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Maryam Rajavi: Wir wollen ein Ende der religiösen Despotie im Iran

Dienstag, den 7. Juli 2015 um 18:58 Uhr

El Watan Interview mit Maryam Rajavi, gewählte Präsidentin des Iranischen Widerstands 

NWRI – Die algerische Tageszeitung El Watan hat Frau Maryam Rajavi, die gewählte Präsidentin der Nationalen Widerstandsrats Iran (NWRI) befragt über die Situation im Inneren des Iran,

über den Zustand des iranischen Regimes und über die organisierte Widerstandsbewegung. 

Der Iranische Widerstand hat seit über drei Jahrzehnten eine entscheidende Rolle im Kampf gegen das unheilvolle Phänomen des Fundamentalismus gespielt, so Maryam Rajavi, und die internationale Gemeinschaft sollte sich endlich auf die Seite des iranischen Volkes und seinen organisierten Widerstand stellen, um eine echte Veränderung herbeizuführen.

Das Interview mit Maryam Rajavi wurde auf Französisch veröffentlicht. Es wurde zuerst ins Englische übersetzt, hier unten daraus die Übersetzung ins Deutsche.  

 

Datum: 30. Juni 2015

Quelle: El-Watan Tageszeitung – Algerien 

El Watan Interview mit Maryam Rajavi, der gewählten Präsidentin des Iranischen Widerstands

Interviewer: Saïd Rabia

Nach der internationalen öffentlichen Meinung ist der Iran mit einem neuen Präsidenten in ein neues Zeitalter eingetreten. Wie beurteilen Sie das, was über Rohani bekannt ist?

Maryam Rajavi: Zuallererst muss ich Sie daran erinnern, dass das, was der Präsident der Mullahs Hassan Rohani an Abscheulichem auf dem Kerbholz hat in seiner nunmehr fast zweijährigen Regentschaft, nicht nur in katastrophalen Menschenrechtsverletzungen im Iran besteht (darunter mehr als 1800 Hinrichtungen).

Die Zahl derer, die in den ersten 12 Tagen des Juni erhängt wurde, liegt über 100. In Rohanis Amtszeit gingen Armut, in den Himmel geschossenen Preise, Arbeitslosigkeit und Inflation  weiter und in vielen Fällen ist die Situation schlimmer geworden. Man muss sich nur vor Augen führen, dass das Niveau der Arbeitslosigkeit die erschreckende Zahl von 15 Millionen Menschen erreicht hat.

Seine Außenpolitik beinhaltet auch die Unterstützung für die blutrünstige Diktatur von Bashar Assad. Immer wieder, etwa auch vor zwei Wochen bei einem Treffen mit dem Sprecher von Assads sogenanntem Parlament, hat er diese Unterstützung so lautstark wie möglich wiederholt.

Seine Unterstützung besteht aber nicht nur in Worten. Es gibt eine praktische und wirtschaftliche Unterstützung, die sich auf Milliarden an Dollar beläuft. Dies geschieht zu einer Zeit, wo das iranische Volk in extremer Armut lebt. Auf der anderen Seite entsendet das Regime zahlreiche Einheiten seiner Revolutionsgarden und damit verbundener Milizen nach Syrien. Assad verdankt dem Obersten Führer des Regimes, dass er überhaupt noch da ist. Rohani folgt jetzt der Politik von [Ali] Khamenei im Irak, im Jemen und in anderen arabischen Ländern.

Zum Glück schlägt jedoch die Politik des Expansionismus, des Exports des Fundamentalismus und des Terrorismus fehl. Khomeini hat in seinem Testament diese Strategie als ‚Export der Revolution‘ betitelt. Wenn die Mullahs die Gelegenheit bekämen, würden sie die ganze islamische Welt von Sanaa bis Riad und Nordafrika, bis hin nach Afghanistan und Pakistan in einen Abgrund von Blutbädern reißen.

Wo steht die iranische Opposition im Land selbst und auf der internationalen Bühne?

Maryam Rajavi: Wie der Widerstand dasteht, kann man den Worten seines Feindes, des Regimes der Mullahs entnehmen, da der Widerstand seine wichtigste Bedrohung ist, im In- und Ausland.

