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Amnesty International drängt die irakische Regierung, den Termin für den Auszug der Bewohner aus Camp New Iraq zu verschieben

Amnesty International
Öffentliche Erklärung
Index: MDE 14 042 2011
1. November 2011 
Amnesty International drängt die irakische Regierung, den Termin für den Auszug der Bewohner aus Camp New Iraq zu verschieben
Amnesty International spricht die Sorge aus, dass etwa 3.250 Iranerinnen und Iraner, die seit langem in Camp New Iraq, 60 km nördlich von Bagdad leben, von schweren Menschenrechtsverletzungen bedroht sind, sollte die irakische Regierung ihren Plan durchsetzen, die Schließung des Lagers bis Ende Dezember 2011 zu erzwingen.

Das Lager, früher Camp Ashraf genannt, ist bereits mehreremal von irakischen Sicherheitskräften angegriffen worden. Dabei wurden Dutzende Bewohner getötet und andere verwundet. In jüngster Zeit, am 8. April stürmten irakische Truppen das Lager. Sie brauchten Gewalt im Exzess und feuerten auf Bewohner, die sie aufzuhalten versuchten. Etwa 36 Menschen, darunter acht Frauen, wurden getötet und mehr als 300 wurden verwundet. Bei einem früheren Überfall, am 28./29. Juli 2009 wurden neun Bewohner getötet und viele verwundet. Etwa 36 Bewohner wurden festgenommen und monatelang in Gefangenschaft gehalten. Dabei sollen sie gefoltert worden sein. Am 7. Oktober 2009 wurden sie freigelassen.

Camp Ashraf, wie das Lager damals hieß, stand bis Juni 2009 unter dem Schutz der United States Force-Iraq (US-Besatzungstruppen im Irak). Danach wurde die militärische Aufsicht über das Lager der irakischen Regierung übertragen. Seitdem wird das Lager mit seinen Bewohnern von irakischen Truppen praktisch belagert. Die Regierung verstärkt ihren Druck auf die Bewohner, von denen viele der Organisation der Volksmudschaheddin des Iran (PMOI) angehören, das Land zu verlassen. Die PMOI ist eine iranische Widerstandsorganisation, die früher den bewaffneten Kampf gegen den Iran führte, sich vor Jahren aber gegen die Gewalt entschied. Anhängern der PMOI war vom früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein, der 2003 gestürzt wurde, gestattet worden, sich im Irak niederzulassen.

Die irakische Regierung hat sich wiederholt gegen eine Fortdauer des Lagers ausgesprochen. Bei einem Besuch, den Jalal Talabani, Präsident des Irak, im vergangenen Juni dem Iran abstattete, kündigte er an, Camp Ashraf würde Ende dieses Jahres geschlossen werden. Anfang Oktober bestätigte die irakische Regierung diese Absicht dem Generalsekretär der Vereinten Nationen gegenüber. Inzwischen hat das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR, Flüchtlingsbehörde der UNO) berichtet, es habe zahlreiche Asylanträge von Bewohnern des Lagers erhalten, und hat die irakische Regierung aufgefordert, »den Termin für die Schließung des Lagers zu verschieben« und »die nötigen Vorkehrungen zu treffen dafür, dass die Gespräche mit den Asylsuchenden an einem sicheren, neutralen Ort außerhalb des Lagers, unter Bedingungen der Vertraulichkeit durchgeführt werden können«. 1

Am 31. Oktober aber verhandelten das UNHCR, die UN-Mission zur Hilfe im Irak (UNAMI) und die irakische Regierung immer noch, um eine Örtlichkeit für die Gespräche mit den Asylbewerbern zu finden. Bewohner des Lagers treten ihrerseits dafür ein, dass die Gespräche im Lager oder in seiner Nähe abgehalten werden, fürchten sie doch, dass sonst ihre Sicherheit nicht garantiert wäre und dass sie Gefahr liefen, von irakischen Sicherheitskräften festgenommen und nach Iran verschleppt zu werden, wo vielen von ihnen schwere Verletzungen ihrer Menschenrechte drohen würden. Amnesty International fordert die irakische Regierung auch dringend auf, dem UNHCR genug Zeit zu lassen dafür, die Asylanträge der Bewohner von Camp New Iraq angemessen zu erwägen, so dass es seine Entscheidungen über ihren Flüchtlingsstatus vertraulich, auf neutralem Boden und auf ungestörte Weise treffen kann. Solange dieser Vorgang dauert, muss die Sicherheit der Lagerbewohner von höchster Bedeutung sein. Finden die Gespräche außerhalb von Camp New Iraq statt, muss die Sicherheit der Bewohner garantiert sein; dies gilt auch für ihre Rückkehr ins Lager. Amnesty International fordert die irakische Regierung dringend auf, die Menschenrechte der Bewohner von Camp New Iraq voll zu respektieren und zu veranlassen, dass jede Belästigung und Gefährdung der Bewohner durch ihre Sicherheitskräfte beendet wird.

Amnesty International ruft auch die internationale Gemeinschaft, insbesondere europäische und nordamerikanische Länder auf, die Bewohner von Camp New Iraq, die als Flüchtlinge anerkannt werden, ohne Verzögerung aufzunehmen und sich auf ihren Gebieten ansiedeln zu lassen.

Hintergrund
Obwohl die Lagerbewohner seit 25 Jahren im Irak leben, hat die irakische Regierung ihren Wunsch kundgegeben, dass sie das Land verlassen. Im Jahr 2009 teilte die Regierung den Bewohnern mit, sie hätten den Irak bis zum 15. Dezember des Jahres zu verlassen, sonst müssten sie mit Zwangsumsiedlung innerhalb des Irak rechnen. Dies konnte die Regierung nicht durchsetzen, offenbar auf Grund internationalen Drucks, auch von Seiten der USA und der Vereinten Nationen. Seit dem Überfall vom April 2011 haben die irakischen Behörden aber die Kontrolle über die Bewohner des Lagers verschärft, bis dahin, dass etliche der Verwundeten und andere Bewohner, die an chronischen Krankheiten litten, daran gehindert wurden, das Lager zu verlassen, um speziellere Behandlung zu empfangen, als die Ärzte im Lager ihnen geben konnten. Ebenso haben die Sicherheitskräfte, wie berichtet wird, den Fluss telefonischer und anderer Kommunikation zwischen den Lagerbewohnern und der Außenwelt zu behindern versucht. Sie haben Lautsprecher angebracht und mit diesen und anderen Maßnahmen die Bewohner in Furcht versetzt, die irakischen Sicherheitskräfte bereiteten ein weiteres gewaltsames Eindringen in das Lager vor.
Angesichts internationalen Drucks, der nach dem Angriff auf das Lager vom April auf die irakische Regierung ausgeübt wurde, sagte diese, sie habe einen Ausschuss zur Untersuchung des Überfalls und der Tötungen eingesetzt. Doch ist, wie in anderen Fällen, in denen solche Untersuchungen angekündigt wurden, kein Ergebnis bekanntgegeben worden, und es bleibt unklar, ob eine ernsthafte Untersuchung überhaupt eingeleitet wurde.
* (Übersetzt vom englischen Originaltext.)

1 UNHCR, Bewohner von Camp New Iraq (früher Camp Ashraf) und die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus an sie, vom 13. September 2011, ?docid=4e7064e26&query=camp%20ashrafhttp://www.unhcr.org/cgi-bin/texis/vtx/home/opendocPDFViewer.html