Von Alejo Vidal-Quadras
Das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland haben am Mittwoch eine gemeinsame Erklärung gegenüber der Internationalen Atomenergie Organisation abgegeben, in der sie ihre tiefe Besorgnis über die Fortschritte des Nuklearprogramms des Iran und die Auswirkungen seiner systematischen Verletzungen des Abkommens von 2015 äußern, das als Gemeinsamer umfassender Plan von Maßnahmen [JCPOA] bekannt ist. Obwohl Kritiker des Verhaltens des Iran jede solche Erklärung derjenigen Parteien begrüßen sollten, die am meisten verantwortlich sind dafür, dass der JCPOA am Leben erhalten wird, sollten sie auch erkennen, dass die E3 mit dieser besonderen Position im Wesentlichen offene Türen einrennen. Die Erklärung dient hauptsächlich dazu, der IAEO gegenüber eben die Beobachtungen zu wiederholen, die diese UN Organisation in einem eigenen Bericht Anfang der Woche dargestellt hatte.
Die Verurteilung der „Eskalationsschritte“ des Iran und „irreversibler Konsequenzen für die nuklearen Fähigkeiten des Iran“ scheint zumindest anzuzeigen, dass die europäischen Autoritäten die Warnungen zur Kenntnis nehmen, die die IAEO ausspricht. Jedoch wird diese Verurteilung solange zahnlos bleiben, wie die drei Länder sich weigern, Vergeltungsmaßnahmen vorzusehen, die sie unternehmen könnten, um das iranische Regime zur Verantwortung zu ziehen. Die Sprache der E3 Erklärung ist schwach bis zur Unverbindlichkeit abgesehen von der Frage, ob der JCPOA in Kraft bleiben wird trotz der Verletzungen seiner Bestimmungen durch den Iran seit zwei Jahren.
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Nachdem der IAEO und ihrem Generaldirektor Rafael Grossi für ihren Bericht gedankt wird, wird in der Stellungnahme vom Mittwoch sofort erklärt, dass das VK, Frankreich und Deutschland „sich voll daran gebunden sehen“, die existierende Vereinbarung wieder herzustellen. Das aber läuft dem Rat entgegen, den Grossi vor der Herausgabe des Berichts gegeben hatte, als er öffentlich Teheran für den Mangel an Glaubwürdigkeit kritisiert und erklärt hatte, dass „es nicht möglich ist“, einfach zu dem Wortlaut des JCPOA zurückzukehren, nachdem „der Iran Wissen angesammelt, Zentrifugen angesammelt und Material angesammelt hat“.
Grossi hatte stattdessen empfohlen, dass die laufenden Gespräche in Wien unter den Unterzeichnern darauf hinarbeiten sollten, die letzten Fortschritte des Iran mit „einem Abkommen innerhalb des Abkommens“ zum Gegenstand zu machen. Solche Stellungnahmen verstärken nur die Herausforderungen, die sich durch Irans Intransigenz bei den Wiener Gesprächen und in diplomatischen Diskussionen allgemein ergeben.
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Seit der Zeit vor dem Beginn der betreffenden Sitzungen Anfang Mai bestehen iranische Amtsträger darauf, dass das einzige Ergebnis, das sie akzeptieren würden, die sofortige und umfassende Aufhebung aller Wirtschaftssanktionen sei, die auferlegt oder wieder auferlegt wurden durch die Vereinigten Staaten, nachdem sich der damalige Präsident Donald Trump im Mai 2018 aus dem JCPOA zurückgezogen hatte. In sechs Verhandlungsrunden hat es kein Zeichen einer Aufweichung der Position des Iran gegeben, auch als die neue amerikanische Administration Vorschläge zu einer Kompromissvereinbarung in Umlauf brachte.
Offensichtlich sind die E3 weiterhin nicht willens, solche entschiedenen Maßnahmen zu ergreifen, auch nachdem sie demonstrieren, dass sie sich der Intransigenz des Regimes bewusst sind.
Insofern reflektieren die Forderungen in der Stellungnahme vom Mittwoch nicht die Situation, die im Bericht der IAEO beschrieben wird. Ihre Autoren drängen nur weiter auf eine einfache Rückkehr zum Status Quo, obwohl die gleiche Stellungnahme die Sachverhalte betont, auf Grund deren dieses Ziel nicht zu halten ist. Die E3 kritisieren Teheran für die Fortsetzung seines Verhaltens der Eskalation „zu einem Zeitpunkt, wo allen Teilnehmern am JCPOA und auch den Vereinigten Staaten an substanziellen Diskussionen gelegen ist“. Aber sie betonen, dass das Ziel dieser Diskussionen nur darin besteht, den „JCPOA wieder herzustellen“, und sie nennen Teherans Handlungen nur „bedauerlich“.
