Thursday, June 8, 2023
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Iran: Achtjähriger zur Belustigung gefoltert?

ImageVon Tobias Lill
Spiegel-Online: Die Bilder erschütterten Deutschland: In Iran wurde der Arm eines Achtjährigen von einem Auto überrollt – angeblich als Strafe für einen Diebstahl. Nach Angaben von Menschenrechtlern häuft sich im Mullah-Staat die Folter bei Jugendlichen.

 Der kleine Junge konnte den bärtigen Mann nicht sehen, der die entscheidenden Worte über sein Schicksal in ein Mikrofon spricht: Der Achtjährige liegt am Boden – ein Auto rollt auf ihn zu: Das Kind verzerrt das Gesicht im Schmerz, ein Reifen rollt über seinen Arm hinweg.
Die Fotos sorgten deutschlandweit für Empörung, die "Bild"-Zeitung hatte sie in ihrer Mittwochsausgabe abgedruckt. Die von SPIEGEL ONLINE befragten Menschenrechtsorganisationen konnten die Echtheit der Bilder allerdings nicht bestätigen. Eine Strafaktion seitens staatlicher Behörden sei eher unwahrscheinlich, hieß es übereinstimmend.

Todesstrafe für jugendliche Trinker

In dem "Bild"-Bericht war zu lesen, der Junge wäre bestraft worden, weil er ein Stück Brot gestohlen habe. Wie SPIEGEL ONLINE von Menschenrechtlern erfuhr, kursiert in Iran aber auch eine ganz andere Version: Mehrere Männer hätten den Jungen bezahlt, um sich an seinem Leiden zu ergötzen. Persische Blogger berichten im Internet von einem "grausamen Zirkusstück zur Belustigung von Passanten".

"Die Menschenrechtssituation für Kinder und Jugendliche in Iran ist verheerend", sagt Ruth Jüttner, Iran-Expertin bei Amnesty International, über die allgemeine Situation in dem islamistischen Staat. Gewalt gegen Jugendliche gehört in Iran fest zur staatlichen Repressionsmaschinerie der Mullahs: Prügelstrafen oder Peitschenhiebe drohen Jugendlichen, die Alkohol trinken oder Drogen nehmen.

16-Jährige wegen "unkeuschem Verhalten" verurteilt

"Wer drei Mal wegen Alkoholgenusses verurteilt wird, kann sogar zum Tode verurteilt werden", berichtet Jüttner. Eine 16-Jährige wurde wegen "unkeuschen Verhaltens" aufgehängt. Laut Amnesty International sollte sogar ein wegen Mordes verurteiltes, zum Tatzeitpunkt 14-jähriges Mädchen, hingerichtet werden. In letzter Sekunde wurde die Hinrichtung dann doch noch gestoppt – nach heftigen internationalen Protesten.

In diesem Jahr sorgte die Hinrichtung zweier Minderjähriger wegen angeblicher "homosexueller Übergriffe" und Alkoholkonsums weltweit für Aufsehen. Offiziell sind Jungen in Iran mit 15 Jahren, Mädchen bereits ab neun strafmündig – ob sich örtliche Clan-Chefs daran halten, darf aber bezweifelt werden.

Experten gehen davon aus, dass sich nach der Wahl des Hardliners Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten, die Menschenrechtslage in Iran noch verschlechtern wird.