Friday, March 29, 2024
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Den iranischen Mullahs das Spiel verderben

Von Bernd Ulrich

Wenn im irakischen Samarra eine Moschee gesprengt wird und danach tausende Sunniten angegriffen werden, wenn in Dänemark eine Karikatur erscheint und dann weltweit Moslems demonstrieren, wenn in Palästina die Hamas um ihre Finanzierung pokert, dann hat immer ein Land die Hände mit im Spiel – der Iran. Natürlich können die Machthaber in Teheran all diese Prozesse nicht steuern, aber sie können mitreden und anheizen und sie tun das auch.

Dennoch klingt es kindisch, wenn der Iran Schurkenstaat genannt wird. Dämonisierung hat keinen Sinn, Verharmlosung aber auch nicht. Manche glauben, Präsident Ahmadinedschad sei nur ein Verrückter, hinter ihm stünden vernünftige Kräfte, mit denen sich verhandeln lässt. Aber das ist bloß eine Hoffnung, die mal genährt wird, wie jetzt durch iranisch-russische Verhandlungen, dann wieder enttäuscht. Denn verglichen mit den Machtstrukturen in Teheran, war der Kreml zu Sowjetzeiten ein Big- Brother-Container. Es bleibt also nichts anderes übrig, als die Politik des Iran an den Taten zu messen und die Worte des Präsidenten ernst zu nehmen.

Bisher steht der Westen recht hilflos da. Offenbar lässt Ahmadinedschad sich mit Belohnung und Strafe nicht packen. Dafür ist das Spiel, das er spielt, schon zu groß und zu anspruchsvoll. Allerdings ist sein Spiel auch für ihn hochriskant. Immerhin bewegt er sich auf vier Feldern zugleich. Er begründet seinen atomaren Anspruch, nach Südafrika oder Brasilien schielend, mit dem Recht der Dritten Welt auf gleiche Bewaffnung. Im Inneren appelliert er an den iranischen Nationalstolz. Die gesamte islamische Welt versucht er mit dem Hass auf den Westen und auf Israel zu einen. Im Irak spielt er die Schutzmacht der Schiiten im Konflikt mit den Sunniten und demonstriert den Amerikanern so ihre Grenzen.

Diese vier Strategien des Mahmud Ahmadinedschad sind unvereinbar. Man kann nicht Muslime aufeinander hetzen und dabei panislamische Propaganda treiben. Man kann auch nicht mit der Atombombe den nationalenRuhm mehren wollen und dann den Beifall anderer Entwicklungsländer erwarten. Solche Widersprüche lassen sich nur durch hohes Tempo, starke Hitze und ein klares Feindbild verschleiern.

An dieser Stelle liegt die Schwäche der iranischen Politik, hier müsste eine Gegenstrategie des Westens ansetzen. Er könnte den Entwicklungsländern etwa beim Welthandel und bei den Klimaverhandlungen entgegenkommen. Er könnte eigene atomare Abrüstung forcieren. Donald Rumsfeld könnte endlich zurücktreten. Auch ein Nicht-Angriffspakt mit dem Iran ließe sich denken. Alles, was dazu dient, das Spiel der Iraner zu verwirren, sollte erlaubt sein, mit Ausnahme der Kernforderungen: keine Bombe, keine Vernichtungsdrohungen gegen Israel.

Bislang jedoch mangelt es uns dazu an Fantasie und Kraft. Die einen wollen die nukleare Bewaffnung des Iran hinnehmen, die anderen halluzinieren sich eine militärische Option herbei. Die gibt es vielleicht technisch, doch hätte sie so viele Nebenwirkungen, dass sie bei Amerikanern und Israelis mehr Ängste auslöst als bei den Iranern.

Vor sechs Wochen schauten alle auf den Sieg der Hamas, vor zwei Wochen auf den Karikaturenstreit. Heute bewegt uns der mögliche Bürgerkrieg im Irak. Und morgen? Der wichtigste Schlüssel für all diese Konflikte liegt im Iran. Fantasie an die Macht! (Kommentar aus dem Tagesspiegel vom 27. Feb. 2006)