In einem Meinungsbeitrag, der am 20. September in The New York Post veröffentlicht wurde, hat Frau Maryam Rajavi, die gewählte Präsidentin des Nationalen Widerstandsrats Iran, die kritische Situation im Iran erörtert. Nachdem der Präsident des iranischen Regimes am Vortag in der Vollversammlung der Vereinten Nationen gesprochen hatte, forderte sie die internationale Gemeinschaft auf, ihren Umgang mit dem Regime zu überdenken, das kurz vor dem Zusammenbruch steht.
Frau Rajavi hob die tiefen Transformationen in der politischen Landschaft im vergangenen Jahr hervor, das von weit verbreiteten Protesten und einem wachsenden Widerstand gekennzeichnet war. Sie betonte, dass es notwendig sei, dass der Westen eine entschiedene Politik betreibt, die davon ablässt, sich auf die Seite eines unterdrückerischen Regimes zu stellen, und dem Streben des iranischen Volkes nach Freiheit und Demokratie zur Seite steht.
Unten die Wiederveröffentlichung des Meinungsartikels von Frau Maryam Rajavi.
Das Original des Artikels ist hier zu finden
Der Iran steht am Rand einer vollen Rebellion – der Westen muss damit aufhören, das Regime zu unterstützen
Von Maryam Rajavi
Veröffentlicht am 20. Sept. 2023, 6:00 Uhr morgens ET
Wenn der Präsident des iranischen Regimes eine Rede vor den Vereinten Nationen hält nur wenige Tage nach dem Jahrestag des Beginns des Aufstands, der sich an einem brutalen Mord des Regimes entzündet hat, dann ist es wesentlich, dass die internationale Gemeinschaft sich die weitreichenden Implikationen dieses kritischen Kapitels in der Geschichte meiner Nation klarmacht.
Im vergangenen Jahr hat das politische Terrain im Iran eine tiefe Transformation durchgemacht. Das Regime ist von starker Panik ergriffen wegen der drohenden Proteste, während die organisierte Opposition weiter an Fahrt gewinnt. Die Welt muss ihren Umgang mit diesem brüchigen Regime neu kalibrieren – statt weiter Appeasement zu betreiben und den Mördern des iranischen Volkes beizustehen.
Der tragische Tod von Mahsa Amini, einem 22jährigen Opfer der „Sittenpolizei“ des Regimes, war der Auslöser des September 2022. Die glühende Asche des Zorns hat sich rasch in einen sich ausbreitenden Großbrand des Protests gegen die ganze Theokratie verwandelt, der mehr als 220 Städte in allen 31 Provinzen umfasste.
Die Welt war Zeuge der Eruption der tiefsitzenden Sehnsucht nach Freiheit, wo Frauen als unerschrockene Führerinnen in dem Aufstand auftraten. Die unzweideutige Zurückweisung sowohl der Monarchie als auch der Theokratie hallte in allen Protesten mit dem lauten Ruf wider: „Nieder mit dem Unterdrücker, sei’s der Schah oder der oberste Führer“.
Die führende Oppositionsbewegung, die Mujahedin-e Khalq, hat die Identitäten von mindestens 750 Protestierern veröffentlicht, die das Regime getötet hat. Die Entschlossenheit und der Mut der Demonstranten waren der Höhepunkt einer unermüdlichen Schlacht, die sich über die letzten vier Jahrzehnte erstreckt hat und sich gegen ein Regime richtete, das sich durch seine Brutalität und Unterdrückung definiert – eine Schlacht, in der die Frauen den Weg gebahnt haben.
Der Widerhall dieses Aufstands hat die internen Spaltungen auf den höchsten Ebenen vertieft und eine greifbare Angst vor der Zukunft angefacht zusammen mit einem Blutsturz in den Reihen des Regimes. Das Wiederaufflammen von Massenprotesten, die nach aller Logik mächtiger und kraftvoller sein würde, ist der schrecklichste Albtraum Teherans.
