Friday, December 1, 2023
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Ein ehemaliger Mitarbeiter der Internationalen Atomenergiebehörde: Das Abkommen zwischen den 5+1 Mächten und dem Iran wird diesen auf der Schwelle zum Erwerb von Atomwaffen halten

Dienstag, den 23. Juni 2015, 20. 39 Uhr

Der gegenwärtige Rahmen der zwischen den Großmächten und dem iranischen Regime auszuhandelnden Vereinbarung wird es diesem gestatten, auf der Schwelle zum Erwerb von Atomwaffen zu verbleiben; davor warnte Olli Heinonen,

der ehemalige stellvertretende Direktor des nuklearen Wachhundes der Vereinten Nationen.

Dr. Olli Heinonen, der ehemalige stellvertretende Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), äußerte sich in diesem Sinne am 12. Juni in Paris während einer Podiumskonferenz der „Stiftung für Nahost-Studien“. Daran nahmen auch der ehemalige Direktor der CIA, James Woolsey, die ehemalige Direktorin im Weißen Haus für die Verbindung mit der Öffentlichkeit, Linda Chavez, außerdem Alireza Jafarzadeh, der frühere Direktor der Vertretung des Nationalen Widerstandsrates des Iran (NWRI) in den USA, sowie Dr. Bruno Tertrais, ranghoher Mitarbeiter der französischen „Stiftung für Strategie-Forschung (FRS)“, teil. 

Der Text der Ausführungen von Dr. Olli Heinonen, dem ehemaligen stellvertretenden Generaldirektor der IAEA, während der Podiumsdiskussion der FEMO am 12. Juni 2015 in Paris:

Ich danke den Organisatoren herzlich für die Einladung, hier zu sprechen und Ihnen meine Ansichten vorzutragen. Ich freue mich über die Begegnung mit den vielen Zuhörern, die heute hier sind. Ich werde nicht sehr dogmatisch vorgehen, sondern in vier oder fünf Punkten erläutern, wo wir uns heute befinden.

Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die am 2. April in Lausanne geschlossene Vereinbarung werfen. Diese Vereinbarung mit den 5+1 Mächten läßt mehr oder weniger zu, daß der Iran auf der Schwelle zum Erwerb von Atomwaffen verbleibt. Dafür spricht eine Reihe von Gründen: 

Es werden in Natanz 5000 Zentrifugen bleiben und weitere 1000 in Fordow, die jetzt zu anderen Zwecken gebraucht werden, doch stillgelegt werden sollen. Das bedeutet praktisch: Wenn Sie sich die nukleare Infrastruktur des Iran ansehen, so handelt es sich in meinen Augen nicht um einen Abbau des iranischen Nuklearprogramms. Es bleibt, wie es ist. Es hat seinen Kurs nicht verändert, es bleibt bei den 6000 Zentrifugen, die mit natürlichem Uran gespeist werden. Trotz jeder denkbaren technischen Einschränkung können sie in mindestens einem Jahr oder noch etwas weniger genug Material produzieren, um eine nukleare Anlage zu bauen: 25 kg hoch angereichertes Uran mit U-235. Damit haben wir es zu tun. Ein Zeitraum von einem Jahr. Nehmen wir an, es sei nicht irgendwo eine geheime, nicht-deklarierte Anlage vorhanden, nicht irgendwo geheimes nukleares Material. Dennoch – wenn Sie darüber nachdenken, wie man dies System beaufsichtigen kann, so ist zu sagen: Sie benötigen ein sehr robustes System vor Ort, um sicher zu gehen, daß nicht irgendwo geheime Arbeiten stattfinden oder geheimes nukleares Material vorhanden ist. Denn sonst beträgt die kritische Frist weit weniger als ein Jahr. Es wird eine gewaltige Herausforderung sein, dann eine Verifikation auf die Beine zu stellen, ebenso den Zugang der IAEA zu den Anlagen, der, wie Sie gehört haben, zu jeder Zeit und an jedem Ort möglich sein soll – was meiner Meinung nach auch notwendig ist, um das ganze Unternehmen zu kontrollieren, wenn so viele Zentrifugen bleiben.

Wenn es sich um 3000 oder 2000 Zentrifugen handeln würde, wäre es in Ordnung; dann könnte man andere Vorkehrungen treffen. 

Was nun die Geheimhaltung betrifft, so ist es meiner Meinung nach besonders wichtig, sich die Geschichte anzusehen. Die erste Frage, die sich mir, einem einfachen Chemiker aus Brookline, Massachusetts, stellt, lautet: Wie viele Zentrifugen besitzt der Iran wirklich? Es werden 5000 oder 6000 dort bleiben; die anderen sollen unter der Kontrolle der IAEA stillgelegt werden. Aber sind das dann alle? Wie viele Zentrifugen hat der Iran in seiner Geschichte wirklich gebaut? Es handelt sich um eine sehr schwierige Frage. Ich glaube, zu den bei diesem Abkommen nötigen Maßnahmen gehört ein Zugang der IAEA zu den Anlagen, der ihr gestattet, mit Gewißheit und Präzision festzustellen, wie viele Zentrifugen der Iran in seiner Geschichte gebaut hat. Wir haben das im Jahre 2003 unternommen. Es war schwere Arbeit. Aber heute wird es mehr als schwierig sein, denn der Iran hat bis heute mehr als 

25 000 Zentrifugen gebaut; und doch – diese Prüfung muß zu der Unternehmung gehören. Sonst glaube ich nicht, daß es zu einer glaubwürdigen Verifikation kommen kann.

