Friday, March 29, 2024
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„Wärter schafften die Leichname auf eine leere Fläche“ Ex-Gefangener macht Zeugenaussage beim Prozess gegen Hamid Noury in Schweden

Unterstützer des NWRI und der MEK protestieren vor dem schwedischen Gerichtsgebäude in Stockholm

„12 Nächte lang sah ich, wie Wärter Lastwagen mit Leichnamen beluden. Es war grauenhaft“. Dies sind die Worte von Amir Houshang Atyabi, einem früheren iranischen politischen Gefangenen, der bei dem Massaker von 1988 im Gohardasht Gefängnis Augenzeuge war. Atyabi machte eine Zeugenaussage bei dem Prozess gegen Hamid Noury, einen iranischen Gefängnisbeamten, der 2019 in Schweden verhaftet worden ist.

Am Montag, der 24. Januar, war die einundsechzigste Sitzung des Prozesses gegen Hamid Noury, einen der Henker des Regimes. Gegen Noury findet ein Gerichtsverfahren statt wegen seiner Rolle im Massaker von 1988 an mehr als 30 000  iranischen  politischen  Gefangenen, zumeist  Mitglieder  und Unterstützer der führenden Oppositionsgruppe im Iran, der  Mujahedin-e Khalq (MEK).

Atyabi war 1983 verhaftet worden für die Unterstützung der Tudeh Partei des Iran (der Kommunisten), nachdem der Gruppe politische Aktivitäten im Iran verboten worden waren. „Sofort nach meiner Verhaftung wurde ich in den Trakt 209 des Evin Gefängnisses gebracht und bis zur Dämmerung gefoltert“, so Atyabi vor dem Gericht, und weiter: „Ich verbrachte anderthalb Jahre im Gefängnis vor der Verurteilung. Zuletzt haben sie mich zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt“.

Der Staatsanwalt befragte Atyabi darüber, wie er Wärter beim Wegbringen der Leichname hingerichteter politischer Gefangener aus dem Gohardasht Gefängnis gesehen hatte, wohin er kurz vor dem Massaker 1988 verlegt worden war.

„Sie brachten einen größeren Lastwagen herbei, um mehr Leichname dort einladen zu können“, sagte er gegenüber dem Staatsanwalt aus und ergänzte, dass der Lastwagen nicht einer der normalen Kühllastwagen gewesen sei, die er in den Tagen zuvor gesehen hatte. „Sein Dach war offen. Sie hatten eiligst diesen Lastwagen für schwerere Ladung geholt, weil die Zahl der Leichname die Kapazität von zwei Kühllastwagen übertraf, die ich in den beiden Tagen vorher gesehen hatte, wie sie zum Gefängnis kamen“.

„Am 30. Juli waren wir in der Unterabteilung der zweiten Etage, über den Zellen der MEK Unterstützer. Um Mitternacht hörten wir plötzlich ein seltsames Geräusch. Es hörte sich an, wie wenn etwas auf den Boden fallen gelassen wird. Wie das Fallen von Gasbehältern in einem Lastwagen“, berichtete Atyabi.

„Um zu sehen, was passierte, gingen wir ans Ende des Trakts. Wir hatten eine bessere Sicht aus dem Fenster des Waschraums. Was ich sah, war ein hellgrüner Kühllastwagen. Dieser Lastwagen war auf der Rückseite herangekommen, er war verbunden mit Hosseinieh und wir konnten seine Vorderseite sehen und einen Teil seines Kühlraums. Wir konnten aber nicht sehen, was in die Lastwagen eingeladen wurde.

Hosseinieh war eine große Halle im Gohardasht Gefängnis, wo Gefangene in Gruppe von 10 bis 12 erhängt worden waren.

An dem Tag sah ich die schrecklichste Szene meines Lebens, die mich bis heute immer noch heimsucht.   Durch das Fenster sah ich die beiden Wärter, die oben auf den Lastwagen gingen. Ich konnte klar erkennen, wie sie etwas bewegten, um Platz zu machen. Plötzlich sah ich, dass sie Leichen bewegten. Sie hielten die Glieder von toten Körpern, und hoben sie weg”, so ein Teil der schockierenden Zeugenaussage Atyabis am Montag vor dem Gericht.

„In den 12 Nächten danach sah sich einen Kühllastwagen und zwei Wärter in fünf Nächten. Stellen Sie sich das Geräusch vor, wie wenn etwas in einen Metallbehälter fallen gelassen wird. Ich hörte dieses Geräusch, bis der Lastwagen mit den aufgeschichteten Körpern voll war“, fügte Atyabi hinzu.

Das Massaker von 1988 begann Ende Juli nach einer Fatwa des damaligen Obersten Führers des Regimes Ruhollah Khomeini, der das Massentöten aller MEK Mitglieder angeordnet hatte. Später richteten die Amtsträger des Regimes Hunderte von politischen Gefangenen hin, die mit anderen Gruppen verbunden waren, darunter mit den Marxisten.

Die sogenannten „Todeskommissionen”, die aus vier Amtsträgern bestanden, waren damit beauftragt worden, Khomeinis Anordnung umzusetzen. Der derzeitige Präsident des iranischen Regimes Ebrahim Raisi, war ein Mitglied des Todeskomitees für Teheran und Karadsch.

Die „Todeskommission“ fragte nur, ob der Gefangene immer noch die MEK unterstütze. Eine positive Antwort bedeutete Hinrichtung.

Zu dieser Zeit war Noury unter den Folterern des Regimes im Gohardasht Gefängnis in der Stadt Karadsch. Noury und andere Folterer des Regimes benutzten jede Gelegenheit, um die Gefangenen zu drangsalieren.

„Immer wenn wir in den Gefängnishof kamen, konnten wir die Schreie anderer Gefangener unter Folter hören und das Geräusch des Auspeitschens. Diese Stimmen machten uns fertig. Einmal hörte man zwei Gefangene, die riefen ‚Hört auf, ihr Henker!‘“, erzählt Atyabi. Viele Gefangene begingen Selbstmord wegen der inhumanen Folter des Regimes, fügte er hinzu. „Ein anderer schrecklicher Vorfall war der Selbstmord eines Gefangenen. Wir sahen, wie ein Gefangener plötzlich aus dem Fenster sprang. Wir fragten uns, wie er das gemacht hat. Wir wussten nicht richtig, ob er versuchte, aus dem Gefängnis auszubrechen, oder ob er Selbstmord beging“, so Atyabi.

Bevor sie vor Gericht gingen, konnten einige marxistische Gefangene Verbindungen mit MEK Gefangenen in benachbarten Zellen über Morsecode herstellen.

„Mohammad Ali Beh-Kish und Hassan Mohammad Zadeh gelang es, eine Verbindung mit der Zelle [von MEK Gefangenen] über Morsecode herzustellen. Sie sagten uns, dass sie sie zur Hinrichtung brachten und haben zweien meiner Zellkameraden ihre Namen als Beh-Kish und Mohammad Zadeh angegeben. Wir haben nie wieder etwas von ihnen gehört“, sagt er.

Am Montag haben gleichzeitig mit dem Prozess gegen Noury MEK Unterstützer und Familienangehörige der Opfer ihre Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude fortgesetzt. Sie forderten die internationale Gemeinschaft auf, das iranische Regime und seine kriminellen Führer wie Ebrahim Raisi zur Verantwortung zu ziehen.

Zu erwähnen ist, dass das Gerichtsverfahren auf Anweisung des Richters  im November zeitweilig nach Albanien verlegt worden ist, damit Mitglieder der MEK, die in Ashraf 3 wohnen, ihre Zeugenaussagen machen konnten.