Diese relativ höflichen Formulierungen erscheinen im gleichen Abschnitt wie der Hinweis aus „irreversible Konsequenzen“ und vor einem Abschnitt, in dem die E3 ausführen, dass solche Konsequenzen vor allem „Wissensgewinne im Zusammenhang mit Atomwaffen“ einschließen. Indem sie eine solche dramatische Beschreibung der unheilvollen Aktivitäten Teherans mit einer schwachen Sprache in Bezug auf die westliche Reaktion verbinden, riskieren die E3, das Gefühl der Straflosigkeit zu verstärken, das sich bei den Autoritäten des iranischen Regimes seit mehr als vier Jahrzehnten permissiver westliche Politik entwickelt hat.
Diese Permissivität wurde eigentlich noch unterstrichen dadurch, dass die Antwort der E3 auf das Verdammungsurteil im Bericht der IAEO zurück an die Atomorganisation der UNO geleitet wurde statt an das iranische Regime. Obwohl die Stellungnahme vom Mittwoch „den Iran aufforderte, jede Handlung zu stoppen und rückgängig zu machen, die dem JCPOA zuwiderläuft“, läuft ihre Schlussfolgerung darauf hinaus, dass der Hauptzweck darin bestehe, Generaldirektor Grossi und die IAEO dazu zu ermutigen, ihre Überwachungsaktivitäten fortzusetzen, zu denen sie sich klarerweise schon verpflichtet sehen, die aber in den letzten Monaten zunehmend schwieriger aufrecht zu erhalten waren wegen der Obstruktionen des iranischen Regimes.
Leider ist es immer noch sehr wahrscheinlich, dass die Antwort der E3 die sein wird, ihre Bemühungen darauf zu konzentrieren, die USA davon zu überzeugen, die Wirtschaftssanktionen aufzuheben und damit eine Verpflichtung des Iran auf eine Wiederherstellung des JCPOA sicherzustellen. Was europäische Amtsträger tun sollten, ist jedoch, Pläne darüber zu entwickeln, was getan werden könnte, wenn das iranische Regime sich bis gegen Ende dieses Monats und danach hinter seiner ersten Verhandlungsposition verschanzt. Statt auf die USA Druck auszuüben, über „die irreversiblen Wissensgewinne im Zusammenhang mit Atomwaffen“ beim iranischen Regime hinwegzusehen, und mit dem Druck auf dieses nachzulassen, sollten die E3 sich dazu entschließen, diesen Druck mit eigenen Sanktionen und diplomatischen Maßnahmen zu erhöhen.
Wenn es eine solche Koordination nicht gibt, so bleiben nur noch zwei machbare Optionen für die Wiener Gespräche entweder die USA kapitulieren vor der iranischen Einschüchterung und Teheran nimmt alle wirtschaftlichen Vorteile aus dem JCPOA in Anspruch, ohne dass es Konsequenzen aus seinen „Eskalationsschritten“ erfährt, oder der existierende, unilaterale Druck bleibt bestehen und Teheran führt seine Schritte weiter auf eine Weise, die die Zeitspanne für seinen nuklearen Durchbruch verringert.
Es ist schwierig zu überschätzen, um wie viel dieses Fenster schon geschrumpft ist in den letzten beiden Jahren und besonders in den allerletzten Wochen. Laut dem Bericht der IAEO hat der Iran seit März mehr als zwei Kilogramm Uranmetall produziert und etwa 2,4 Kilogramm um 60 Prozent angereichertes Uran allein seit Anfang Mai. Die erstere Substanz ist eine Schlüsselkomponente für den Kern einer Nuklearwaffe und das letztere ist nur ein kleiner Schritt entfernt von einer weiteren Anreicherung zu waffenfähigem Uran. Darüber hinaus unterstreicht der IAEO Bericht Teherans anhaltende Weigerung, das Vorhandensein von radioaktivem Material in mindestens drei nicht deklarierten Anlagen zu erklären, was die Möglichkeit nahelegt, dass seine Lagermengen sogar noch größer sind, als es die Daten zu erkennen geben.
Über diesen letzten Punkt sagt die E3 Stellungnahme, dass das Regime es „der internationalen Gemeinschaft schwerer“ gemacht hat, „sich sicher sein zu können, dass die Aktivitäten des Iran friedlich bleiben“. Das ist eine Untertreibung, aber nichtsdestoweniger eine potentiell bedeutungsvolle Feststellung, vorausgesetzt, dass die Politiker dahinter einen Plan vorbereiten für das, was sie tun können, wenn es unmöglich wird zu leugnen, dass das Streben des Iran nach einer Atomwaffe noch lebendig und voll im Gange ist.
Dr. Alejo Vidal-Quadras
Alejo Vidal-Quadras, Professor für Atom- und Kern-Physik, war Vizepräsident des Europäischen Parlaments von 1999 bis 2014. Er ist Präsident des International Committee In Search of Justice (ISJ) [Internationales Komitee für die Suche nach Gerechtigkeit]