Friday, March 29, 2024
StartNachrichtenWiderstandAm Jahrestag der Aufstände vom November 2019 sind im Iran Bedrohungen für...

Am Jahrestag der Aufstände vom November 2019 sind im Iran Bedrohungen für das Regime allgegenwärtig

Im Januar 2018 hat der Oberste Führer des Iran Ali Khamenei eine Rede gehalten, in der er einräumte, dass eine organisierte Widerstandsbewegung zum großen Teil für eine damals in Gang befindliche Erhebung gegen die Regierung verantwortlich sei. Seitdem haben er und andere Amtsträger des Regimes noch eine Reihe von weiteren Warnungen ausgesprochen über den sozialen Einfluss der Organisation der Volksmudschahedin des Iran (PMOI-MEK) – nachdem sie eine Jahrzehnte lange Arbeit in eine Dämonisierungskampagne und in Falschnachrichten gesteckt hatten, die das Vorhandensein eines solchen Einflusses schlechthin abstritten.

Khameneis Ausgangsbemerkungen wurden notwendig durch das schiere Ausmaß und die demographische Vielfalt der Bewegung, die in den letzten Tagen von 2017 begann und sich den ganzen Monat danach fortsetzte. Es gab einfach keine plausible Erklärung für eine Bewegung dieser Art, wenn nicht eine solche, die auf eine vorherige Planung durch eine hochorganisierte und weithin unterstützte aktivistische Gruppe wie die MEK verwies. Jede andere Erklärung hätte übrigens die Fassade der Stabilität des Regimes sogar noch mehr beschädigt, insoweit sie nahegelegt hätte, dass die landesweite Erhebung vollkommen spontan war, sei’s auch ohne Vorarbeit.

Die Folgewirkung dieser Annahme wäre in den folgenden drei Jahren nur noch schlimmer geworden, weil die Aufstände vom Januar 2018 nicht die letzten ihrer Art waren. Obwohl sie zuletzt gebrochen wurden durch die gewaltsame Repression, die von Einheiten wie dem Corps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) herrührte, blieb die Bewegung in lokalen Gemeinschaften lebendig, die teilhatten an dem, was die gewählte Präsidentin des NWRI Maryam Rajavi ein „Jahr voller Aufstände” genannt hat.
„Irans Jahr der Aufstände”

Die grundlegenden Proteste in dieser Bewegung dauerten im größten Teil des vorigen Kalenderjahrs des Iran an, das von März bis März geht, und dieser Sachverhalt trug dazu bei, den Wahrheitsgehalt des Eingeständnisses Khameneis über die Rolle der MEK zu unterstreichen. Frau Rajavi hatte persönlich zur Fortsetzung der Aufstände aufgerufen im Anschluss an die erste Erhebung und viele Aktivisten schienen bereit, sich darauf zu verpflichten, wobei die „Widerstandseinheiten” der MEK soweit gingen, Bilder ihrer Präsidentin zusammen mit Slogans aufzuhängen, die zur Zerstörung des ganzen vorhandenen Systems aufforderten.

Diese Botschaft war in der Erhebung von 2018 und in ihren Verzweigungen klar, die alle bestimmt waren durch derartige Slogans, darunter ausdrückliche Aufrufe zur Absetzung des Obersten Führers und der Ablehnung des Prinzips des „velayat-e faqih“ oder der absoluten Herrschaft des Klerus, auf das sich seine Position gründet. Die gleichen Slogans tauchten im November 2019 wieder auf und das in größerem Maßstab, als ein öffentlicher Aufschrei über einen plötzlichen Anstieg bei den von der Regierung angesetzten Benzinpreisen zu gleichzeitigen Protesten in etwa 200 großen und kleinen Städten führte.
Proteste im Iran: Landesweite Erhebung des Iran- November 2019

Das Wiederaufleben der Aufstände war so Existenz bedrohend für das Mullah Regime, dass es sofort die schlimmste politische Repression in Gang setzte, die der Iran seit Jahrzehnten gesehen hatte. Innerhalb weniger Tage hatten die massenhaft abgegebenen Schüsse der Sicherheitskräfte und der Revolutionsgarden annähernd 1 500 Tote zum Ergebnis. Diese Zahl wurde zuerst von der MEK angegeben, deren Widerstandseinheiten natürlich an der vordersten Front der Demonstrationen und der Zusammenstöße mit den Behörden waren. Aber sie wurde später von der Nachrichtenagentur Reuters bestätigt, die sich in einem Bericht auf mehrere anonyme Quellen des iranischen Innenministeriums berief.

Die Zahl der Toten im November ist ein klares Symbol für die Gefahr, die das iranische Regime für seine eigene Bevölkerung darstellt, besonders wenn man sie im Zusammenhang mit anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet, für die das Regime noch ernste Konsequenzen gewärtigen muss. Im Juli 1988 hat die iranische Justiz „Todeskommissionen” in Gefängnissen im ganzen Land aufgestellt mit dem Ziel, politische Gefangene zu verhören und festzustellen, wer von ihnen loyal zur MEK bleibt oder auf andere Weise Unmut gegenüber der theokratischen Diktatur hegt. Nach mehreren Monaten haben diese Todeskommissionen annähernd 30 000 Personen an den Galgen gebracht, wobei viele danach in geheimen Massengräbern beerdigt wurden.