Unter sozialem Gesichtspunkt sind 120.000 Märtyrer aus diesem Widerstand noch ein anderes Zeichen der Ausweitung und der Vielfältigkeit seiner Basis in der Bevölkerung. Bis heute wurde nur ein kleiner Teil der Namen derer gesammelt, nämlich 20.000 Märtyrer, und in ein Buch aufgenommen, das der Iranische Widerstand veröffentlicht hat. Es gibt ein weitgespanntes Netz von Unterstützern, der Angehörigen der Märtyrer und politischen Gefangenen, früherer und derzeitiger,  innerhalb und außerhalb des Landes.

Die Netzwerke des Widerstands haben eine große Rolle gespielt bei den Protestbewegungen und Aufständen im Iran.

Dieses Netzwerk, das auch den Apparat des Regimes infiltriert hat, ist sehr effektiv beim Zusammenstellen von weitgestreuten Informationen über die Aktivitäten des Regimes, sei‘s auf dem Gebiet der Atom- und Raketenrüstung, sei’s der Qods Armee und dann auch was die Verletzung der Menschenrechte anbetrifft.

Mit seiner sozialen Basis hat diese Bewegung es erreicht, sich finanziell selbst tragen zu können.

Eines der wichtigsten Elemente, das die Macht dieser Bewegung demonstriert, ist seine Fähigkeit, Kampagnen zu organisieren und zu starten, besonders unter den Frauen und Jugendlichen. Diese Fähigkeit ist ein sehr wichtiger Aktivposten im Zusammenhang der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krisen, denen sich das Regime gegenüber sieht.

Um die politischen Botschaften im ganzen iranischen Volk in weitem Ausmaß zu verbreiten, hat der Widerstand ein Mediennetz, zu dem auch eine Satellitenfernsehstation und ein soziales Netz im Internet gehören, die sich den Zielen des Widerstandes anschließen.

Die systematische Kampagne der Dämonisierung, die das iranische Regime gegen den Widerstand betreibt, ist nur ein anderes Anzeichen. In allen diplomatischen Verhandlungen und Gesprächen, fordert das Regime zuerst und vorrangig von allen Ländern, unserer Bewegung  Beschränkungen aufzuerlegen. Jede Verbindung mit unserer Bewegung bedeutet den Tod. 

Die weitgestreute Propaganda des Regimes im Inneren des Iran etwa durch die Veröffentlichung von Hunderten von Büchern und das Organisieren von Hunderten von Ausstellungen zielen darauf, die Jugendlichen davon abzuhalten, sich diesem Widerstand anzuschließen.

Jedoch hat das Regime bei den landesweiten Aufständen von 2009 zugegeben, dass die Organisation der Volksmudschahedin des Iran (PMOI/MEK) bei vielen der Demonstrationen eine wichtige Rolle gespielt hat.

Um aber ihre Herrschaft zu legitimieren, leugnen sie die soziale Basis des Widerstandes. Wir haben immer gesagt, haltet feie Wahlen ab, um klarzumachen, wer im Iran die soziale Basis hat. Freie Wahlen sind aber für die Mullahs jenseits einer roten Linie.

Auf der politischen Szene ist der Widerstand eine glaubwürdige politische Alternative mit einer weitgespannten sozialen und internationalen Plattform. Das Exilparlament des Widerstands, bekannt als Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) hat mehr als 500 Mitglieder.

Die Plattform unseres Widerstandes kann auf die Nenner Freiheit, Demokratie und Gleichheit gebracht werden. Wir streben nach einer Republik, die die Trennung von Kirche und Staat, Pluralismus und Gleichberechtigung von Männern und Frauen zur Grundlage hat und legen Wert auf aktive und gleiche Teilnahme von Männern und Frauen an der politischen Führung.

Seit Anbeginn und seit der Gründung Ihrer Bewegung im Jahr 1965 haben Sie militärische Aktionen gestartet, zuerst gegen den Schah, dann gegen das Regime der Mullahs. Die PMOI waren auf der Liste der terroristischen Organisationen in den USA, von der sie 2012 entfernt wurde, haben die Missverständnisse im Westen Ihnen Schaden zugefügt?

Maryam Rajavi: Das Hauptproblem mit den westlichen Regierungen besteht nicht in deren Missverständnissen. In Wirklichkeit ist es deren Appeasement gegenüber dem iranischen Regime wegen diplomatischer und geschäftlicher Interessen.

