Die Europäische Union muss diejenigen Amtsträger im iranischen Regime zur Verantwortung ziehen, die das Massaker von 1988 an um die 30 000 politischen Gefangenen im Iran durchgeführt haben, meint der frühere italienische Außenminister Giulio Terzi.
Es mag für manche Leser im Westen schwierig sein, sich vorzustellen, dass mehr als 30 Jahre vergangen sind, ohne dass jemand verantwortlich gemacht worden ist für den Mord an of 30,000 politischen Gefangenen, schreibt Herr Terzi in einem Gastbeitrag für Real Clear Defense vom Freitag.
Das ist genau die Situation, die zum Rufen nach Gerechtigkeit für das Massaker von 1988 nötigt. Es ist eine Situation, die nicht zuletzt wegen des Schweigens der westlichen Regierungen weiter besteht und wegen der langen Geschichte der brutalen Führer des Iran, die von der Politik des Appeasements profitieren, die Teheran in seinem schändlichen Handeln in der Region bestärkt haben ebenso wie darin, Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft und sogar europäische Bürger als Geiseln zu nehmen, schreibt Herr Terzi.
In einer Konferenz, die zum Ruf nach Gerechtigkeit für das Massaker von 1988 auf rief, hat Maryam Rajavi, die gewählte Präsidentin des Nationalen Widerstandsrats Iran (NWRI) darauf hingewiesen, dass die internationale Gemeinschaft auf das Massaker aufmerksam gemacht wurde, als es noch in seinen Anfangsstadien war. Der Iranische Widerstand, so sagte sie, hat zu einer Reaktion insbesondere von den westlichen Regierungen aufgefordert, nur um auf Schweigen zu stoßen.
Stattdessen, merkte Frau Rajavi an, haben europäische und amerikanische Politiker schon in 1980er Jahren damit angefangen, ihren iranischen Kollegen Straflosigkeit zu gewähren. Sie fügte hinzu, dass die Verbrechen des Regimes „einen neuen Höhepunkt erreichten beim Massaker von 1988 und sie sind bis heute weitergegangen“. In dieser ganzen Zeit hat der NWRI seine Bemühungen fortgesetzt, die internationale Aufmerksamkeit auf ein selten berichtetes Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lenken ebenso wie auf eine große Menge weniger extreme Verstöße gegen die Menschenrechte.
„Die Welt sollte allmählich empfänglicher werden für diese Botschaft, in dem Maße wie sie Zeuge des Verhaltens des iranischen Regimes wird. Aber irgendwie hat dieses Verhalten nie den fehlgeleiteten Optimismus der westlichen Welt über eine potentielle politische Reform in der Islamischen Republik widerlegen können. Dieser Optimismus war vielleicht nie augenfälliger als nach der Wahl von Präsident Hassan Rohani im Jahr 2013, die den Weg für die Unterzeichnung des Atomabkommens mit dem Iran oder des Gemeinsamen Umfassenden Maßnahme-Plans zwei Jahre danach bahnte“, schreibt Herr Terzi.
Es ist nicht klar, ob die Nationen in Europa, die ihren Stolz in die Verteidigung der und die Anwaltschaft für die Menschenrechte legen, glaubten, dass eine „gemäßigte“ Präsidentschaft zu inländischen Untersuchungen der Verbrechen führen werde, die so lange ungestraft geblieben sind, fügt er hinzu. Es scheint, dass die europäischen Politiker, nachdem so viel Zeit verstrichen war, sich dafür entschieden, dass sie für eine moderne Politik in Bezug das iranische Regime nicht relevant seien.
„Natürlich untergräbt diese Sichtweise gehörig das Bild von Europa als einer Instanz, die den Menschenrechten verpflichtet ist. Sie ignoriert auch, dass das Massaker für die Überlebenden und die Angehörigen seiner Opfer durchaus relevant bleibt. Es ist nicht wahrscheinlich, dass sie ihr Verlangen nach Rechenschaft aufgeben, am allerwenigsten, wenn eine Verschwörung des Schweigens ihnen systematisch die Gelegenheit dazu, damit abzuschließen, oder den einfachsten Sinn für Gerechtigkeit raubt.
