Saturday, July 27, 2024
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Staatliche Medien reflektieren die Niederlage des Regimes bei den Scheinwahlen im Iran


Drei Tage nach den Wahlen im Iran, die als gescheiterter Versuch gelten, die soziale Unterstützung für das Regime zu zeigen, analysieren die staatlichen Medien des Regimes jetzt die enttäuschenden Ergebnisse. Sie vergleichen verschiedene verblüffende statistische Werte mit denen in früheren Jahren und schauen kritisch auf die Daten.

Trotz der Einseitigkeiten in diesen Presseorganen, die ihre Sprache und ihre Schlussfolgerungen beeinflusst, und trotz des Heranziehens von frisierten Statistiken des Innenministeriums des Regimes taucht beständig ein Thema auf, dass das Regime die laute Abfuhr nicht ignorieren könne, die das iranische Volk am 1. März 2024 erteilt hat.

In einem Interview, das die Zeitung Setareh Sobh („Morgenstern”) am 3. März veröffentlicht hat, charakterisierte Heshmatollah Falahatpisheh, der frühere Vorsitzende des Sicherheitsausschusses des Parlaments des Regimes, die Scheinwahlen als Fehlschlag.
Falahatpisheh: „Es ist jetzt offensichtlich, dass das Ergebnis der Wahlen ein Fehlschlag ist, kein Sieg. Dieser Sachverhalt erfordert eine ernsthafte Analyse und Bewertung. Wenn wir das Problem durchschauen wollen, so ist der erste schwache Punkt die Ineffizienz der politischen Institutionen.

Verschiedene Institutionen in der Gesellschaft haben nur mit Slogans operiert und es fehlte an vertretbaren Leistungen. Die Menschen sind jetzt desillusioniert im Hinblick auf die Fähigkeiten, die ihre gewählten Vertreter gezeigt haben“.
Am 4. März schrieb die Zeitung Shargh („Osten“): „Das zwölfte Parlament hat eine eigentümliche Zusammensetzung bekommen, wo auf der einen Seite von den Abgeordneten erwartet wird, dass sie für mehr als 80 Millionen Iraner Entscheidungen fällen und Gesetze verabschieden, wenn die Zahl der jeweils erreichten Stimmen nicht einmal die 10 000 erreicht“.

Auch die Website Entekhab („Auswahl“) schrieb am 3. März: „Ohne Zweifel müssen die jetzigen Parlamentswahlen als die mit dem wenigsten Wettbewerb in der Geschichte der Islamischen Republik betrachtet werden“.
Sogar die vom IRGC betriebene Nachrichtenagentur Fars räumte ein: „Den Medien und dem politischen Apparat des Landes ist es nicht gelungen, die Unentschiedenen zu überzeugen, die mit annähernd dreißig Prozent anzusetzen sind. Die Beteiligung an diesem Wahlgang war um achtzehn Prozent geringer im Vergleich zu der durchschnittlichen Beteiligung bei früheren Parlamentswahlen“.
Leere Stimmzettel

https://x.com/iran_policy/status/1764017789952561477?s=20

Andere Medien äußern sich zu den vorwiegend leeren Stimmzetteln. Die hohe Zahl leerer Stimmzettel, die von Wehrpflichtigen, Regierungsangestellten und Millionen eingeworfen wurden, deren Lebensunterhalt von staatlichen Amtsträgern abhängt, die sie gezwungen haben, sich zu beteiligen, stellt eine erhebliche Schwierigkeit dar für die Beurteilung desssen, was das Regime gerne als Wahlen ansehen möchte.

Die Zeitung Etemad („Vertrauen”) schrieb: „Die ersten Ergebnisse der Parlamentswahlen auf Grund sowohl offizieller als auch inoffizieller Daten lassen einen deutlichen Rückgang bei der Wahlbeteiligung erkennen und eine Zunahme von leeren Stimmzetteln. Der Vergleich der Stimmauszählungen mit denen bei früheren Wahlen verbunden mit einer beispiellosen Abnahme von Stimmen je Kandidaten lässt auf einen beträchtlichen Anteil Stimmzettel schließen, die absichtlich leer gelassen wurden. Das geschah in einem Ausmaß, dass manche den Verdacht äußern, dass die Zahl der leeren Stimmzettel in den Wahlbezirken Teherans die zweithöchste sein könnte“.

Die Website Bahar („Frühlings-“) Nachrichten, die mit dem früheren Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad in Verbindung steht, schrieb: „Im Gegensatz zu früheren Wahlen geben das Wahlhauptquartier und die Gouvernement Verwaltung nicht die Zahl der leeren Stimmzettel in Teheran und in den meisten Städten bekannt! Said Sharivati, ein politischer Aktivist, schrieb jedoch: ‚Der Umfang der leeren Stimmzettel steht in Teheran an zweithöchster Stelle.