Der Oberste Führer Ali Khamenei hat Ebrahim Raisis Aufstieg zur Präsidentschaft in die Wege geleitet mit dem Ziel, ein vereinteres Regime zu schmieden, um der Wiederkehr der Proteste von 2018 und 2019 vorzubauen. Der Aufstand von 2022 hat auch diesen Anschein des Zusammenhalts des Regimes zerschmettert und zu einer Neubewertung seiner Strategie veranlasst.
Eine neueste sogenannte „Säuberungswelle“, angeführt von Raisi, hat die Absetzung von Dutzenden von Universitätsprofessoren gebracht. Das ist ein weiterer Beweis für die tiefen Ängste des Regimes besonders im Hinblick auf die Universitäten, die historisch als Bastionen eines lebhaften Widerstands gegen die Diktatoren dienten. Jetzt hat sich das Regime zu einer weiteren durchgängigen Säuberung aufgemacht.
Diese interne Säuberung ging bis zur Türschwelle des Brigadegenerals des Corps der Islamischen Revolutionsgarden Mohammad Baqer Qalibaf, des Sprechers des Parlaments und früheren engen Vertrauten von Khamenei selbst.
Die Wellen der Bekundungen der Unzufriedenheit im Volk sind ein unwiderleglicher Beweis für das Scheitern des Regimes bei der Stärkung des internen Zusammenhalts und für seine durchgängige Unfähigkeit, einem Wiederaufflammen der Proteste vorzubauen.. Deshalb hat Khamenei die Repression verstärkt.
Es gab mehr als 500 Hinrichtungen seit Januar 2023 laut den Zählungen internationaler Menschenrechtsorganisationen. Während diese Taktiken kurzfristig die Einschüchterung steigern mögen, so werden sie zuletzt auf lange Sicht den Dissens anheizen.
Die Widerstandseinheiten innerhalb des Iran sind die treibende Kraft bei der Organisation und dem Wachrütteln einer erregten Bevölkerung. Mindestens 3 600 Mitglieder dieser Einheiten sind verschwunden oder wurden ergriffen oder getötet. Trotzdem breiten sich die Widerstandseinheiten weiter im ganzen Iran aus.
Diese tapferen Jugendlichen operieren verdeckt und sehen beständig das Gespenst der Inhaftierung, der Folter und sogar des Todes vor sich, was ihre Rolle als Rückgrat der iranischen Protestbewegung zementiert.
Die Sehnsucht des iranischen Volkes geht über kosmetische Änderungen des Dress Codes hinaus. Ihr letztes Ziel ist nicht Geringeres als der Sturz des unterdrückerischen Regimes, und der Einrichtung einer echten demokratischen Republik, die die Fesseln sowohl der Diktatur des Schahs als auch der theokratischen Herrschaft der Mullahs hinter sich lässt.
Der demokratische Wandel im Iran hat aufgehört, nur eine Vermutung zu sein, er hat sich in eine unausweichliche Realität entwickelt. Die unnachgiebige Entschlossenheit des Volkes verbunden mit wachsender Unruhe innerhalb des Regimes macht den Status Quo unhaltbar. Eine entschiedene und standhafte westliche Politik gegenüber dem iranischen Regime kann nicht länger nur ein Rat der Klugheit sein, sie ist jetzt geboten.
Die Theokratie in Teheran ist an ihrem schwächsten Punkt. Sie war nie so sehr an Appeasement und diplomatischen Manövern interessiert – die sie leider bekommt. Die Freigabe von Milliarden Dollar des Geldes des iranischen Volkes und die Übergabe an das Regime ist ein Geschenk für Khamenei und seiner Revolutionsgarden für Unterdrückung, Krieg und Terrorismus.
Die internationale Gemeinschaft hat die moralische Verpflichtung, dem iranischen Volk beizustehen, das gewaltige Opfer gebracht hat bei seinem unablässigen Streben nach Freiheit. Wir bitten einfach die westlichen Regierungen, damit aufzuhören, diesen Mördern Hilfe zu leisten. Dann können wir eine friedliche Zukunft aufbauen auf der Grundlage der Ideale einer säkularen, demokratischen und atomwaffenfreien Republik.
Maryam Rajavi ist die gewählte Präsidentin des in Paris ansässigen Nationalen Widerstandsrats Iran