Auf der Grundlage dessen, was in ihren Medien veröffentlicht wurde, haben sie alle, auch die US Regierung und die Europäische Union die PMOI auf Anforderung des iranischen Regimes auf die Schwarze Liste gesetzt als Zeichen des guten Willens gegenüber den herrschenden Mullahs.

Zum Glück ist es unserem Widerstand gelungen, beständig durch weitgestreute politische und rechtliche Kampagnen an über 20 Gerichten in Großbritannien, Luxemburg, Frankreich und den Vereinigten Staaten  den Sieg davonzutragen. Wir konnten unser Recht auf Widerstand und das Recht des iranischen Volkes auf den Sturz des Regimes legitimieren.

Ein französischer Richter hat im Jahr 2011 geurteilt, dass die Operationen der PMOI im Inneren des Iran gegen militärische Ziele gingen und im Ergebnis legitimer Widerstand waren.  In Camp Ashraf im Irak hatte ihr Verhalten die Regeln einer klassischen Armee zur Grundlage, es bewegte sich also im Rahmen des Völkerrechts. Diese Aktionen konnten niemals als Terrorismus betrachtet werden.

In den 15 Jahren, die dieses Geführt werden auf Schwarzen Listen angedauert hat, war das jedoch eine hinterhältige Unterstützung der westlichen Regierungen für die Mullahs und hat alle Wege zu Veränderungen im Iran zugemacht.

Außerdem hat die US Regierung – auf der Grundlage einer klaren Anforderung des iranischen Regimes – Basen der PMOI im Irak bombardiert und die Nationale Befreiungsarmee des Iran entwaffnet. Später, im Jahr 2009, hat Washington in offener Verletzung des Völkerrechts die Kontrolle über Camp Ashraf   dem früheren irakischen Premier Nuri al-Maliki übergeben, der eine Marionette des iranischen Regimes in Bagdad gewesen ist. Schlimmer noch, die USA haben gegenüber einer Serie von sechs Massakern und Blutbädern gegen die Bewohner von Ashraf und dann von Camp Liberty geschwiegen und nichts unternommen. Sie wurden alle von irakischem Militär ausgeführt. All das hat den herrschenden Despoten im Iran geholfen und dem iranischen Volk schweren Schaden zugefügt.

Als im Jahr 2009 das iranische Volk weitgestreute und lange andauernde Erhebungen in Gang gesetzt hat, um die Mullahs zu stürzen, hat die US-Regierung die Protestierenden verraten und Beamte des US Außenministeriums haben sich mit Abgesandten des damaligen Präsidenten der Mullahs Mahmoud Ahmadinedschad getroffen.

Deshalb haben wir immer gesagt, dass das iranische Volk und sein Widerstand vom Westen weder Geld wollen noch Waffen. Wir bitten sie nur, gegenüber dem iranischen Volk und den faschistischen Mullahs neutral zu bleiben.

Glauben Sie, dass der Westen, der zu Beginn den Iranischen Widerstand missachtet hat, heute einen Punkt erreicht hat, wo er seine Sichtweise ändert? Wie hat all das Ihre Bewegung und die Ereignisse im Inneren des Iran  berührt? Da Rohani sich als gemäßigt beschrieben hat und da es so aussieht, als habe das Einiges von dem Druck vom Regime genommen.

Maryam Rajavi: Die Veränderungen, deren Zeuge wir sind, sind nicht das Ergebnis der Politik westlicher Regierungen, sondern das Regime hat sich selbst in große Krisen gestürzt. Das Hauptelement bei diesen Krisen ist die sich eskalierende soziale Unruhe. In den letzten Monaten wurden wir Zeugen von Protesten und Streiks, die fast täglich von Arbeitern, Lehrern, College Studenten und ethnischen Gruppen, die sich Repressalien ausgesetzt sehen, wie Belutschen, Araber, Kurden und … begonnen wurden. Bei einigen dieser Protestaktionen wie denen, die wir in Mahabad (im Westen des Iran) und Iranshahr (im Osten des Iran) gesehen haben, haben die Menschen Regierungsgebäude und Fahrzeuge in Brand gesetzt. Die Mullahs sind sehr besorgt, dass sich wieder Aufstände wie die von 2009 bilden könnten.  Das war der genaue Grund dafür, dass sie sich mit den Atomverhandlungen und zeitweisen Abkommen in Genf über die Beschränkung der Anreicherung von Uran einverstanden erklärt haben. Sonst haben die Mullahs niemals ihre Bemühungen um den Bau von Atomwaffen aufgegeben. Die Furcht vor sozialen Erhebungen hat die Mullahs sehr verletzlich angesichts der internationalen Wirtschaftssanktionen gemacht.

