Thursday, March 28, 2024
StartNachrichtenMenschenrechteEine Erklärung des iranischen Geheimdienstministers lädt unwillentlich zu internationaler Untersuchung ein

Eine Erklärung des iranischen Geheimdienstministers lädt unwillentlich zu internationaler Untersuchung ein

Der iranische Geheimdienstminister Mahmoud Alavi gab unlängst gegenüber staatlichen Medien Äußerungen von sich, mit denen er zugab, daß das Regime, wenn es von westlichen Feinden „gedrängt“ werde, die Entwicklung einer Atombombe aktiv verfolgen könnte. Darin lag ein bemerkenswerter Abschied von der lange festgehaltenen, wenn auch hoch verdächtigen Behauptung, das Nuklearprogramm des Landes diene ausschließlich friedlichen Zwecken. Doch lag darin nicht die einzige bemerkenswerte Enthüllung, die Alavi am Dienstag vortrug.

In demselben Interview zählte er eine Reihe von Filmen und Fern-sehserien auf, die vom Geheimdienstministerium produziert worden seien.

„Aufgrund der von mir im Ministerium gesammelten Erfahrung“, sagte Alavi, „begannen wir, uns mit der Produktion von Filmen und Serien zu beschäftigen – zur Erziehung des Publikums und seinem Schutz vor Spionage sowie zur Erreichung von Zielen des Geheimdienstes. Die Filme ‚Rubah‘ (‚Der Fuchs‘), ‚Majerayeh Nimrouz‘ (‚Die Nim-rouz-Affäre‘), ‚Cyanur‘ (‚Cyanid‘), ‚Emkan-e Mina, Ruz-e Sefr‘ (‚Der Tag Null‘), ‚Shabi ke Mah Kamel Shod‘ (‚Die Nacht des Voll-mondes‘) und die Fernseh-Serie ‚Puzzle‘ (‚Der Traum, der in umgekehrter Richtung gedeutet wurde‘), ‚Saregh-e Ruh‘ (‚Der Seelendieb‘) und ‚Khaneyeh Amn‘ (‚Das Spiel Safe House‘) – das waren die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit mit unseren lieben Freunden.“

Auf diese Weise erkannte er das Maß an, in dem die Medien von der Propaganda des Regimes besetzt werden – was lange Zeit in öffentlichen Erklärungen geleugnet worden war. Im Verbund mit der Anerkennung des geheimen Strebens nach Atomwaffen bedeutet das eine weitgehende Bestätigung dessen, was die Opposition zu Wesen und Funktion der Infrastruktur der Teheraner Propaganda zu sagen pflegt.

Der Nationale Widerstandsrat des Iran (NWRI) hat im Laufe der Jahre viele Berichte veröffentlicht, in denen die Operationen des Geheimdienstministerium detailliert beschrieben wurden. Zu diesen Beschreibungen gehören Listen der vom Staat produzierten Filme und Fernsehprogramme gleich denen, die Alavi namentlich erwähnte. Der NWRI fand insbesondere heraus, daß diese Tätigkeit sich auf den sich verschärfenden Konflikt zwischen dem iranischen Regime und der organisierten Opposition: der „Organisation der Volksmojahedin des Iran (PMOI-MEK)“ konzentrierte.

Seit Beginn des Jahres 2018 steht dieser Konflikt den genauen Beobachtern dessen, was im Iran vorgeht, vor Augen; damals fand das iranische Regime sich von einem landesweiten regimekritischen Aufstand umzingelt, der sich auf mehr als 100 Städte erstreckte. Während diese Bewegung noch in vollem Schwange war, hielt der Höchste Führer des Regimes, Ali Khamenei, eine Rede, in der er neidvoll zugab, daß die rapide Ausbreitung und die umfassende Koordination der Demonstrationen ohne die Hilfe der MEK nicht hätte zustande kommen können.

Die Rede Khameneis widerlegte die Jahrzehnte lang durchgehaltene Propaganda, wonach es sich bei den MEK um eine wirkungslose Gruppe handele, die vom Volk kaum unterstützt werde und durch die Schläge, die das Regime ihr versetzt habe, so gut wie zerstört worden sei. Obwohl die Behörden es niemals uneingeschränkt zugegeben haben, wurden die MEK im Sommer 1988 zum Ziel einer Kampagne massenhafter Ausrottung; die „Todeskommissionen“ richteten aufgrund bekannter oder nur angenommener Verbindung mit der Gruppe überall im Lande politische Gefangene hin.

