Saturday, July 27, 2024
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Die Wirtschaft des Iran ist im freien Fall. Wer ist schuld?

Der Schrecken des wirtschaftlichen Desasters im Iran. Dieses arbeitende Kind, eines von Zehntausenden, durchsucht Müllhaufen nach Nahrungsmitteln, um über die Runden zu kommen

In neun Monaten der Präsidentschaft von Ebrahim Raisi im Iran ist es kristallklar geworden, dass er drastisch gescheitert ist in jeder Hinsicht, besonders wenn es um die Wirtschaft geht. Keines der Medienorgane des Regimes, selbst derjenigen, die mit der herrschenden Fraktion des Obersten Führers Ali Khamenei und Raisis verbunden sind, kann die verheerende wirtschaftliche Situation im Iran leugnen.
Die Menschen kämpfen tagein tagaus mit der Verzweiflung. Hohe Amtsträger der Administration Raisis, die nicht in der Lage sind, diese dunkle Realität abzustreiten, schieben die Schuld dem vorherigen Kabinett Hassan Rouhanis zu.
Es gibt zwei Hauptindikatoren für diesen freien Fall, in dem die Wirtschaft im Iran ist: die Liquidität und die Inflation, die beide in den Himmel schießen.
„Der Grund für die derzeitigen Inflationsraten ist die Liquidität von 144,6 Milliarden $, die wir von der vorherigen Administration geerbt haben“, erklärte Bahador Jahromi, der Sprecher des Raisi Kabinetts, am Dienstag.
Neben den internen Streitigkeiten und Schuldzuweisungen und dem Versuch des Raisi Kabinetts, jede Verantwortlichkeit für die katastrophalen Zustände des Landes von sich zu weisen, werfen Jahromis Äußerungen ein Licht auf die desaströsen wirtschaftlichen Bedingungen im Iran, für die keinerlei Lösung in Sicht ist.
Wenn wir jedoch diese Äußerungen des Sprechers des Raisi Kabinetts wörtlich nehmen, bedeuten sie, dass die Liquidität allein in den letzten neun Monaten um 22,6 Milliarden $ gestiegen ist. Diese Zunahme deutet im Vergleich zum Gesamtvolumen der Liquidität des Iran im Jahr 1981 auf eine Erhöhung um das 2 400fache.

Experten, die mit den eigenen Institutionen des Regimes verknüpft sind, sagen voraus, dass die Liquidität des Landes um eine stetige Rate von etwa 40 Prozent wachsen wird und „höchst sicher die Marke von 180 Milliarden $ überschreiten wird… und im besten Fall ein Maß von knapp unter 200 Milliarden $ erreichen wird“, so ein Artikel, der am Dienstag, dem 19. April, in der staatlichen Tageszeitung Mardom Salari veröffentlicht worden ist. Das wird ein Wachstum um das 18 000fache der Liquidität bedeuten im Vergleich zu 1981.

Diese irren Zahlen zeigen an, dass das Land sich schnell auf einen kompletten wirtschaftlichen Kollaps und die Zerstörung von Produktionslinien hinbewegt, was noch mehr Armut und allgemeine Ungleichheit erzeugt. Die eigenen Institutionen des Regimes bestätigen, dass die Mittelschicht des Iran schnell dahin schmilzt und dass viele Familien sich in die zunehmend verarmende Bevölkerung einreihen, die derzeit auf mindestens 60 Prozent geschätzt wird.

Das heißt, dass der Anteil der Bevölkerung, die in äußerster Armut leben und nicht einmal genug zu essen hat, auf 30 Prozent geschätzt wird, nämlich 25,5 Millionen der Bevölkerung des Iran von 85 Millionen. Das erklärt noch mehr, warum wir immer mehr Videoaufnahmen in den sozialen Medien sehen mit Leuten im ganzen Land, die in Mülleimern Nahrungsmittel suchen. „Die Zahl der Leute, die im Müll nach Nahrungsmitteln suchen, hat sich von den großen Städten auf die Dörfer ausgebreitet… und die Müllcontainer in vielen Städten reichen nicht mehr aus für die zunehmende Zahl der Leute, die nach Nahrungsmitteln suchen“, so eine Reportage, die am 18. April in der staatlichen Tageszeitung Hamdeli („Sympathie“) veröffentlicht worden ist.

Der Grund für dieses Phänomen, das in den letzten 100 Jahren des Iran beispiellos ist, liegt darin, dass die Preise täglich in den Himmel schießen, besonders die der Grundnahrungsmittel. Dazu gehören Fleisch, Geflügel, Milchprodukte, Reis und Brot, die für Millionen von Menschen im ganzen Iran unerschwinglich werden. Nach den eigenen Medienorganen des Regimes ist der Durchschnittspreis für Reis in den letzten 12 Monaten um fast 125 Prozent gestiegen, der für Eier um 97 Prozent, der für verschiedene Arten von Bohnen um mehr als 100 Prozent und der für Erbsen um 147 Prozent.
„Seid nicht überrascht, wenn Ihr morgen aufwacht und seht, dass ein Pride Fahrzeug jetzt 10 Milliarden Rial kostet. Auf den heutigen volatilen Märkten ist alles möglich“, so ein Artikel der am 19. April in der Tageszeitung Javan („Jung“) herausgekommen ist, ein Organ, das mit den Revolutionsgarden (IRGC) in Verbindung steht. „Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels“.
Das ist mindestens erstaunlich, wenn es von einer Zeitung kommt, die mit dem IRGC verbunden ist, und es ist nur die Spitze des Eisbergs der misslichen wirtschaftlichen Lage im Iran unter der Herrschaft der Mullahs. Es ist auch insofern erstaunlich, als der Iran die zweitgrößten Reserven an Erdgas und die viertgrößten Reserven an Erdöl in der Welt hat.
Raisi und sein innerer Zirkel versuchen verzweifelt, die Schuld für die katastrophale wirtschaftliche Situation des Landes Rohani zuzuschieben. Das ist ein wiederkehrender Kreislauf in den letzten 43 Jahren der Herrschaft der Mullahs, wo jeder neue Präsident seine Vorgänger für die eigenen Fehlschläge verantwortlich macht.
Jedoch kann kein Amtsträger im Regime diese Realität verdecken, dass der jetzige Stand der Dinge ein vernichtender Beweis dafür ist, dass Khameneis Initiative, Raisi als Präsident des Regimes zu ernennen, kläglich gescheitert ist. Man muss sich nur daran erinnern, dass in den Wochen und Monaten vor der Wahl im vergangenen Juni Khamenei wiederholt gesagt hat, eine „junge und Hisbollah-artige Regierung” könne die Probleme des Landes bewältigen.
Das Ausmaß dieses Scheiterns geht noch weit über seine früheren Vorhaben hinaus, als er die Wahlen von Mohammad Khatami und Mahmoud Ahmadinedschad jeweils 1997 und 2005 arrangierte.
Das wird für Khamenei und sein Regime insgesamt nur umso Besorgnis erregender in Anbetracht dessen, dass die staatliche „Etemad“ („Vertrauen“) am 12. April geschrieben hat: „Das Raisi Kabinett ist die letzte Chance für uns alle“.