Außerdem ist es ein Verlust für die Mullahs, dass Maliki im Irak nicht mehr an der Macht ist, da er ihre Marionette gewesen ist. Die Völkermorde, die von der Qods Armee begangen wurden, konnten nicht ihre verlorene Position im Irak kompensieren. In Syrien ist der Status des Verbündeten der Mullahs Bashar Assad sehr verwundbar geworden, wie er es in den letzten vier Jahren niemals war.  Im Jemen hat Khamenei einen schweren strategischen Fehler gemacht, als er die Houthis dazu angetrieben hat, Sanaa und Aden einzunehmen, was zur Bildung der arabischen Koalition gegen Teheran geführt hat. Dies ist die wichtigste Konfrontation zwischen arabischen Regierungen und dem iranischen Regime in den letzten 25 Jahren.

Bei der enormen Bedrohung durch ISIS, was ist Ihre Position und die des NWRI auf dem geopolitischen Schachbrett der Region?

Maryam Rajavi: Der Iranische Widerstand, der mehr als drei Jahrzehnte lang die Hauptkraft gegen die Herrschaft von velayat-e faqih (absolutes Herrschaftssystem der Kleriker) im Iran gewesen ist, stellt die Lösung dieses Problems dar.

Obwohl reaktionäre und fehlgeleitete Wahrnehmungen des Islam in einzelnen Ländern der Region immer vorhanden waren, so war es erst nach dem Aufstieg von Khomeini an die Macht und nach der Bildung eines Modells für reaktionäre Strömungen, dass der „islamische Fundamentalismus“ mit seiner jetzigen Identität sich herauskristallisiert hat, der unter der Verkleidung des Islam seinen mittelalterlichen Glaubensformen in anderen Gesellschaften Geltung verschaffen will.

Das Regime der Mullahs im Iran ist, abgesehen davon, dass es seine historische Rolle spielt, ein politischer Schirm, eine ideologische Quelle und ein logistischer und finanzieller Stützpfeiler für Fundamentalismus und Terrorismus in der heutigen Welt und kann als der Begründer dieses unheilvollen Phänomens in der Region betrachtet werden.

Eben deshalb hatten der Tod von Hunderttausenden unserer syrischen Schwestern und Brüder durch die Diktatur von Assad und der Genozid an den Sunniten durch die Maliki Regierung im Irak, die in beiden Ländern mit dem Beistand der Mullahs im Iran herbeigeführt wurden, eine grundlegende und leitende Rolle beim Anwachsen von ISIS.

Die Bewegung des Iranischen Widerstands, die einen hohen Preis bezahlt hat – darunter das Leben von 120.000 ihrer Mitglieder – hat eine entscheidende Rolle in ihrem praktischen Kampf gegen dieses unheilvolle Phänomen gespielt und es hat bei diesem Kampf politisch und ideologisch eine Vorreiterrolle gespielt. Das ist vor allem so, seit die PMOI, die Kernkraft des Iranischen Widerstands und wahre Gläubige an den Islam, die Gnade, die Freiheit und die Toleranz der Botschaft des Islam verteidigt hat und eine große Rolle bei der Niederlage des Ideals des islamischen Fundamentalismus im Iran spielen konnte.

Wir laden die Länder der Region und der Welt und die Regierungen dazu ein, diese Alternative zu unterstützen, die einen demokratischen Islam repräsentiert und die Antithese zum islamischen Fundamentalismus ist. Dies ist eine Alternative, die diese Barbarei mit ihren ideologischen Quellen in eine ausweglose Lage gebracht hat und die politisch darauf zielt, die religiöse Theokratie im Iran zu stürzen.

Mit dem Fall des iranischen Regimes werden Milizengruppen unter dem Kommando der Qods Armee, wie die Hisbollah im Libanon, Ansarallah im Jemen und viele andere Gruppen im Irak sofort verschwinden und ebenso wird der Nährboden aller fundamentalistischen Gruppen von Al-Kaida bis ISIS beseitigt.