Es wird auch über die möglichen militärischen Dimensionen gesprochen. Ich glaube, wenn man sich die Grundzüge einer Verifikation überlegt, ist es eine Sache, sich das nukleare Material anzusehen, eine andere, die Anreicherungskapazitäten zu prüfen; aber am Ende bleibt es, wenn man ein vollständiges Bild erhalten will, bei Unsicherheiten. Man weiß von gewissen Dingen, kann aber 100prozentige Sicherheit nicht erreichen; das kann der frühere Direktor der CIA sicherlich besser bestätigen als ich. 

Man muß noch einen weiteren Aspekt des iranischen Strebens nach Atomwaffen berücksichtigen. Man muß verstehen, wie weit diese Experimente gehen. War es nur eine Drehung des Schraubenziehers, die den Iran von dem Besitz nuklearer Sprengkraft entfernte, oder war es mehr? Die Frage ist wichtig für die Verifikation. Man muß sie berücksichtigen, um die Verifikation zu planen – nicht nur die Anlagen nuklearer Forschung und die Zahl der Zentrifugen. Wenn man diese Frage berücksichtigt, kommt man leichter zur Aufsicht. Man weiß dann, worauf man zu achten hat und kann schneller die Alarmglocken läuten, wenn sich etwas verändert. 

Und ein Letztes – hier möchte ich ein bißchen springen -: Man muß auf den durch die Verhandlungen erreichten Rahmen achten. Ich lese ihn als einfacher Chemiker so: In den nächsten zehn Jahren wird das Nuklearprogramm des Iran bleiben, wie es ist – mit einer Ausnahme: Dem Iran wird es erlaubt werden, erheblich fortgeschrittenere Zentrifugen zu bauen. Das bedeutet in Wirklichkeit: Wenn sie sie in großer Zahl bauen können, verringert sich die für einen Durchbruch benötigte Zeit. Die einzige Möglichkeit, diese Zeit bei einem Jahr zu halten, besteht darin, die Einfuhr von Rohmaterial, Komponenten, CDR und (unhörbaren) Zentrifugen zu kontrollieren, um zu wissen, wo sie sich zu einer gegebenen Zeit befinden. 

Doch was in dieser Debatte in meinen Augen überhaupt fehlt, ist die Frage des Outsourcing. Man kann diese Sache anderswo machen und sie dann rechtzeitig zurückbringen, und sie in ein paar Wochen oder ein paar Monaten aufbauen. Dann hat man genügend Kapazität, um auf eigenem Boden hoch angereichertes Uran zu produzieren. Wenn man in der Geschichte etwas zurück geht, dann sieht man, daß der Iran in dem Tempo, mit dem er die ein paar tausend Zentrifugen in Fordow baute, drei bis vier Kisten in einem Monat geschafft hat. Wenn man nun diese besonders starken Zentrifugen bekommen hat, dann können sie nach wenigen Monaten in Betrieb gehen; die dazu im übrigen nötigen Vorkehrungen sind vorhanden. Das sollten wir im Kopf behalten; ich glaube, das ist eine der wichtigsten Maßregeln. 

Wenn wir nun auf das Jahr 10 kommen, so muß ich sagen, daß Präsident Obama hier sehr ehrlich war. Er sagte, darnach werde sich die für den Durchbruch nötige Zeit verringern, je nachdem, wieviel angereichertes Uran produziert werde, denn der Iran könne dann Zentrifugen in jeder Zahl installieren. Es bleibt immer noch die Frage, wie viel niedrig angereichertes Uran produziert werden kann, aber dennoch wird es ein ganz anderes Spiel sein. Dann gehen Sie in das Jahr 15: Dann wird es für das niedrig angereicherte Uran keine wirklichen Einschränkungen mehr geben, aber was die Leute in dieser Debatte in meinen Augen weithin vergessen haben, das ist der Forschungsreaktor in Arak – dem Verdacht nach die andere Möglichkeit, Material für Atomwaffen zu produzieren – Plutonium. 

Tatsächlich werden alle Einschränkungen nach 15 Jahren verschwunden sein, denn, ja, der Reaktor in Arak ist verändert worden, aber es besteht keine Einschränkung des Unternehmens, einen weiteren Schwerwasserreaktor zu bauen. Das ist ein vollkommen offenes Feld. 

Zum Schluß möchte ich sagen: Es kann zu einer Meinungsverschiedenheit in bezug auf die Beständigkeit dieses Abkommens kommen. Denn wenn man auf die letzten zwei oder drei Tage sieht, so haben Herr Araqchi und andere gesagt, tatsächlich bestehe keine Beständigkeit. Es ist wichtig für uns zu verstehen: Wenn die iranische Verpflichtung, gebrauchtes Brennmaterial nicht wieder zu verwenden, endet, werden sie auch dann noch, nach 25 oder 15 Jahren das gesamte gebrauchte Material mit Rücksicht auf die Beständigkeit aus dem Iran schicken?

Ich denke, ich höre mit diesen Fragen auf. Ich würde besonders gern hören, was Bruno auf der linken Seite sagt – ob er meine Ansichten teilt. Ich würde jede Frage begrüßen, die Sie zu dieser Angelegenheit haben.