Mehr als 1 500 wurden getötet bei den landesweiten Aufständen in der iranischen Bevölkerung im November 2019

Unter denen, die die massenhafte Erschießung eingeräumt haben, die das Regime vor fast genau einem Jahr durchführte, haben viele deutlich die Sorge geäußert, dass es ein Vorzeichen für schlimmere Dinge sein könne, die vielleicht kommen. Überhaupt ähneln die derzeitigen Zustände den am Ende des Iran-Irak Krieges, insoweit das Kleriker Regime mit seinen Bemühungen scheitert, ein Bild der Stärke und Stabilität sowohl nach innen als auch nach außen zu entwerfen.

An erster Stelle haben die internationalen Sanktionen das Regime mehr isoliert als es jahrelang war und es zugleich der Ressourcen beraubt, um seine Teilnahme an sich eskalierenden Konflikten in der umgebenden Region zu befeuern. Und an zweiter Stelle hat Khameneis Rede von 2018 und eine Reihe von Äußerungen danach die öffentliche Aufmerksamkeit für das Ausmaß verstärkt, in dem Teheran damit gescheitert ist, den prodemokratischen Widerstand im Sommer 1988 auszutreten.

Während die Unterstützung für die MEK stark in den Untergrund getrieben wurde durch das Massaker in jenem Jahr, hat sie sich auch nie wirklich in Luft aufgelöst. Ganz im Gegenteil hat sie sich erholt und ihr Wachstum fortgesetzt in den drei Jahrzehnten und bildet jetzt das Fundament für eine legitimere alternative Regierung, die bereit steht, die Führung im Lande zu übernehmen nach einer neuen Revolution. Der Aufstand von 2018 war ein einzigartiger Beweis für diese Legitimität und ebenso ein klares Zeichen, dass die erhoffte Revolution in Reichweite ist.

Dasselbe kann über die Erhebung im November 2019 gesagt werden ungeachtet ihrer brutalen Niederschlagung. Sosehr auch diese Repression die andauernde Bedrohung für normale iranische Leben symbolisiert, so dient sie doch auch dazu, das Ausmaß der Angst und Verzweiflung des Regimes hervorzuheben und das Ausmaß, in dem die Mullahs sich echt bedroht fühlen durch wiederkehrende Volksaufstände unter der Führung der MEK.
Die geeignetste Beschreibung dieser Aufstände könnte in der Tat nicht „wiederkehrend“ sein, sondern „andauernd“. Wenn man nur die Proteste auf landesweiter Ebene betrachtet, so scheint der November 2019 eine Fortsetzung vom Januar 2018. Aber es gibt einen sehr realen Sinn, in dem das „Jahr voller Aufstände“ nie wirklich geendet hat. Und es gibt zahlreiche frühere Proteste, die auf einen Trend zu köchelndem Unmut verweisen, die eine immer weiter eskalierende Bedrohung für das Festhalten der Mullahs an der Macht bilden.

Diese Kontinuität wurde ebenso wie die Führungsrolle der MEK widerwillig von Amtsträgern des Regimes und von staatlichen Medien eingeräumt nach den zwei landesweiten Erhebungen. Die Tageszeitung Resalat hat zum Beispiel vor kurzem einen Artikel publiziert, der feststellt: „Die Zerstörung hat eine der höchsten Niveaus innerhalb von drei Jahrzehnten erreicht“ im Laufe der Erhebung im vergangenen Jahr. Aber der Artikel betonte auch, dass diese Zerstörung nicht aus einem Vakuum kam, sondern Trends wiederspiegelt, die sich mindestens „seit dem Frühjahr 2019“ beschleunigt haben,


Der Artikel verwies darauf, dass die Erhebung stattfand „auf dem Höhepunkt der wirtschaftlichen Probleme“ und beschrieb die Widerstandseinheiten der MEK als „organisierte Kader“, die „lange aktiv waren und die Umgebung der Unzufriedenheit und öffentlicher Proteste im Iran ausgenützt haben“. Ähnliche Beobachtungen wurden von zahlreichen Quellen angeboten, von deren Kommentaren angenommen werden kann, dass sie im Dienste der Interessen des iranischen Regimes stehen. Aber bei ihren Bemühungen, die unbestreitbare Steigerung der öffentlichen Unzufriedenheit zu erklären, verleugnen die gleichen Quellen ihre Wahrnehmung einer ungebrochenen Oppositionsbewegung, die in jedem Moment einen weiteren Aufstand entfachen könnte.

Die Verschlimmerung der Zustände im Iran macht dieses Ergebnis umso wahrscheinlicher. Dazu gehören auch der Ausbruch des Coronavirus, der mindestens 138 300 Menschen das Leben gekostet hat. Die wirtschaftliche Situation verschlechtert sich weiterhin, während die Ausgaben des Regimes sich weiter auf auswärtige Verwicklungen und andere Prioritäten konzentrieren, die die öffentliche Wohlfahrt außer Acht lassen. Und bei alle dem setzt sich die gewaltsame Unterdrückung fort, weil das Regime sich abmüht, weiteren Unruhen zuvorzukommen. Zugleich legen seine eigenen öffentlichen Kommentare nahe, dass das Regime sich mehr und mehr der Unmöglichkeit der Lösung dieser Aufgabe bewusst wird.