Es gab mehr als 500 000 leere Stimmzettel in Teheran!“
Auf ihrem Telegram Kanal konstatierte die Quelle: „Nach den Ergebnissen, die zugänglich sind, werden 15 oder 16 Kandidaten aus Teheran in der ersten Runde ins Parlament kommen. Wenn man berücksichtigt, dass in Teheran 7 Millionen wahlberechtigt waren, so wird die Hälfte der Kandidaten in der ersten Runde mit 3 bis 6 Prozent der Stimmen der Wahlberechtigten ins Parlament kommen“.

Die Zeitung Shargh meldete: „In manchen Wahlbezirken wie Marvdasht übertraf die Zahl der leeren Stimmzettel diejenigen, die für den Spitzenkandidaten abgegeben wurden, und die Gesamtzahl der Stimmen für die Kandidaten am ersten und zweiten Platz anstelle des früher gewählten Abgeordneten Rashidi Kouchi, der für diese Wahl nicht qualifiziert worden ist, lag darunter. Deshalb muss es für diesen Wahlbezirk eine zweite Runde geben“.

Die Zeitung Etemad schrieb ebenfalls am 3. März: „In Yazd wurde Zahl der leeren Stimmzettel mit 29 303 bekannt gegeben, was sie an die zweithöchste Stelle bringt. In dieser Stadt hat sich Mohammad Saleh Dschokar einen Sitz im Parlament mit 81 634 Stimmen gesichert. Die nächsten Kandidaten haben Stimmenzahlen von 19 000 bis 3 000 geholt, ein starker Unterschied. Es ist immer noch unklar, welcher Prozentsatz an Stimmen bei diesen Wahlen ungültig war. Aber bei den Präsidentenwahlen von 2021 waren die Zahlen leerer Stimmzettel an zweithöchster Stelle“.

Die Zeitung Ham-Mihan („Landsmann”) schrieb am 3. März: „Nach dem, was bis jetzt in den Medien über die in Teheran erfolgreichen Kandidaten berichtet worden ist, so erstreckt sich das auf 1 960 ausgezählte Stimmbezirke von insgesamt 5000. Diese vorläufigen Ergebnisse und das Maß an Stimmen, die ungeachtet der Beteiligung abgegeben wurden, sind bei den Wahlen ein ernst zu nehmendes Phänomen. Zum Beispiel hat Ali Gholhaki, ein konservativer politischer Aktivist, über die Möglichkeit eines Tsunami an leeren Stimmzetteln gesprochen.

Er schrieb, dass ‚bei 40 Prozent der Wahlurnen in Teheran (für die 12. Parlamentsperiode) ausgezählt worden ist und der Spitzenkandidat in Teheran hat 119 000 Stimmen bekommen, während der Kandidat am dreißigsten Platz 44 000 Stimmen gewonnen hat! Im Vergleich dazu hatte im vorherigen Parlament der erstplatzierte Kandidat 1,2 Millionen Stimmen und der drittplatzierte 641 000 Stimmen! Was bedeutet das? Es bedeutet, dass wir es mit einem Tsunami an leeren Stimmzetteln zu tun haben!“

https://x.com/iran_policy/status/1763274102419116425?s=20

Kopfschütteln
Am Ende des Tages muss das Regime einsehen, dass trotz eines jahrelangen und ausgiebigen Bemühens darum, die volle Macht zur Schau stellen und den Aufstand von 2022 als eine Sache der Vergangenheit hinstellen zu können, das Volk im Iran dem Regime eindeutig bewiesen hat, dass es falsch liegt.

Wie der frühere Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Nationale Sicherheit es ausgedrückt hat: „Statt praktische Strategien zu verfolgen und die Wahlbeteiligung zu erweitern, schien das politische System mehr auf eine Art der Mobilisierung durch Reklame fokussiert. Es ist ohne Beispiel in der Geschichte der iranischen Wahlen, dass man erlebt, dass alle Ressourcen des Landes mobilisiert wurden, um die Leute an die Wahlurnen zu bringen.

Wenn man zum Beispiel eine Begutachtung durchführen wollte: die kompletten Programme im Fernsehen und Radio haben alle ihre Möglichkeit darauf verwendet, was ohne Parallele in der Geschichte der Wahlen im Land ist. Von Appellen bis zu Drohungen haben die Medien alle Mittel benutzt, um die Leute zum Wählen aufzufordern. Am Wahltag wurden alle Werkzeuge eingesetzt und man ging so weit, die Zeiten der Stimmabgabe ohne Rechtfertigung bis Mitternacht auszudehnen. Es wurde sogar gemeldet, dass in manchen Städten mobile Wahlurnen in die Häuser der Menschen gebracht wurden, um Stimmen einzusammeln“.