Tuesday, October 3, 2023
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Irans wahre Opposition hofft auf einen entschlossenen Westen

June 15, 2009 - Anti-government protest in IranVon Joerg Helge Wagner
Bremen. Sie schwanken zwischen Hoffnung und Skepsis: Gebannt verfolgen die Mitglieder des Nationalen Widerstandsrats Iran (NWRI) die Proteste in ihrer Heimat. Via Handy und Internet hält man Kontakt zu Angehörigen, die nach der islamischen Revolution 1979 nicht ins Exil gingen, aber auch zum Netzwerk der Volksmudschaheddin in Iran. Javad Dabiran, stellvertretender Leiter der NWRI-Vertretung in Deutschland, rät dringend davon ab, den offiziellen Opferzahlen zu glauben: "Seit Sonnabend hat es mindestens 20 Tote gegeben – nicht nur in Teheran, sondern auch in Shiraz und Isfahan", betont er im Gespräch mit dem WESER-KURIER.

Seine Hauptsorge gilt dem Zeitpunkt, wenn die wegen der Wahl zahlreich im Land vertretenen ausländischen Medien wieder abziehen. "Dann könnte das Regime mit ganzer Härte gegen die Demonstranten zuschlagen." Die aktuellen Gespräche zwischen dem vermeintlichen Wahlverlierer Mir Hussein Mussawi und dem religiösen Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei beruhigen ihn keineswegs, im Gegenteil: Mussawi habe eine Loyalitätserklärung abgegeben, um eine Kontrolle des Wahlergebnisses durch den Wächterrat zu erreichen – Chamenei sei darauf eingegangen, um mit den ganz harten Repressionen bis zum Nachlassen des internationalen Interesses abwarten zu können.

Dabiran räumt auch mit der im Westen verbreiteten Vorstellung auf, dass Mussawi ein echter Oppositionsführer sei: "Der gehört seit Jahrzehnten zum Establishment. Seine Kandidatur gegen Mahmud Ahmadinedschad zeigt nur die tiefen internen Konflikte des Regimes." Die wahre Opposition, wie sie etwa die fünf im NWRI vertretenen Organisationen repräsentierten, habe gar nicht antreten dürfen: "Alle Kandidaten mussten vorher die Oberherrschaft der schiitischen Geistlichkeit anerkennen."

Die angebliche Massengefolgschaft Ahmadinedschads auf dem Land sei eine Erfindung des Innenministeriums, bei dem auch die Wahlleitung liege: "Von 51,2 Millionen Wahlberechtigten gingen nach unserer Beobachtung gerade einmal 7,5 Millionen wählen, also rund 15 Prozent." Allein in Teheran seien es aber 1,5 Millionen gewesen, während die verarmte, frustrierte Landbevölkerung die Wahl zumeist boykottiert habe. Der NWRI fordere deshalb neue, freie Wahlen unter Aufsicht der Vereinten Nationen. Dabiran räumt ein, dass Chamenei sich darauf niemals einlassen wird – es sei denn, das westliche Ausland nehme endlich auch Gespräche mit der Opposition im Exil auf: "Das ist der beste Weg, um einen Bürgerkrieg zu verhindern, den wir ganz bestimmt nicht wollen." Hier sieht er vor allem US-Präsident Barack Obama in der Pflicht: "Die USA sollten endlich die Volksmudschaheddin von ihrer Terrorliste streichen – wie es die EU bereits getan hat – und sie als Gesprächspartner anerkennen."

Veränderung sei nur von außen möglich, das Regime allein sei nicht dialogfähig, selbst wenn der Präsident am Ende doch Mussawi heiße. Die aktuellen Proteste richteten sich nicht bloß gegen Ahmadinedschad, sondern vor allem gegen Chamenei: "Diese Entwicklung ist nicht mehr zurückzudrehen, da sind längst nicht mehr nur Mussawis Anhänger auf der Straße."