Blut an ihren Händen
European Voice – 08.12.2011
Die EU muß alles in ihrer Macht stehende tun, um die Gewalt in Camp Ashraf zu beenden
Im Mai schrieb ich, dass der Irak eher für Blutvergießen an den iranischen Flüchtlingen sorgen wird, als eine Lösung mit der EU auszuhandeln. Ich bezog mich dabei auf die Ablehnung der irakischen Politik bezüglich einer Verteilung von 3400 iranischen Dissidenten in der EU („Flüchtlinge ohne Zuflucht“, EuropeanVoice.com)
In 2009 und im April 2011 wurden die Dissidenten – Mitglieder der iranischen Hauptoppositionsbewegung der Volksmojahedin Iran (PMOI/MEK) – brutal von irakischen Truppen angegriffen. Am 8. April starben alleine 36 Menschen, darunter acht Frauen und mehr als 300 wurden verletzt.
Ich erwartete weiteres Blutvergießen, wenn die irakische Regierung damit fortfährt, seinen Plan zur Räumung von Camp Ashraf, der Heimat der Dissidenten, am 31. Dezember umzusetzen.
In einem Brief vom 15. November an das EU Parlament schrieb die irakische Regierung, dass „sie keine andere Wahl habe, als das Camp auf ihrer Grundlage der Souveränität zu evakuieren und die Bewohner in andere Camps im Irak zu verlegen.“ Alarmierend ist vor allem, dass Bagdad sie weiter als Terroristen sieht. Sie behaupten auch, dass sie keinen Schutz unter der Genfer Konvention oder dem internationalen Menschenrecht haben.
Alle Bewohner von Camp Ashraf sind unter den Genfer Konventionen geschützt. 2004 garantierte die USA ihnen schriftlich, dass sie im Gegenzug für ihre freiwillige Entwaffnung bis zu ihrem endgültigem Status geschützt werden. Die USA bestätigten, dass keiner der Bewohner ein Terrorist sei oder sich an terroristischen Aktivitäten beteiligt habe. Der Hochkommisar für Flüchtlinge (UNHCR) erklärte, dass die Bewohner von Ashraf Asylsuchende sind und forderte den Irak auf, die Räumung aufzuheben. Cathrine Ashton, die EU Außenbeauftragte, unterstützt eine friedliche Lösung und hat einen Sonderbeauftragten für Camp Ashraf benannt.
Leider hat all dies nicht dazu geführt, dass man den irakischen Regierungschef umstimmen konnte, der selbst in den 80er Jahren acht Jahre als Dissident im Iran lebte. In der iranischen Verfassung ist die Unterstützung der PMOI/MEK mit einem Todesurteil verbunden.
Seit Anfang 2009, nachdem die USA die Verantwortung für Camp Ashraf und deren Sicherheit an die irakische Regierung übergab, lag das Camp unter einer schmerzhaften Belagerung. Die Bewohner wurden psychologisch gefoltert, 300 Lautsprecher brüllten mit ohrenbetäubendem Lärm Tag und Nacht Drohungen und Propaganda. Die Iraker verboten den Bewohnern eine medizinische Versorgung und blockierten Lieferungen von Treibstoff und Medizin.
Nach dem tödlichen Angriff im April lehnte es der Irak ab, dass eine Delegation des EU Parlamentes (durch mich angeführt) Camp Ashraf besuchen durfte. Seitdem führte das Parlament einen Plan weiter, indem die Bewohner von Camp Ashraf in EU Mitgliedsstaaten und anderen Ländern, wie die USA oder die Schweiz, verteilt werden konnten. Die Bewohner von Camp Ashraf haben diesem Plan zugestimmt.
Dennoch besteht die irakische Regierung auf einer Umsiedlung der Bewohner von Camp Ashraf im Irak. Sie behauptet, die UNHCR könnte ihre Befragung der Bewohner auch an anderen Orten durchführen. Doch kann man den Versprechen des Irak glauben? Nur einige Stunden vor dem Massaker im April wurde den Bewohnern von Ashraf noch versprochen, man würde keine Gewalt anwenden.
Wenn die Welt und die EU jetzt still bleiben, dann wird die gewaltsame Umsiedlung der Bewohner von Ashraf in einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit enden. Diejenigen, die jetzt schweigen, machen sich zu Mittätern.
Wenn den Bewohnern keine andere Wahl bleibt, dann werden sie sich der Räumung widersetzen, so wie es die Juden in Warschauer Ghetto während des 2. Weltkrieges taten. Dieser Weg sollte der Letzte sein. Die Welt sollte nicht Zeuge sein, wie der Irak einen Genozid begeht. Wenn dies geschieht, dann wird weiteren Folterungen und Ermordungen in geheimen Orten Tür und Tor geöffnet, so wie einst in Ausschwitz oder Treblinka.
Als der Genozid im Warschauer Ghetto und der Holocaust geschah, sagte jeder, er hätte nichts davon gewußt. Doch im Fall Ashraf wissen wir Bescheid. Wir haben es gesagt. Wir haben gewarnt. Wir haben bereits Blutvergießen gesehen.
Die EU sollte laut und deutlich die Umsiedlung der Bewohner von Camp Ashraf verurteilen. Sie sollte Druck auf die UNHCR machen, damit sie die Bewohner befragt und ihren Flüchtlingsstatus für die Evakuierung in andere, ihnen freundlich gesinnte Länder, erneuert.
Struan Stevenson MEP
Brüssel