Während der NWRI hart daran gearbeitet hat, Beweise zu vorzulegen, lässt das iranische Regime mit jedem Jahr, das vergeht, immer mehr Beweise für die Verbrechen in seiner Vergangenheit verschwinden. Eine Reihe von Massengräbern, die 1988 entstanden, wurden von den Aktivisten in den Jahren danach lokalisiert, aber dann zubetoniert und überbaut, bevor sie untersucht und dazu benutzt werden konnten, das Ausmaß der Tötungen zu demonstrieren. Nie wurden solche Inspektionen je öffentlich in Betracht gezogen trotz aller Anstrengungen des NWRI und anderer, zu Informationen zu kommen, die dem Menschrechtsausschuss der Vereinten Nationen vorgelegt werden könnten“.
„Wie in einem Treffen im UNO Hauptquartier in Genf am 20. September (bei dem ich einer der Redner war) mit Recht betont wurde, zeigt die Untätigkeit europäischer Politiker eine kaltschnäuzige Missachtung derjenigen, die davon betroffen sind“, fügte Herr Terzi hinzu.
„Khamenei ebenso wie Rohani sind dem Erbe des Massakers von 1988 verpflichtet, das in erster Linie auf die Organisation der Volksmudschahedin des Iran (PMOI/MEK) zielte und jede ernsthafte Herausforderung für ein diktatorisches Regime auszuradieren suchte, das damals darum kämpfte, sich an der Macht zu halten. Im März dieses Jahres ernannte Khamenei einen der führenden Täter des Massakers, Ebrahim Raisi, zum neuen Chef der Justiz. Und Rohani hat zweimal Mitglieder der Todeskommissionen von 1988 für den Posten des Justizministers ernannt.
Was dies für die europäischen Führungspersonen bedeutet, ist, dass sie entweder damit rechnen, dass internationaler Druck die Rechenschaftspflicht derer herbeiführt, die 1988 en masse politische Gefangene töteten, oder dass die Opfer unentdeckt bleiben, bis eine neue Regierung die jetzige iranische ablöst. Das ist es, was von Mitgliedern des Europäischen Parlaments aus verschiedenen Gruppen in einem großen Treffen im Europäischen Parlament in Straßburg am 23. Oktober unterstrichen werden wird.
Wenn die Nationen in Europa sich damit zufrieden geben, es auszusitzen, dann müssen sie sich klar darüber sein, dass sie sich implizit gegenüber all den Verbrechen blind stellen, die weiterhin dem Muster folgen, das im Verlauf von 1988 etabliert wurde. Vielleicht hat nichts mehr dazu beigetragen, den heimischen Terrorismus des Regimes zu stärken, als das fast vollständige Fehlen eines internationalen Aufschreis über dieses eine Ereignis in der Vergangenheit des Regimes. Wenn die europäischen Politiker es nicht schaffen, das zu korrigieren, so können sie nicht länger für sich beanspruchen, die Champions der Menschenrechte zu sein“.
Dieser Titel fiele vielmehr dem NWRI und den verschiedenen internationalen Menschenrechtsgruppen zu, die sich ihm angeschlossen haben, um in Bezug auf die gewaltsame Repression des Iran seit mehr als 30 Jahren zu alarmieren. Es ist klar, dass ihre Bemühungen weitergehen werden, selbst wenn der einzige Endpunkt dann der Sturz des iranischen Regimes ist. Aber es wäre ein sehr peinlicher Beginn von Beziehungen mit einem neuen demokratischen Iran, wenn keiner seiner prospektiven internationalen Partner den Ruf nach Gerechtigkeit für alle beachtet haben wird, die unter den Händen eines Systems gestorben sind, das dem iranischen Volk so lange Demokratie verweigert hat“, fügte Herr Terzi hinzu.
Giulio Terzi war Außenminister in Italien von 2011 bis 2013. Er war auch italienischer Botschafter in den Vereinigten Staaten und ein permanenter Vertreter Italiens bei den Vereinten Nationen.