Um den Hinrichtungen im Iran für immer Einhalt zu gebieten, sollte die Welt die Mullahs wegen des Massakers von 1988 zur Rechenschaft ziehen

Während weniger Monate ergab das Massaker einen Todeszoll von etwa 30 000 Menschen, doch die MEK erholten sich davon rasch und schufen an der Seite der Mutter-Koalition eine immer größere Gefolgschaft – sowohl im Lande als auch im Ausland. Im Sommer 2018 nahmen geschätzte 100 000 Personen an der Jahresversammlung „Freier Iran“ des NWRI teil, darunter zehntausende iranische Exulanten sowie hunderte politische Würdenträger aus aller Welt.

Da in jenem Jahr die Versammlung dem Aufstand folgte, der sich zu dessen Anfang ereignet hatte, zog sie natürlich die Aufmerksamkeit des iranischen Geheimdienstministeriums auf sich; es versuchte ohne Erfolg einen Bombenanschlag auf die Veranstaltung – mit der Absicht, die Leiterin des Widerstandes, Maryam Rajavi, zu töten. In der vorigen Woche wurde der Chef des Anschlages, ein ranghoher Diplomat namens Assadollah Assadi, von einem belgischen Gericht überführt und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Sein Prozeß brachte neben anderen Dinge zu Tage, daß er ein Netzwerk von Agenten betrieb, welches mindestens elf europäische Länder umfaßte. Diese Tatsache sollte die westlichen Politiker alarmieren; sie deutet auf mehr als ein Muster der vom Iran ausgehenden Drohungen. Ganz gewiß sollte diese Tatsache sie auf die Möglichkeit weiterer Angriffe auf die in Europa lebenden engagierten Iraner aufmerksam machen. Doch sollte sie auch inspirieren zu größerer Wachsamkeit gegenüber jedem, der Standpunkte vertritt, welche mit denen Teherans eng verwandt sind.

Auch auf dies Phänomen verweist der iranische Widerstand warnend schon seit vielen Jahren. Er hat auf die iranische Lobby, z. B. den „Iranisch-Amerikanischen Nationalrat“ und Agenten des MOIS wie Massoud Khodabandeh und seine Website „IranInterlink“ aufmerksam gemacht – Instrumente der Propaganda, die im iranischen Geheim-dienstministerium entsteht. Und der Widerstand hat beobachtet, daß die Tätigkeit dieser Organe in gleichem Maße zunimmt wie die Produktion der Propaganda im Iran.

Auf beiden Seiten ist diese Zunahme eine Reaktion auf dieselben Zustände: den zunehmenden Einfluß der MEK und die Aussicht auf größeren internationalen Druck und die diplomatische Isolierung, die nach Ereignissen wie der Überführung Assadis zu erwarten ist. Als Mahmoud Alavi am vergangenen Dienstag einräumte, daß die Produktion der Propaganda sich im Iran beschleunigt, gab er damit unwillentlich den westlichen Gegnern des Iran das Zeichen, daß sie gegenüber seinem bösartigen Handeln mehr auf der Hut sein sollten als je zuvor.

Die landesweite Bewegung im November 2019 umfaßte annähernd 200 Ortschaften. Betrüblicherweise wurde dieser spätere Aufstand dadurch beendet, daß das Corps der Islamischen Revolutionsgarden unter den Demonstrationen einen Massenmord beging.

Ein Todeszoll von ungefähr 1 500 Menschen bewies die fortgesetzte Versessenheit des Regimes, die organisierte Opposition mit allen Mitteln, die notwendig wären, zu vernichten; und doch konnte sie nicht verhindern, daß die Proteste sich in den folgenden Monaten in vielen Provinzen wiederholten. Diese Vorgänge spiegeln eine Situation, die der Behauptung, die in westlichen Medien allzu sehr vorherrscht: nämlich der, daß das Regime stark sei, die MEK aber wirkungslos, zutiefst widerspricht.

Mahmoud Alavi hat praktisch zugegeben: Wenn diese Standpunkte im Iran geäußert werden, handelt es sich um sorgfältige Operationen des Geheimdienstes. Auf diese Weise lädt er europäische und amerikanische Politiker dazu ein, besagte Propaganda zurückzuweisen und eine neue Politik anzunehmen, die die Verwundbarkeit Teherans ebenso einräumt wie die Popularität der Opposition im Lande.

Doch wichtiger noch: Die Notwendigkeit solchen Wandels wird durch die lange Geschichte der Repression im Iran und seiner Terror-Anschläge im Ausland unterstrichen. In den zurückliegenden Jahr-zehnten wäre es töricht gewesen, die Einladung Alavis zu ignorieren. Doch nach dem Urteil der vergangenen Woche über einen iranischen Terror-Diplomaten wäre das Ignorieren besagter Einladung geradezu unentschuldbar.