste der Terrororganisationen zu streichen. Zu ihr gehört eine Gruppe von 96 Kongressmitgliedern aus beiden Parteien, darunter die Vorsitzenden des Sonderausschusses für Geheimdienste und Streitkräfte und eine eindrucksvolle Liste hoher früherer Beamter für Geheimdienste, Justiz und Sicherheitsfragen in den Regierungen Clinton, George W. Bush und Obama.
Was die Haqqani betrifft, so besagen Quellen, dass hohe Mitglieder der Obama-Regierung im vorigen Jahr erörterten, die Gruppe auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen; dadurch wäre es möglich gewesen, ihr Vermögen einzufrieren und das Spenden für die Organisation zu unterbinden. Einige führende Politiker und hohe Offiziere drangen auf diese Einordnung der Haqqani, als Reaktion auf die eskalierenden Gewalttaten der Gruppe an Amerikanern, aber die Regierung entschied, dass solch ein Schritt die Haqqani entfremden und vom Verhandlungstisch vertreiben könnte. Die Kennzeichnung der Haqqani als Terrororganisation würde auch, wurde argumentiert, als »Provokation« in den bereits angespannten amerikanisch-pakistanischen Beziehungen angesehen werden. Ende September brachte Admiral Michael Mullen, damals noch Vorsitzender der Vereinigten Generalstabschefs, zwingende Beweise vor, die für die Mittäterschaft Pakistans am Angriff auf die US-Botschaft in Kabul sprachen.
Was begann als konzertierte Bemühung, Terrorgruppen zu erkennen, sie als solche mit politischen Konsequenzen einzustufen, zu entlegitimisieren und unschädlich zu machen, ist zu einem Symbol der Beschwichtigung geworden. Amerika hat die MEK auf die Terrorliste gesetzt, um die Iraner zu beschwichtigen und hat die Haqqanis nicht auf die Liste gesetzt, um Pakistan und ebenso Afghanistan zu beschwichtigen, und Afghanistan wird sich mit dem Netzwerk noch herumschlagen müssen, wenn die Amerikaner längst aus ihrem Land abgerückt sind.
Zur Zeit wird in der Obama-Regierung wiederum heftig debattiert, ob man das Haqqani-Netzwerk auf die Terrorliste setzen soll. Zugleich die heiße Debatte, ob die MEK von der Liste zu streichen seien. Das US-Berufungsgericht für den District of Columbia (Gebiet der Hauptstadt Washington) hat das US-Außenministerium angewiesen, die Kennzeichnung der MEK als Terrorgruppe zu überprüfen; zugleich verstärkt sich innerhalb des Ministeriums der Druck, gegenüber dem iranischen Regime eine neue Strategie einzuschlagen, da dieses Regime jetzt als der größte staatliche Sponsor des Terrorismus erkannt wird.
Es zeigt sich, dass wir auf gefährliche Weise inkonsequent sind in der Frage der Kennzeichnung von Terrororganisationen. Potentielle Freunde werden als Terroristen gebrandmarkt und erklärte Feinde entgehen der Stigmatisierung, die dazu führen könnte, dass diese ihren Heiligenschein verlören, dass ihnen die Mittel und sonstige Unterstützung entzogen würden. Beide Entscheidungen sollten unverzüglich widerrufen werden, die ganze Führung der Liste der Terrororganisationen gehört auf den Prüfstand. Die Liste muss ein Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus sein und nicht ein Instrument von Verhandlungen, in denen Hunderte von Menschenleben, nicht zu reden vom amerikanischen Prestige, als Hebel benutzt werden.
General Hugh Shelton ist früherer Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs der USA.