Saturday, July 27, 2024
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Leon de Winter: “Joschka Fischer spielte Mullahs in die Hand”

Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter rechnet in einem offenen Brief an Joschka Fischer und dessen Iranpolitik ab.

Erschienen in Welt Online
Lieber Joschka Fischer,
vor ein paar Jahren, als Sie noch deutscher Außenminister waren, hatten Sie und ich im Axel-Springer-Haus in Berlin einen kurzen, aber scharfen Meinungsaustausch. Ich erinnere mich, dass wir einander lautstark kritisierten: Sie griffen meinen Glauben an eine „hard power“ an, ich war nicht einverstanden damit, wie Sie die „soft power“ feierten.

Was haben Sie in Ihren Verhandlungen mit den Mullahs in Teheran mit Ihren Soft-Power-Ideen erreicht? Gemeinsam mit dem französischen und britischen Außenminister haben Sie versucht, den nuklearen Ehrgeiz des Iran mit den Mitteln des Dialogs zu begrenzen. Ich habe keine Ahnung, wen sie geschickt haben, um mit Ihnen und Ihren europäischen Partnern zu reden, der berühmten EU-Troika: Jack Straw, Dominique de Villepin und Ihnen. Es muss ein ziemliches Spektakel gewesen sein: drei mehr oder minder seriöse EU-Politiker im Gespräch mit Typen aus dem Iran, die gern feilschen, täuschen, zum Narren halten.

Sie wussten die ganze Zeit, dass die Iraner nicht aufzuhalten waren, wollten das aber sich selbst und uns nicht eingestehen, weil Sie dachten, leugnen wäre besser als die raue Wahrheit: dass die Wirklichkeit uns manchmal unmoralische Entscheidungen aufzwingt – Krieg oder Unterwerfung.

Wir bewegen uns auf eine Konfrontation mit dem Iran zu. Und Sie, Jack Straw und Dominique de Villepin haben zu den Umständen dieser Konfrontation beigetragen. Jahrelang haben Sie den Mullahs in die Hände gespielt. Sie haben Ihnen die Zeit gewährt, die sie brauchten, um ihr Nuklearprojekt voranzutreiben. Die Mullahs haben mit Ihnen gespielt, und Sie haben es ihnen erlaubt. Alles sei besser, als die Wahrheit zu gestehen, haben Sie gedacht.

Warum Nichtstun in diesem Fall unverantwortlich war
Es hätte anders kommen können. Um dessen willen, der Sie sind. Um Ihrer Vergangenheit willen. Um Ihrer Nationalität willen. Um Ihrer „besonderen“ Verantwortung willen. Im Mai 2005 sind Sie mit dem Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland, der einflussreichsten jüdischen Organisation in Deutschland, ausgezeichnet worden. Bei dieser Gelegenheit hat Amos Oz Sie gerühmt und all die progressiven und friedensliebenden Dinge gesagt, die Sie so gerne hören. Sie nahmen diesen Preis im Wissen darum entgegen, dass die Mullahs an einer Bombe arbeiteten, um die Hälfte aller Juden auf der Welt auszulöschen.
Das war klar, jeder, der es sehen wollte, konnte es sehen. Ich habe es gesehen. Andere auch. Und Sie haben es genauso gewusst: Die Mullahs arbeiten an einer Atombombe und ihr primäres Ziel sind die Juden. Lesen Sie sorgfältig nach, was Ahmadinedschad vor aller Welt sagte, im UN-Gebäude, am Dienstag, den 25.September. Er hielt eine lange hasserfüllte Rede gegen die „Zionisten“, womit er die „Juden“ meinte. Er hält seine Pläne nicht geheim. Er ist stolz, dass er sie hat. Ganz im Einklang mit seinem leidenschaftlichen Glauben an das Ende der Zeit. Er rechnet mit dem Auftauchen des islamischen Messias in Bölde.

Natürlich haben Sie sich gesagt, dass Sie alles Denkbare versucht hätten. Sie haben an vielen Treffen teilgenommen, Sie haben versucht, an die Aufrichtigkeit der Mullahs zu glauben. Tief drinnen aber haben Sie gewusst, dass kein einziges Argument die Mullahs davon abbringen könnte, die Bombe zu bauen. Und tief drinnen haben Sie gewusst, dass es die Androhung von Gewalt gebraucht hätte – aber die Worte sind Ihnen nicht über die Lippen gekommen, klangen sie auch in Ihrem Kopf: „Wenn nötig, dann stoppen wir euch mit Gewalt.“

Die Mullahs wollten die Bombe und waren willens und in der Lage, jeder Drohung, jedem Boykott zu widerstehen. Sie haben das gewusst. Doch sie haben verzweifelt versucht, sich so zu verhalten, als glaubten Sie an eine minimale Bereitschaft auf Seiten der Mullahs, über eine Form von Arrangement zu reden.

Die Mullahs haben Ihnen ins Gesicht gelogen. Sie haben Sie betrogen, als w?ren Sie ein Narr. Es war ihnen einerlei, dass sie einen der großen Führer Nachkriegsdeutschlands, ein Kind der Sechziger, einen Mann der Aufkl?rung und der Umwelt, einen radikalen linken Denker und einen echten Freund der Juden betrogen, einen Mann, der sich der Geschichte und Ihrer Gebote bewusst ist – Sie, Joschka.

Sie haben sich großgetan, als die dem Wahn verfallenen Medien der EU Sie nach den hohlen Scheinverträgen, die Sie und Ihre Kollegen mit den Mullahs geschlossen haben, rühmten. Wie wunderbar, schrieb die progressive Presse, schaut wie unsere EU-Diplomaten das Problem Iran mit Hilfe von „soft power“ lösen!

Doch tief drinnen haben Sie es gewusst, haben Sie gewusst, dass „soft power“ ohne „hard power“ im Hintergrund bloß ein Witz ist, dass nichts funktionieren würde, und dass nichts die Mullahs zögern lassen würde, weil sie sich ganz ihrer Idee einer gerechten Welt verschrieben haben: der Welt des radikalen Islam.
Die Mullahs haben Sie durchschaut. Sie haben gesehen, dass Sie auf tönernen Füßen standen. Und Sie wussten, dass sie wussten, ebenso wie Ihr Nachfolger weiß, dass sie wissen, dass er sie nicht daran hindern wird, die Bombe zu bauen.
Und jetzt?

Ihr Bewunderer,
Leon de Winter